in keiner Weise notwendig.
Beispiel für Kenntnis von Q durch Mk?
Gewisse Beliebigkeit der Argumente
Da die Annahme einer Kenntnis der Logienquelle auf Seiten des Evangelisten Markus die Auslassung des größten Teiles von Q durch den zweiten Evangelisten nicht zu erklären vermag und die nicht zu leugnenden Gemeinsamkeiten zwischen dem Markusevangelium und der Logienquelle sich auch durch die gemeinsame Traditionsgeschichte der in Frage kommenden Stoffe erklären lassen, ist die Annahme, dass die Logienquelle zu den Vorlagen des Evangelisten Markus gehört hat, unnötig.
11. Theologische Grundlinien der Logienquelle
Fehlen von Jesu Tod und Auferweckung
Die theologische Besonderheit der Logienquelle wird sofort deutlich, wenn man die Themen und ihren Stellenwert beachtet, die in Q eine Rolle spielen, zugleich aber auch die Themen, die in den Evangelien und bei Paulus wichtig sind, bei Q aber gerade fehlen, in den Blick nimmt. Der auffälligste Unterschied besteht, wie bereits mehrfach erwähnt, darin, dass Jesu Tod und Auferweckung und vor allem der heilsmittlerische Charakter des Todes Jesu in der Logienquelle nicht genannt werden, was kleinere Anspielungen, wie sie in Q 6,22 f.(?)27–29(?); 11,47–51; 12,4(?); 13,34 f.(?); 14,27 vorliegen, nicht ausschließt. Wie einzigartig dieses Fehlen ist, mag die Tatsache verdeutlichen, dass auch heute noch eine Reihe von Exegeten annimmt, dass die Logienquelle das Passionskerygma zwar nicht nenne, es aber doch voraussetze und bejahe. Zwar kann diese Behauptung nicht einfach widerlegt werden, aber sie basiert vermutlich doch sehr stark auf einem ex-post-Standpunkt. Infolge der Dominanz der paulinischen Form des ► Kerygmas können sich viele Exegeten offensichtlich nicht vorstellen, dass es zumindest eine Zeitlang auch Jesusanhänger gegeben hat, die sich diese Form des Kerygmas – sagen wir es vorsichtig – nicht zu eigen gemacht haben. Aus Q kann m. E. nicht geschlossen werden, dass diese Sammlung nur zur Ergänzung eines schon vorhandenen Kerygmas gebildet wurde.
Ergänzender Charakter von Q?
Wer einen solchen, bloß ergänzenden Charakter von Q annehmen will, muss jedenfalls Gründe dafür benennen, warum die Tradenten von Q eine Logiensammlung niederschrieben, ohne das maßgebende Kerygma, dessen Ergänzung Q sein soll, mitzuüberliefern. Offensichtlich sahen sich die Tradenten von Q dazu berechtigt, Jesu Worte trotz seines Todes und unabhängig von seiner Auferstehung auch über den Tod hinaus als wirksam und bedeutungsvoll weiter zu predigen. Es ist daher vielleicht doch nicht so, wie viele christliche Theologen bislang gemeint haben, dass eine Weitertradierung der Verkündigung Jesu ohne die Erfahrung der Auferstehung im damaligen Judentum absolut unmöglich gewesen wäre. Dafür, dass das Hindernis für eine Weitertradierung der Jesusbotschaft nicht so groß war, wie wir Heutigen meinen, spricht im übrigen nicht nur die Logienquelle, sondern auch die Tatsache, dass mit der Hinrichtung des Täufers durch Herodes Antipas dessen Botschaft offensichtlich auch nicht einfach obsolet war, sondern von dessen Jüngern ebenfalls weitertradiert wurde. Allerdings fällt es zugegebenermaßen schwer, sich eine Gruppe von Jesusanhängern vorzustellen, die im Jahre 60 oder später noch nicht von seiner Auferstehung gehört hat. Man wird deswegen erwägen müssen, ob die Q-Gruppe sich vielleicht einem Teil der Jesusbewegung verdankt, der keine (oder nur wenige) Auferstehungserfahrungen gemacht hat (z. B. auch, weil ihnen der Irdische auch nach seinem Tod genug war) und dem deswegen die (an sich bekannten) Erscheinungen des Auferstandenen nicht so wichtig waren. Jedenfalls waren ihnen die Worte Jesu wesentlich wichtiger! In der Nichterwähnung des Heilstodes und der Auferstehung Jesu käme dann nicht deren Unkenntnis in der Gemeinde von Q, sehr wohl aber deren theologische Bewertung zum Ausdruck. Die Tatsache, dass die spätere Theologie die Akzente anders gesetzt hat und uns diese Akzentsetzung wichtig geworden ist, ist noch kein Argument dagegen, dass andere Zeiten und andere Gruppen, zumal wenn Teile von ihnen sehr eng mit dem irdischen Jesus verbunden waren, dies anders gesehen haben. Die gültige Tradition darf uns dafür nicht den Blick verstellen. Diese Überlegungen wären m. E. auch dann gültig, wenn z. B. hinter Q 6,46 noch die Kenntnis einer erhöhten Existenz Jesu hervorscheint, weil diese Kenntnis sich auch dann nur sehr vorsichtig und ganz unbetont in Q niedergeschlagen hat. Dass die Tradenten der Logienquelle den Tod Jesu nicht als einen alles verändernden Einschnitt gesehen haben, der die Jesusbotschaft in eine völlig veränderte Perspektive rückt, zeigt auch die Tatsache, dass sie, ohne auf Jesu Tod und Auferstehung zu reflektieren, die Ansage der Heilszeit in der Gegenwart auch nach seinem Tod weiterverkündet und vielleicht auch die Wundervollmacht aus der Zeit der Gegenwart Jesu in die Zeit nach Ostern hinübergerettet haben (Q 7,22; 10,9). Die Wende vom verkündigenden zum verkündigten Christus findet hier also, wenn überhaupt, nur sehr begrenzt statt. Der irdische Jesus ist die leitende Größe für Q! Auch für diese Fortsetzung der vorösterlichen Verkündigung ist wiederum der Jüngerkreis des Täufers die beste Analogie. Die Johannesjünger hielten ebenfalls trotz der Hinrichtung des Johannes an seiner Predigt und an seiner Taufe fest (vgl. Apg 19,1–7).
Keine oder nur wenige Auferstehungs-Erfahrungen in der Q-Gruppe
Verschiedene Theologien in der Urgemeinde
Heil und Ethik
Aber Q redet natürlich auch vom Heil. Aber nicht vom Heil allein durch den Glauben an das Heilsereignis in Jesus Christus wie bei Paulus, sondern das Heil wird mit den von Jesus erhobenen ethischen Forderungen zusammengebracht – hier haben wir durchaus eine Nähe zum späteren Matthäusevangelium, wo das, wie wir sehen werden, ganz ähnlich ist. Matthäus bringt diesen Gedanken auch mit Hilfe von Texten der Logienquelle zum Ausdruck. In der Logienquelle werden die Heilstexte freilich von den Gerichtstexten zahlenmäßig erheblich übertroffen, was sicher nicht nur eine Reaktion auf die Ablehnung Jesu, sondern auch auf die Ablehnung der nachösterlichen Q-Boten darstellt. Diese Ablehnung erklärt die Logienquelle mit der Halsstarrigkeit Israels, wie sie bereits im alttestamentlichen, deuteronomistischen Schema vom prophetenmordenden Israel zum Ausdruck kommt, das in Q ebenfalls auf Israel angewendet wird. Wie dieses Schema, so wollte auch die Gerichtspredigt von Q ursprünglich einmal Israel zur Umkehr führen. Ob Q auf der Ebene der letzten Redaktion noch diese Absicht hat, ist allerdings mehr als fraglich. Israel scheint von der Q-Gemeinde in seiner Gesamtheit aufgrund seiner Ablehnung der Q-Boten und ihrer Botschaft abgeschrieben zu sein und steht nicht mehr im Horizont des missionarischen Denkens von Q. Die Q tradierende Gemeinde hat bereits auch Heiden aufgenommen und stellt diese dem ihre Botschaft ablehnenden Israel als Vorbild gegenüber (Q 7,1–10; 10,13–15). Allerdings ist das Gericht nicht nur auf Israel gerichtet, sondern auch die eigene Gruppe steht unter dem Gericht, wenn sie nicht auf die Weisungen des von der Weisheit gesandten Lehrers Jesus hört und diese nicht befolgt (Q 6,46–49) oder wenn sie ihm in den Verfolgungen nicht die Treue bewahrt (Q 12,8 f.). Auch dieser Gedanke wird später vom Evangelisten Matthäus aufgenommen und noch verstärkt (Mt 7,21–27 unter Aufnahme von Q-Material; 25,31–46). – Q hebt aber nicht nur auf das Gericht zur Begründung für die Befolgung der Weisungen Jesu ab, sondern gibt typisch weisheitlich auch Begründungen aus der Schöpfung sowie aus der Menschenwelt, die sich durch solche Eindrücklichkeit auszeichnen, dass sie über das Matthäusevangelium sogar in das Bildgut der europäischen Kultur eingegangen sind. Man denke an die Lilien des Feldes und die Vögel des Himmels (Q 6,26.28–30.35; 11,11 f.; 12,6 f.).
Ablehnung der Q-Boten
Bekehrung Israels?
Heiden als Vorbild
Schöpfungsethik
Unterschiedliche Antworten
Dem Wachstumsprozess entsprechend gibt Q für manche Problemkreise unterschiedliche Antworten. So finden sich neben positiven Worten über den Täufer (Q 7,24–28a) auch solche, die Johannes geringer schätzen, worin wir bereits einen Niederschlag der nachösterlichen Rivalität zwischen den Anhängern Jesu und denen des Johannes gesehen haben, wie sie sich im Johannesevangelium (Joh 1,6–8.20–27; 3,30) und überhaupt in der christlichen Vereinnahmung des Täufers als Vorläufer Jesu, als der sich der historische Johannes sicher nicht verstanden hat, zeigt. Auch bei den sog. christologischen Hoheitstiteln, v. a. beim Menschensohn-Titel, ist eine solche Entwicklung zwischen den einzelnen Schichten von Q noch erkennbar.
Literatur
1. Synopsen zurLogienquelle Q
The Critical