akzeptiert. Für diese These spricht zum einen, dass das beiden Evangelien gemeinsame Material bei Lukas im wesentlichen in den beiden großen Einschaltungen in den Markuszusammenhang von 6,20–8,3 und 9,51–18,14 begegnet, während es bei Matthäus über das ganze Evangelium verstreut ist. Zum anderen bringt ein Vergleich zwischen den Evangelien nach Matthäus und Markus die Tendenz des Matthäus an den Tag, sein Material aus verschiedenen Quellen zusammenzutragen und es zu thematischen Blöcken zusammenzufassen (vgl. nur Mt 8 und 9 mit den Markusparallelen). Dies ist bei Lukas nicht in vergleichbarer Weise der Fall. Darüber hinaus spricht auch der Umstand, dass Lukas im Gegensatz zu Matthäus die Markus-Reihenfolge nur in geringem Umfang geändert hat, für die größere Ursprünglichkeit der lukanischen Reihenfolge auch beim Material der Logienquelle. Diese wird deswegen in der Q-Forschung nach der lukanischen Zählweise mit dem vorangestellten Kürzel Q zitiert.
Nicht völlig identische Versionen von Q?
Die Ursachen für die Abweichungen der beiden Evangelisten im gemeinsamen Q-Stoff werden in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Während die einen diese auf die jeweils unterschiedliche Redaktion des gemeinsamen Stoffes durch die Evangelisten zurückführen, gehen andere von zwei insgesamt nicht völlig identischen Versionen der Logienquelle aus (QMt und QLk). M. E. schließt die eine Möglichkeit die andere nicht aus. Es gibt wirklich gravierende Gründe, z. B. bei den Seligpreisungen (Q 6,20 ff) oder beim Gleichnis von den Minen (Q 19,12–26) eine jeweils unterschiedliche Gestalt der Vorlage anzunehmen. Gleichzeitig gibt es aber ebenfalls gute Gründe für die Annahme, dass Matthäus und Lukas die Worte der Logienquelle mehrfach nicht wörtlich aus der Quelle in ihr Evangelium übernommen haben. Andernfalls hätten sie sich dann diesem Stoff gegenüber ganz anders verhalten als gegenüber der Markusvorlage! Insofern dürften die Unterschiede zwischen dem Matthäus- und Lukasevangelium im gemeinsamen Q-Stoff sowohl mit einer z. T. unterschiedlichen Gestalt von Q als auch mit der Redaktionsarbeit der beiden Evangelisten zusammenhängen. Im übrigen ist damit zu rechnen, dass auch die Übernahme des Materials der Logienquelle in den größeren Zusammenhang eines Evangeliums zu Veränderungen des Materials führen musste. So werden v. a. die Einleitungen der Worte verändert worden sein, wie überhaupt zu fragen ist, wie Anfang und Ende der Sammlung ausgesehen haben. Es wird in der einschlägigen Forschung damit gerechnet, dass die Sammlung ein Präskript und evtl. auch ein Schlusswort gehabt hat, das aufgrund der Übernahme der Logiensammlung in die Evangelien nicht mehr erhalten ist.
5. Die Logienquelle als Matthäus und Lukas schriftlich vorliegende Quelle
Die Frage, ob den ► Seitenreferenten des Markus die Logienquelle schriftlich vorgelegen hat, taucht schon allein deswegen immer wieder auf, weil die Quelle nicht erhalten ist. Die neueren Arbeiten stimmen aber darin überein, dass die bereits erwähnten, ganz starken Übereinstimmungen im Wortlaut die Annahme einer schriftlichen Quelle in griechischer Sprache unbedingt notwendig machen. Denn diese wörtlichen Übereinstimmungen sind auch mit der früher häufig herangezogenen größeren Gedächtniskraft damaliger, weitgehend auf mündliche Überlieferung angewiesener Menschen nicht zu erklären.
6. Die Entstehungszeit der Logienquelle
6.1 Die Spätdatierung
Um 70?
Über die Datierung besteht keine Einigkeit. Während u. a. Hoffmann mit Hinweis auf den Spruch über Jerusalem in Q 13,34 f. die Nähe dieses Wortes und damit von Q zum Jüdischen Krieg gefordert und deswegen eine Entstehung der Logiensammlung um 70 vertreten hat und Myllykoski sogar eine Entstehung nach dem Jüdischen Krieg vertritt, wird von anderen Autoren der Bezug dieses Wortes auf den Jüdischen Krieg nicht für zwingend gehalten und daher eine frühere Abfassung vertreten. Dies geschieht häufig unter Verweis auf die im Vergleich mit dem Markusevangelium schlichtere Theologie und auf die weniger ambitionierte Form. Man setzt die Entstehung der Logienquelle dann häufig um 60 an.
6.2 Die Frühdatierung
40er Jahre?
Die Datierung besonders weit zurückverlegt hat Theißen, weil er in der Versuchungsgeschichte in Q eine Reaktion auf die glücklicherweise abgewendete, blasphemische Forderung Caligulas, sein Standbild auch im jüdischen Tempel aufzustellen, sieht. Er hält die Logienquelle deswegen für noch in den 40er oder zu Beginn der 50er Jahre verfasst. Jedoch ist die Nähe der Versuchung Jesu auf dem Berge zu der Forderung Caligulas keineswegs zwingend. Myllykoski hat gewichtige Einwände dagegen vorgetragen.
Verfolgungen und Heidenmission als Kriterien zur zeitlichen Einordnung
Des weiteren hat man für eine solche frühe Entstehung von Q auf innerjüdische Verfolgungen verwiesen, die sich in einigen Q-Worten widerspiegeln (Q 6,22 f.; 11,49–51; 12,4.11 f.). Aber aus der Tatsache, dass im Neuen Testament Verfolgungen in Palästina für das Jahr 44 (vgl. Apg 12,2) und für die Zeit der Abfassung des ersten Thessalonicherbriefes (1 Thess 2,14–16) belegt sind, wird man kaum einigermaßen zwingende Gründe für die Abfassung von Q auch in dieser Zeit ableiten können. Man sollte nicht schon in sich problematische Dinge – die Frage, worauf Paulus sich in 1 Thess 2,14 mit den Verfolgungen christusglaubender Juden in Palästina konkret bezieht, ist durchaus schwierig; die Verfolgungslogien aus Q werden oft gerade herangezogen, um 1 Thess 2,14 zu konkretisieren, weil wir außer diesen und dem Zeugnis von Apg 12,12 keinen Beleg für Verfolgungen jüdischer Jesusanhänger in Palästina in den 40er Jahren haben – zur Stütze von Argumentationen machen, die zu einigermaßen sicheren Auskünften führen sollen. Das Gleiche gilt für die positiv von Heiden sprechenden Stellen Q 7,1–10; 10,13–15; 11,29–31; 14,16–24 – dass diese in der Auseinandersetzung um die Frage der Heidenmission ihren ► Sitz im Leben haben, dürfte zweifelsfrei sein. Aber Auseinandersetzungen um die Heidenmission gab es auf der einen Seite schon zur Zeit des Apostelkonvents, auf der anderen Seite spiegelt sogar noch die Redaktion des Matthäusevangeliums ähnliche Konflikte, insofern können diese Worte früh, aber auch spät entstanden sein. Für die Abfassungszeit der Sammlung von Q besagen sie nichts.
6.3 Die Q-Gruppe und der Gegensatz zu Israel als Kriterium für die Entstehungszeit
Gespanntes Verhältnis zu Israel als Kriterium
M. E. kann man für die Festlegung der Abfassungszeit von Q am ehesten auf das gespannte Verhältnis zwischen der die Q-Sprüche tragenden Gemeinde / Gruppe und anderen Juden abheben. Allerdings ergibt sich auch daraus nicht ein besonders scharfes Kriterium zur Bestimmung der zeitlichen Abfassung von Q. Dieser scharfe Gegensatz dürfte aber zur Zeit des Apostelkonvents noch nicht vorhanden gewesen sein, zu der die Gemeinde sich trotz der vorangegangenen Verfolgungen (vgl. Apg 6,8–8,3; 12,1 f.) noch in Ruhe in Jerusalem hat versammeln können. Insofern weist das stark gespannte Verhältnis zwischen Q-Gemeinde und Israel frühestens in die 50er Jahre.
Dass die Verschärfung der Probleme zwischen Judentum und Jesusanhängern im Vorfeld des sich länger anbahnenden Jüdischen Krieges und der parallel einhergehenden Radikalisierung vieler jüdischer Kreise zugenommen hat und von daher eher die 60er als die 50er Jahre für die Bildung von Q in Betracht kommen, kann zumindest erwogen werden.
Sollte freilich die Entwicklung zwischen Judentum und Jesusbewegung schon damals in anderen Gegenden Palästinas anders verlaufen sein als in Jerusalem, so würde auch diese Überlegung hinfällig.
7. Der Entstehungsort der Logienquelle
Griechisch als allgemeine Kommunikationssprache
Q ist stark israelorientiert. Einige Logien nennen ausdrücklich galiläische und syrische Städte (Q 10,13–15), die Gerichtspredigt des Täufers richtet sich an Israel (Q 3,7–9), die Trägergruppe ist gesetzestreu (Q 11,42 – allerdings spielt 11,42c in der Redaktionsgeschichte von Q eine wichtige Rolle und wird z. T. ebenso wie Q 16,17 als späte ► Glosse angesehen und die Toraobservanz dann auch erst in eine späte Zeit der Logien-Sammlung als Reaktion auf die offensichtliche Missachtung der Tora in den vorangehenden Schichten verlegt, vgl. Kloppenburg, Nomos; sowie ders., Sayings). Die Pharisäer gelten als Gegner der Jesusanhänger (Q 11,42). Deswegen muss Q in einer Gemeinde entstanden sein, die in Auseinandersetzung mit anderen Juden steht. Aufgrund der Abfassung in griechischer Sprache kommt Judäa selbst trotz der dort teilweise gegebenen Zweisprachigkeit für die Abfassung nicht