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Was fehlt?


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sich der Konfrontation von Traditionsgut und aktueller Gegenwartsherausforderung zu stellen. Schließlich geht es auch an diesem Ort, so wie an jedem anderen kirchlichen Ort auch, um die Botschaft des Evangeliums, ja um ihre Horizont erweiternde, Menschen befreiende, lebensspendende Erschließungskraft.

      Die Sehnsucht nach Befreiung und Gelingen ist auch an den Orten wissenschaftlicher Theologie allgegenwärtig greifbar. Die akademischtheologischen Forschungs- und Lehrstätten schaffen es aber ebenso wenig wie die pastoralen Handlungsorte, dieser Sehnsucht jenseits von Widersprüchlichkeiten und Verstrickungen nachzugehen. Auch die Theologie kann nur dann der menschlichen Realität ins Auge sehen, wenn sie sich selber verletzbar macht.

      Es liegt an der Theologie selbst, ob sie ihre Leerstellen links liegen lässt und ignoriert, sie vollfüllt, weil sie darüber stolpert, oder sich ihren Anfragen aussetzt. Letzteres gelingt ihr dann, wenn sie vertrauensvoll Experimente wagt, ohne vorher zu wissen, wie sie ausgehen.

      Literatur

      Aigner, M.E., Bibliodrama und Bibliolog als pastorale Lernorte, Stuttgart 2015.

      - Dient Gott der Wissenschaft? Praktisch-theologische Perspektiven zur diakonischen Dimension von Theologie, Münster u.a. 2002.

      1Vgl. zu den folgenden Streiflichtern ausführlicher Aigner, Dient Gott der Wissenschaft?; Dies., Bibliodrama und Bibliolog.

      Theologie ohne Gott

      Annäherung durch Unterbrechung im Nachdenken von Eberhard Jüngel

       Birgit Hoyer, Frankfurt a.M.

      1.Was fehlt?

      Ist der Grund für diese Frage ein Unbehagen? Ist Theologie, die Theologie, eine Theologie nicht in Ordnung? Soll Theologie in Ordnung sein? Soll Theologie ordnen? Wer ist die Theologie, dass sie ordnen könnte? Das Chaos ordnen, ohne es durch Ordnung zu ersetzen? Was fehlt der Theologie? Wem fehlt etwas? Wer erwartet etwas von der Theologie? Wer hegt Unbehagen? Hat die Theologie eine Pflicht zur Unbehaglichkeit? Gilt es nicht geradezu, Unbehagen zu kultivieren mit Theologie? Pervertiert sich Theologie selbst in den Komfortzonen von Universität und Kirche? Fehlt der Welt etwa gar nichts, wenn die Theologie fehlt? Fehlen die Leerstellen in der Theologie, in denen diese Fragen gestellt und beantwortet werden?

      Mir behagt eine Theologie nicht, die behaglich ist. Mir fehlt etwas in der Theologie, wenn sie sich nicht dem Leben hingibt, wenn sie eine Kirche in den angeblich klaren Ordnungen von gut und böse, Moral und Unmoral bestärkt. Mir fehlt eine Theologie, die sich mit all ihrer wissenschaftlichen Leidenschaft gegen Reglementierungen und Ausschlüsse wirft, die Menschen vom Leben abhalten. Mir fehlt das breite Bewusstsein der eigenen Freiheit in vielen Theologien und der Aufschrei, wenn Kirche Menschen nicht in Freiheit lässt, ihre Freiheit schützt und fördert. Mich als Theologin beschleicht Unbehagen, dass die Theologie die Würde der Menschen, des kranken, flüchtenden, modernen, alten, verwirrten, jungen, glücklichen Menschen nicht thematisiert und verteidigt.

      Fehlt der Kirche Theologie und umgekehrt? Theologie gehört zum Selbstvollzug der christlichen Kirche. „Theologie ist also zuerst und vor allem ein elementarer Lebensakt der christlichen Kirche und partizipiert als solcher an ihrer Katholizität“, schreibt Eberhard Jüngel.1 Der Kirche mangelt es an Leben, wenn die Theologie fehlt, wenn in der Theologie etwas fehlt, gar das Leben fehlt, die Katholizität, weil sie auf ein konfessionell enggeführtes „Katholisch-Sein“ reduziert wird.

      2.Was ist Theologie?

      Was ist ihre Bestimmung? Auf „katholische-theologie.info“ lese ich: „Was ist Theologie? Katholische Theologie ist die wissenschaftliche Reflexion des kirchlichen Glaubens an Gott und seine Menschwerdung in Jesus von Nazareth. Als Glaubenswissenschaft besteht für die Theologie eine wichtige Aufgabe darin, die Innenperspektive der geglaubten Wahrheit mit der Außenperspektive der universalen Vernunft zu verbinden. Dazu bedarf es der Kooperation der verschiedenen theologischen Disziplinen. Ebenso wichtig ist der Dialog mit anderen Wissenschaften in Forschung und Lehre.“2 Die evangelische Theologie wirbt: „Das Theologiestudium fordert die eigene Person und deren Einstellung zur Welt und zu Gott heraus. Das wissenschaftliche Studium schafft zunächst eine ungewohnte Distanz zur Praxis des Glaubens. Dennoch kommt der eigene Glaube nicht zu kurz. Denn Theologie und die eigene Biographie sind eng miteinander verknüpft. Theologie studieren heißt nicht nur, sich mit Traditionen auseinander zu setzen, sondern auch neue, überraschende Einsichten gewinnen. Es heißt nicht nur, Texte zu lesen, sondern auch Menschen und deren Kon-Texte zu verstehen.“3

      Und wie definiert sich gar eine Katholische Universität? „Anspruch und Verpflichtung, die sich aus dem Begriff ‚Katholische Universität‘ ergeben, bestehen darin, dem Wissen im Ganzen geöffnet zu sein und den Blick für das Ganze zu weiten. […] Aufgrund einer gewissen Art von universalem Humanismus widmet sich die Katholische Universität voll und ganz der Erforschung aller Aspekte der Wahrheit in ihrer wesentlichen Verbindung mit der höchsten Wahrheit, die Gott ist. […] Dieser Auftrag fordert und verpflichtet alle, die an der KU tätig sind.“4 In der Stiftungsverfassung ist zu lesen: „In Erfüllung des Stiftungszwecks ist die Universität als eine hervorragende Stätte zu fördern, an der eine Auseinandersetzung mit den geistigen Strömungen und Problemen der Zeit auf hohem akademischen Niveau und im Lichte des katholischen Glaubens geführt werden kann“.5

      Ob dem Lichte des katholischen Glaubens nicht die Kraft fehlt und in der Betrachtung nur aus katholischem Glauben ein Schatten auf die Probleme der Zeit fällt? Und ist es nicht gerade Auftrag einer Universität, mit all ihren Disziplinen gegen solche Verschattung aufzutreten, ins Angesicht zu widerstehen gegen alle Verengungen und das Drehen um das eigene Proprium? Das Kriterium für die Katholizität der Kirche ist für Eberhard Jüngel die Apostolizität der Kirche: ihre Verpflichtung auf die „mit der Person Jesu Christi identischen, in der heiligen Schrift auf ursprüngliche Weise bezeugten Wahrheit des Evangeliums. […] Doch die Wahrheit des Evangeliums will nicht nur kirchlich verkündigt, sie will erkannt, begriffen und denkend verantwortet werden. […] Die Theologie partizipiert an der Katholizität der Kirche. Die Katholizität der Kirche aber verdankt sich der Katholizität der Wahrheit des Evangeliums. Und jede Wahrheit, auch die des Evangeliums, kann gar nicht anders als eine allgemeine, mithin jeden Menschen angehende Erkenntnis zur Geltung zu bringen. […] wenn in der Sprache der Wissenschaft nicht wenigstens ein fernes Echo der verkündigenden, bekennenden, lobpreisenden und – ja, auch singenden Sprache des Glaubens zu vernehmen ist, dann droht die Theologie einem Narzissmus zum Opfer zu fallen.“6

      3.Theologie in der Katholizität des Lebens

      Was in Theologie und Kirche fehlt, ist das ganze Leben, die Katholizität des Lebens und damit auch des Glaubens, eine Theologie weit in die Rat-, Ausweg-, Sinnlosigkeiten des Lebens hinein. Katholische Kirche und Theologie als ihr elementarer Lebensakt zimmern sich dagegen ihre Lebenswelten selbst, schnitzen sich ihre Gläubigen, haben sehr viel damit zu tun, Zugehörigkeiten und Ausschlüsse zu regeln, um angebliche Wahrheiten oder angeblich Wahrheiten zu schützen, ohne zu merken, dass sie sich in der Selbstbespiegelung verlieren, an der Wahrheit des Evangeliums vorbeischauen, an den Lebensrealitäten und -fragen, -versuchen und -antworten der Menschen und damit an Gott.

      Die „Wahrheit des Evangeliums unterscheidet sich von allen anderen Wahrheiten dieser Welt sehr penetrant dadurch, dass sie die Wahrheit des Wortes vom Kreuz ist. Und das Kreuz stört. Das Kreuz weist in einer die Weisheit dieser Welt irritierenden Weise darauf hin, dass nichts in unserer Wirklichkeit die Welt im Innersten zusammenhält – auch der höchste Gedanke, auch die tiefste Einsicht nicht. Die Wahrheit des Wortes vom Kreuz steht quer zu allem, was sonst in der Welt auf Wahrheit Anspruch erhebt.“7 Ist sich Theologie ihrer Bedeutung für Welt und Wissenschaft bewusst? Weiß sie darum, elementarer Lebensakt der Kirche zu sein? Weicht sie mit der Kirche der Wahrheit des Kreuzes aus? Macht sie sich zum weichspülenden Erfüllungsgehilfen und traut sich das Widerstehen im Angesicht anderer Wissenschaft nicht