werden kann. Denn abgesehen von gewissen Parallelen zwischen der Logienquelle und Kynikerworten, die z. B. einfach mit dem von beiden Gruppen vertretenen Armutsideal zusammenhängen können, wird man bei den Vertretern der Kynikerhypothese doch eine einseitige Interpretation der Q-Worte zugunsten der kynischen Aussagen festhalten müssen. Näherliegende Parallelen in der alttestamentlichen und jüdischen Literatur werden vernachlässigt, Differenzen heruntergespielt und der apokalyptische Zusammenhang vieler Worte außer acht gelassen. Das Verständnis der Gottesherrschaft wird sich bei den Trägern der Logienquelle im Gegensatz zum Verständnis einiger Vertreter der Kynikerhypothese keineswegs in dem modernen Verständnis von Glücklich- und Gesundsein erschöpft haben.
Ähnlichkeiten zum Kynismus
Einseitige Interpretation
10. Die Logienquelle und das Markusevangelium
Ein besonderes Problem stellen einige Stücke in den synoptischen Evangelien dar, die aufgrund ihres übereinstimmenden Wortlautes im Matthäus- und Lukasevangelium definitionsgemäß Q zuzurechnen sind, bei denen es aber gleichzeitig Übereinstimmungen mit dem Markusevangelium gibt, so dass die Frage entsteht: Kannte Markus ebenfalls Q oder kannte gar der letzte Redaktor von Q das Markusevangelium? Eine solche Beziehung zwischen der Logienquelle und dem Markusevangelium wäre freilich für die Frage nach der Abhängigkeit der Evangelien, also für die synoptische Frage, fatal, weil diese dann noch einmal aufgerollt und neu gestellt werden müsste. Diese Konsequenz darf allerdings den Blick auf das Phänomen nicht beeinflussen, es geht um dessen unvoreingenommene Würdigung. Dieses Problem wurde früher häufig mit nur wenigen Sätzen abgetan, wird aber in der heutigen Forschung zur Logienquelle wesentlich breiter beachtet.
Kannte Mk Q?
Wenn eine Beziehung zwischen Q und dem Markusevangelium angenommen wird, so wird heute in der Regel eine Kenntnis der Logienquelle durch den Evangelisten Markus vertreten und nicht eine Abhängigkeit der Logienquelle vom Markusevangelium.
Spuren der Redaktion von Q im Mk
Zwar ist in der Literatur der letzten Jahre der erfolgreiche Abschluss dieser Diskussion vermeldet und die Frage als in dem Sinne geklärt bezeichnet worden (Jacobson in einer Rezension von Schüling), dass eine Abhängigkeit von Q für das Markusevangelium nicht in Frage kommt, aber diese Äußerung war offensichtlich etwas voreilig. Denn ebenfalls in den letzten Jahren ist eine ganze Reihe von Arbeiten erschienen, die gleichwohl eine Kenntnis der Logienquelle durch den Markusevangelisten erweisen zu können meinen. Dabei ist v. a. auf die jüngst erschienene Arbeit von H. Fleddermann zu verweisen, der – freilich nicht als erster – den umfassenden Nachweis einer Kenntnis von Q durch Markus zu führen versucht, indem er auf Spuren der Redaktion der Logienquelle im Markusevangelium verweist. Auf diese Weise wird der naheliegenden Vermutung der Weg versperrt, dass die Übereinstimmungen zwischen Q und dem Markusevangelium auf gemeinsamer Tradition basieren, die sowohl in Q als auch in das Markusevangelium Eingang gefunden hat. Wie wir noch sehen werden, wird auch das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Synoptikern ebenfalls durch solchen Rückgriff auf redaktionelle Verse der Synoptiker zu klären versucht. Die Übereinstimmungen zwischen Q und dem Markusevangelium beruhen nach dieser Untersuchung (und anderen Arbeiten) darauf, dass Markus die Logienquelle kannte und nicht etwa auf der Kenntnis einer Q und dem Markusevangelium vorausliegenden Vorlage. Andere nehmen die Kenntnis einer früheren und einfacheren Stufe der Logienquelle für Markus an.
Es geht hier u. a. um folgende Texte:
Mk 1,2 f. / Mt 11,10; 3,3/Lk 7,27; 3,4 | Zwei alttestamentliche Zitate über den Wegbereiter des Herrn |
Mk 1,12 f. / Mt 4,1–11 /Lk 4,1–13 | Die Versuchung Jesu |
Mk 3,22–30/Mt 12,24–26/Lk 11,14–23 | Die Beelzebul-Perikope |
Mk 3,28 f. / Mt 12,31 f. / Lk 12,10 | Die Sünde wider den Heiligen Geist |
Mk 4,30–32/Lk 13,18 f. | Das Senfkorn-Gleichnis |
Mk 6,7–13/Mt 9,37–10,16/Lk 9,1–6/Lk 10,1–16 | Die Jüngeraussendung |
Mk 8,11 f. / Mt 12,38 f. Lk 12,54–56/Mt 16,1–4 | Die Zeichenforderung |
Mk 8,35/Mt 16,25/Lk 9,24Mt 10,39/Lk 17,33 | Das Wort vom Verlieren des Lebens |
Mk 8,38/Lk 9,26 Mt 10,32 f. / Lk 12,8 f. | Bekennen und Verleugnen |
Mk 9,37/Mt 18,5/Lk 9,48 Mt 10,40/Lk 10,16 | Das Aufnehmen |
Mk 10,11 f. / Mt 19,9/Mt 5,32/Lk 16,18 | Das Ehescheidungswort |
Mk 13/Mt 24/10,22–37/Lk 12 und 17Evtl. auch Mk 12,28–34/Mt 22,34–40/Lk 10,25–28 | Teile der synoptischen Apokalypse |
Auf den ersten Blick könnte man immerhin erwägen, ob sich diese Fälle nicht eher mit der Abhängigkeit der ► Seitenreferenten von Markus als mit einer doppelten Tradition erklären lassen. Aber die Übereinstimmungen zwischen Matthäus und Lukas gegen Markus zeigen, dass die Seitenreferenten hier auf eine Q-Vorlage zurückgegriffen haben. Wir verdeutlichen uns das an einem allgemein als ► Doppelüberlieferung anerkannten Text, nämlich Mk 1,7 f. par., unbeschadet der bereits erwähnten Tatsache, dass Geltung beanspruchende Lösungen sich an allen in Frage kommenden Fällen bewähren müssen.
In Mk 1,7 f. weisen zunächst folgende Momente den parallelen Matthäus-und Lukastext als zur Logienquelle gehörig aus:
(a) die über den Markuskontext hinausschießende Rede von der Feuertaufe bei Matthäus (3,11) und Lukas (3,16) – bei Annahme einer Abhängigkeit vom Markusevangelium müsste man an eine bei beiden Evangelisten unabhängig voneinander entstandene Einfügung an der gleichen Stelle denken, was kaum plausibel zu machen ist,
(b) bei Lukas und Matthäus ist das Wort von dem kommenden Stärkeren direkt mit der Taufankündigung verbunden (Q 3,16), was bei Markus so nicht der Fall ist. Markus fügt zwischen dem Hinweis auf den Kommenden und dessen Taufe noch eine Bemerkung über die Taufe des Johannes ein, die bei Matthäus und Lukas am Beginn des Absatzes steht,
(c) die Verbindung mit dem Gerichtswort von Spreu und Weizen, das sich bei Markus nicht findet.
Aufgrund dieser Gemeinsamkeiten im Matthäus- und Lukasevangelium in Abweichung vom Markusevangelium ergibt sich, dass Matthäus und Lukas hier auf eine gemeinsame Vorlage zurückgreifen, also von der Logienquelle abhängig sind. Da Markus von Q erheblich abweicht, müsste ihm, wenn auch er Q folgen sollte, eine ziemlich unterschiedliche Fassung der Taufperikope in Q vorgelegen haben – mit welchen Argumenten lässt sich die Annahme einer Abhängigkeit des Markus von Q an dieser Stelle stützen? Es sind im Grunde nur zwei Gründe:
(a) Es war die Q-Redaktion, die den Heiligen Geist in das ursprünglich nur von einer Feuer- = Gerichtstaufe sprechende Wort Q 3,16 eingefügt hat. Da Markus nur von einer Geisttaufe spricht, soll er von der Q-Redaktion abhängig sein.
(b) Die Markusfassung lässt sich ohne Schwierigkeiten als redaktionelle Umformung der (rekonstruierten) Q-Fassung verstehen.
Selbst wenn man davon absieht, dass die Traditionsgeschichte von Q 3,16 auch ganz anders gesehen werden kann und z. B. auch die Einfügung des Feuermotivs auf der Ebene von Q in der Literatur vertreten wird, so sind diese Argumente kaum überzeugend, weil in gewisser Weise beliebig. Die Einfügung des Geistmotivs in das Taufwort Q 3,16 durch die Redaktion der Logienquelle lässt sich in keiner Hinsicht ausreichend begründen und die Beschreibung der Markusversion als redigierte Q-Fassung grenzt an eine petitio principii, wenn ausgeführt wird: Markus räume dem Täufer und seiner Predigt keinen selbständigen Platz mehr ein, verstehe ihn vielmehr vollkommen als Vorläufer Jesu, und deswegen wolle er nicht, dass die ersten Worte des Täufers von seiner Taufe handeln, sondern vom Kommen Jesu. So richtig die erste Beobachtung ist, so wenig zwingend ist die daraus gezogene Konsequenz! Wäre es, wenn man diese Intention dem Markus unterstellt, nicht besser gewesen, er hätte die Taufe des Johannes ganz unterschlagen? Wenn auch die Markusfassung des Taufwortes aufgrund der Gegenüberstellung von Taufe des Täufers und Taufe des Stärkeren mit Heiligem Geist nach allgemeiner Einschätzung jünger ist als die von Matthäus und Lukas gebotene Q-Fassung, die die kommende Taufe durch den Hinweis auf das