gelungenen Kooperation deutscher und polnischer Katholiken. Am 10. Oktober 1982 reiste Kardinal Höffner mit neun weiteren Bischöfen zur Heiligsprechung Maximilian Kolbes nach Rom und predigte bei einem gemeinsamen Dankgottesdienst im Petersdom. Die Seligsprechungen von Edith Stein und des Jesuitenpaters Rupert Mayer waren der Anlass für den zweiten Papstbesuch von Johannes Paul II. in der Bundesrepublik Deutschland vom 30. April bis 4. Mai 1987. Im Rahmen dieser Pastoralreise wurde dadurch eine Art Zwischenbilanz zum Thema „Katholischer Kirche und Nationalsozialismus“ gezogen. Bei der Begrüßung des Hl. Vaters vor der Seligsprechung der Karmelitin Edith Stein am 1. Mai 1987 erwähnte Kardinal Höffner aus gutem Grund den polnischen Franziskanerpater Maximilian Kolbe87, der 1971 selig- und 1982 von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen worden war.
„Wie der Märtyrer von Auschwitz, Maximilian Kolbe, Fürsprecher bei Gott ist für die Versöhnung von Polen und Deutschen, so möge die Märtyrerin von Auschwitz, Edith Stein, Fürsprecherin sein für die Versöhnung zwischen Juden und Deutschen.“88
Die Selig- und Heiligsprechung des Franziskanerpaters Kolbe war der erfolgreiche Abschluss jahrzehntelanger deutsch-polnischer Bemühungen. Bereits im Frühjahr 1960 hatte Franz Wosnitza (1902-1979), ehemaliger Generalvikar von Kattowitz, einen Gesprächskontakt zu dem ehemaligen Mitarbeiter im Kattowitzer Ordinariat, Bolesław Kominek (1903-1974), geknüpft, um mit ihm über P. Kolbe und Edith Stein zu sprechen. „Meinen Vorschlag, gegenseitig die Heiligsprechung der KZ-Martyrer Pater Kolbe und Edith Stein zu fördern, nahm er [i.e. Kominek] sehr bereitwillig auf.“89 In einem Vortrag über „die geschichtliche Belastung der deutsch-polnischen Beziehungen“ am 28. Juli 1960 berücksichtigte Kominek P. Kolbe und Edith Stein bereits öffentlich gemeinsam:
„Als ich heuer in Rom, in Paris und Wien mit deutschen Menschen sprach, die eines guten Willens waren, wurde unter anderem auch ein Vorschlag zur Rede gebracht, dem ich innerlich nur beipflichten kann: die Deutschen machen mit uns Propaganda für die Seligsprechung unseres P. Maximilian Kolbe, einem der zahlreichen Opfer aus dem KZ Auschwitz, und wir in Polen werden eine der schönsten deutschen Menschengestalten zu verstehen suchen – Schwester Edith Stein, Karmelitin, deutscher und jüdischer Abstammung, ebenfalls ein Opfer des KZ Auschwitz, aber geboren in Lublinitz auf polnischem Boden, groß geworden in Breslau – im heutigen Wrocław – Märtyrerin wieder auf polnischem Boden, in Auschwitz.“90
Im gleichen Jahr predigte der Berliner Bischof Döpfner auf dem Eucharistischen Weltkongress in München 1960 über den Glaubenszeugen P. Kolbe.
Am 24. August 1963 informierte der Würzburger Franziskanerpater Franz Xaver Lesch – im Auftrag seines Generalministers und nach Rücksprache mit Kominek – seinen Ortsbischof Dr. Josef Stangl: Mit Rücksicht auf den Kardinal Wyszyński vorbehaltenen „besonderen Spielraum“ sei noch keine konkrete Vereinbarung getroffen worden; der Orden plane aber arbeitsteilig eine breit angelegte Medienkampagne. Die Bischöfe sollten die Möglichkeit prüfen, Kolbe zur „Gestalt der Versöhnung“ zu proklamieren. So könnte für die zweite Konzilsperiode eine Begegnung der deutschen und polnischen Bischöfe in Rom entsprechend vorbereitet werden. Bereits am 19. November 1963 übersandte Kardinal Döpfner in Rom einen polnischen Entwurf für diese gemeinsame Erklärung in lateinischer Sprache an die Weihbischöfe Joseph Ferche und Friedrich Rintelen mit der Bitte um Korrektur. Das endgültige gemeinsame Bittgesuch91 trug schließlich das Datum vom 21. November 1963, dem Fest Mariä Opferung. In ihrer gemeinsamen Erklärung aus der Konzilsaula hofften die Bischöfe beider Länder,
„dass durch sein Vorbild und seine Fürbitte der Gott des Friedens beiden Völkern die Gnade einer Versöhnung aus innerstem Herzen gewähre.“92 „Die polnischen und deutschen Kardinäle und Bischöfe sind voll Bewunderung für diesen Diener Gottes Maximilian Kolbe und sein Verdienst, und sie flehen durch die Fürsprache der unbefleckt empfangenen Jungfrau Maria in Demut zu Gott, dass zur größeren Ehre der Kirche und zum Segen der ganzen Menschheit Eintracht und Liebe, Brüderlichkeit und Friede unter den Völkern herrschen mögen“, „nicht achtend gegenwärtige Streitigkeiten, Kriege und Rivalitäten, die die beiden Nationen so lange entzweit haben.“93
In dieses Jahr 1963 fallen auch die Pilgerfahrt nach Auschwitz, die am Beginn des Maximilian-Kolbe-Werks94 steht, und die ersten Arbeitseinsätze in ehemaligen Konzentrationslagern. Am 30. Januar 1969 verkündete Papst Paul VI. den „heroischen Tugendgrad“ für P. Kolbe und sprach ihn am 17. Oktober 1971 selig. Kardinal Wojtyła äußerte sich damals in Radio Vatikan zu der Frage: „Warum wird Pater Maximilian Kolbe seliggesprochen?“95 1978 wählte Kardinal Wojtyła für seine Predigt im Dom von München das Thema: „Unser gemeinsamer Weg“:
„Wenn die Kirche einmal die Schwester Benedikta vom Kreuze auf die Altäre erheben wird, worum der deutsche Episkopat, von polnischen Bischöfen unterstützt, sich bemüht, so werden sie beide: Maximilian Kolbe und Edith Stein, uns allen, Polen und Deutschen, zurufen, von demselben Ort des Märtyrertodes, den sie erlitten haben, ohne von einander zu wissen: ‚Wollet doch des Evangeliums Christi würdig leben!‘ Die bewegende Kraft dieses Rufes wird dann noch viel mächtiger sein.“96
Bei seinem ersten Papstbesuch überreichte Johannes Paul II. dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz eine Reliquie von P. Kolbe als Geschenk der Weltkirche an die deutschen Katholiken. Kardinal Höffner betete bei seiner ersten Polenreise 1977 in der Todeszelle des Seligen Maximilian Kolbe, „dessen baldige Heiligsprechung als Märtyrer wir erhoffen“97, bei seinem Besuch in Polen im Juni 1982 unterzeichnete er mit dem polnischen Vorsitzenden ein gemeinsames Gesuch, Maximilian Kolbe als Märtyrer heilig zu sprechen. „Wir wollen uns gemeinsam für die Erneuerung Europas im Geist Jesu Christi des Gekreuzigten einsetzen. Möge Europa mithelfen, die Botschaft der Liebe und der Gerechtigkeit in der Welt zu verwirklichen.“98 Höffner stand auch an der Spitze der deutschen Delegation, die am 10. Oktober 1982 zur Heiligsprechung Maximilian Kolbes nach Rom fuhr.
Die Kölner Karmelitin Edith Stein, geboren in Breslau und ermordet in Auschwitz, steht im Übrigen nicht nur unter den Anforderungen ihrer jüdischen und katholischen Identität, sondern auch mitten in den Verwicklungen der deutsch-polnischen Geschichte. Ihr Lebensweg hat an verschiedenen Stationen eine erstaunliche Nähe zu dem des polnischen Papstes, der sie selig- und heiliggesprochen hat. Beide haben ein wissenschaftliches Buch über den heiligen Johannes vom Kreuz veröffentlicht, beide haben sich mit der Philosophie Max Schelers beschäftigt. Das Konzentrationslager Auschwitz, in dem Edith Stein und ihre Schwester Rosa ermordet wurden, liegt im Erzbistum Krakau. 1995 konnten die polnischen und deutschen Bischöfe in einem gemeinsamen Wort „Das Geschenk der Versöhnung weitergeben“ fast selbstverständlich Maximilian Kolbe und Edith Stein als „mutige Zeugen des christlichen Glaubens in unserem Jahrhundert“ in einem Satz nennen.
11. Gefahren des Rückschritts
Mit der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Grenzvertrags am 14. November 1990 unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung endete die deutsch-polnische Nachkriegszeit, der Nachbarschaftsvertrag vom 17. Juni 1991 sollte die Gründungsakte einer politischen Zukunftsallianz werden. Vor dem Beitritt Polens zur Nato und EU entstand aber erneut eine Situation des Ungleichgewichts, der eine sollte helfen, dem anderen musste geholfen werden. Am Ende der 1990er Jahre ging nach dem allmählichen Abtreten der Erlebnisgenerationen in beiden Ländern manches bereits Erreichte teilweise wieder verloren. Es war deshalb an der Zeit, noch nicht beantwortete alte Fragen neu zu stellen, sich wieder verstärkt für einander zu interessieren. Welches waren die sog. „heißen Eisen“, die unbewältigten Probleme der gemeinsamen Geschichte, Gegenwart und Zukunft, wo fühlten die Polen sich von den Deutschen missverstanden, wo war es umgekehrt? Wo sind die nachwachsenden „Menschen der Versöhnung“, die eine so wichtige Rolle gespielt haben? Der vorübergehende Optimismus bezüglich der Stabilität der Verständigung betraf in den 1980er und 1990er Jahren offenbar primär die aktuelle Situation, er galt noch nicht im Blick auf die Vergangenheit. Die gemeinsame Erklärung von katholischen Laien beider Länder zum 50. Jahrestag des Kriegsbeginns – 1. September 1989 – hatte dann wieder Hoffnung aufkommen lassen, dass die beiden schwierigsten Problemkreise der Vergangenheit – die Frage der Dauerhaftigkeit der polnischen Westgrenze und die Kennzeichnung der Vertreibung als Unrecht – inzwischen