in Judäa trotz einer gewissen Zweisprachigkeit sicher nicht gilt. Allerdings weist der deutlich noch erkennbare aramäische Ursprung einiger Q-Logien auf ihre Entstehung in Palästina und damit zugleich auf ihr hohes Alter hin. In der Regel wird Q nach Galiläa oder Syrien verlegt.
8. Die Gattung der Logienquelle
Halbevangelium
Die bereits erwähnte formkritische Charakterisierung der Q zugrundeliegenden Teilsammlungen hat auch die Gattungsbestimmung der ganzen Sammlung beeinflusst. Sie ist sowohl als Weisheitssammlung als auch als Prophetenbuch bestimmt worden. Das Vorhandensein unterschiedlicher Teilgattungen in Q hat einige Autoren aber dazu gebracht, in Q eine Größe ganz eigener Art zu sehen, die ohne Analogie in der umgebenden Literatur ist, wie wir das ja auch schon bei der Gattung Evangelium gesehen haben (vgl. oben § 2 Nr. 2.2–2.4). Bei der Logienquelle wird das m. E. dem Charakter dieser Sammlung eher gerecht als die Bezeichnung als Halbevangelium, als zweites Hauptelement der Gattung Evangelium oder ähnliche Bezeichnungen. Der Schöpfer der Gattung Evangelium, der das Schicksal Jesu in einen Spannungsbogen von seiner Taufe bis zur Auferstehung einspannte, schuf etwas Neues. Die Logienquelle, die anderes Material enthielt, das nach Ausweis der Werke der ► Seitenreferenten zur Ergänzung des markinischen Werkes geeignet war, war nicht einfach auf dem Wege dahin. Deswegen kann dieses Werk nicht als Halbevangelium o. ä. bezeichnet werden, ohne dass dem ältesten Evangelisten und seinem Werk Unrecht geschieht, so sehr durch die Anfügung (weniger) narrativer Elemente in Q bereits ein gewisser, aber wirklich nur ein gewisser, biographischer Zusammenhang entstand. Es stellt eine Übertreibung dar, hierin bereits einen entscheidenden Schritt in Richtung Evangelienbildung zu sehen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Entwicklung automatisch in Richtung Evangelium gelaufen wäre. – Etwas anderes ist es, wenn man von Q als Evangelium / gospel spricht, da dabei der Begriff „Evangelium“ nicht als Gattungs-, sondern als Inhaltskriterium verstanden ist, und in diesem Sinne kann die Logienquelle natürlich als Evangelium bezeichnet werden. Denn für die Träger der Logienquelle war Q die Gestalt ihrer Heilspredigt von Jesus Christus, der auch als Person und nicht nur als Übermittler einer Botschaft für die Q-Tradenten von Bedeutung war.
Gospel
Die nächsten Parallelen zu Q als Sammlung von Einzelsprüchen liegen im jüdischen Traktat ► Abot und aus christlicher Tradition im ► Thomasevangelium und evtl. auch im ► Philippusevangelium vor. Zu einer exakten Beschreibung von Q als Gattung führen diese Analogien freilich nicht.
9. Die Trägerkreise der Logienquelle
Wanderradikale und Sesshafte
Einzellogien von Q setzen wandernde Prediger voraus (Q 9,57–60; 10,2–12; 12,22–31.33–34), andere Logien hinwiederum passen eindeutig nicht zu solchen Wanderpredigern und müssen deswegen aus einer sesshaften Gemeinde stammen (Q 6,30; 16,13). Die Wanderprediger sind heimat- (Q 9,58) und besitzlos (Q 6,20 f.; 12,22–31.33 f.), mit Familie haben sie nichts im Sinn (vgl. Q 9,57 f; 14,26), was für die sesshafte Gemeinde alles nicht gilt. Nur den, der etwas hat, kann man sinnvollerweise zum Geben auffordern (Q 6,30)! Hinter der Logienquelle stehen also unterschiedliche Trägerkreise, zum einen Leute, die geben können, zum anderen Leute, die auf diese Gaben angewiesen sind und gleichzeitig die Besitzenden zum Geben auffordern. Ob die Armut der Letzteren freiwillig ist und zu ihrer Berufung gehört, oder ob die Armut unfreiwillig ist, wird diskutiert. Q 10,4 spricht aber doch wohl für freiwillige Besitzlosigkeit und damit für ein Ethos der Armut.
Veränderung durch Redaktion
In welchem Verhältnis die Gruppen der sesshaften und der nicht-sesshaften Tradentenkreise von Q zueinander stehen, ist schwierig zu beurteilen, es kommt sowohl ein Nacheinander als auch ein Nebeneinander in Frage, d. h. das Q-Material kann zunächst von wandercharismatischen Gruppen tradiert (und zum Teil auch gebildet) worden sein, die dann später sesshaft geworden sind, was ihr Ethos naturgemäß beeinflusst und zur Bildung von Worten geführt hat, die die neue Situation widerspiegeln. Die wandernden Missionare können aber u. U. auch von einer sesshaften Gemeinde ausgesandt worden sein und dabei parallel zur Existenz der sesshaften Gemeinde ihr Ethos entwickelt haben. Jedenfalls bestimmen die das Ethos der wandernden Prediger widerspiegelnden Worte nicht mehr die Gesamtperspektive von Q, so dass ihr Einfluss auf die Endredaktion allenfalls begrenzt gewesen zu sein scheint. Dies würde natürlich erst recht gelten, wenn diejenigen Forscher recht hätten, die diese radikalen Worte auch schon auf der Ebene von Q nur noch bildhaft verstanden wissen wollen.
Parallelen aus dem frühen 2. Jahrhundert
Die sog. Wandercharismatiker, also die nicht-sesshaften Tradenten von in die Logienquelle aufgenommenen Worten, haben in den letzten Jahrzehnten besonderes Interesse gefunden. Dass es diese in der Urkirche gegeben hat, sagt die Logienquelle nicht ausdrücklich, aber schon die paulinische Art der Verkündigung des Evangeliums bezeugt solche Existenz, wenn auch die Wandertätigkeit der Q-Boten in Galiläa und Syrien nur partiell mit den weiten Reisen des Apostels verglichen werden kann. In der ► Didache, einer Schrift aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, werden solche wandernden Lehrer ausdrücklich genannt, und auch in den Johannesbriefen spiegelt sich dieselbe Erscheinung (2 Joh 10; 3 Joh 5–8.10). Zeigen diese Belege die Bedeutung des Phänomens bis ins zweite Jahrhundert, so wird diese noch dadurch unterstrichen, dass der zweite Johannesbrief und die Didache Beurteilungskriterien nennen, die der Gemeinde helfen sollen, zwischen echten Predigern, die zu ihr kommen, und solchen, die nur um des eigenen Vorteils willen predigend umherziehen, zu unterscheiden. Offensichtlich waren angesichts der Vielzahl solcher Wanderprediger solche Kriterien notwendig. In der ► Didache heißt es:
„Wer nun kommt und euch dies alles bisher Gesagte lehrt, den nehmt auf. Wenn aber der Lehrende selbst sich abwendet und eine andere Lehre lehrt, um (die rechte Lehre) aufzulösen, so hört nicht auf ihn; (lehrt er) hingegen, um zu vermehren Gerechtigkeit und Erkenntnis des Herrn, so nehmt ihn auf wie den Herrn.
Aber hinsichtlich der Apostel und Propheten verfahrt nach der Weisung des Evangeliums so: Jeder Apostel, der zu euch kommt, soll aufgenommen werden wie der Herr. Er soll aber nur einen Tag lang bleiben; wenn aber eine Notwendigkeit besteht, auch den zweiten. Wenn er aber drei bleibt, ist er ein Pseudoprophet. Wenn aber der Apostel weggeht, soll er nichts mitnehmen außer Brot, bis er übernachtet; wenn er aber um Geld bittet, ist er ein Pseudoprophet…. Jeder aber, der kommt im Namen des Herrn, soll aufgenommen werden; dann aber werdet ihr ihn durch kritische Beurteilung erkennen; denn ihr habt Einsicht nach rechts und nach links. Wenn der Ankömmling ein Durchreisender ist, helft ihm so viel ihr könnt; er soll aber bei euch nur zwei oder drei Tage bleiben, wenn es nötig ist. Wenn er sich aber bei euch niederlassen will, und er ist ein Handwerker, soll er arbeiten und soll er essen. Wenn er aber kein Handwerk versteht, dann trefft nach eurer Einsicht Vorsorge, damit er als Christ ganz gewiss nicht müßig bei euch lebe“ (Didache 11,1–6; 12,1–4).
Temporär Wandernde?
Sollten diese Apostel mit den wandernden Missionaren der Logienquelle identisch sein, so macht es wohl wenig Sinn, die Spannung zwischen dem Ethos der wandernden und der sesshaften Anhänger der Jesusbewegung dadurch aufzulösen, dass man die Wandernden und die Sesshaften miteinander identifiziert, indem man die Wandernden nur temporär und vorübergehend Wandernde sein lässt. Denn wer die Situation des Wanderns aus der Perspektive der Sesshaftigkeit kennt, wird kaum selbst als temporär Wandernder die Situation ausnutzen wollen.
Nicht erst neuerdings hat man in den radikalen, u. a. den Besitzverzicht betonenden Worten der Logienquelle Parallelen zum griechischen ► Kynismus gefunden, bei dem der Name (von griechisch kyon = der Hund) Programm und Hinweis auf die bedürfnislose Lebensweise ist. Im einzelnen finden sich z. B. in der Aussendungsrede von Q eine ganze Reihe von Ähnlichkeiten, von denen hier nur einige genannt werden: Das Wort von den Schafen unter den Wölfen spiegelt die Konflikte, in die der tugendhafte Mensch gerät, womit auch die Kyniker Erfahrung haben. Zu der sog. Ausrüstungsregel in Q 10,4 gibt es enge Parallelen bei den Kynikern, wenn auch der den Q-Boten (zwar nicht hier, aber in Q 9,3) verbotene Stab und der nach Q 9,3 und 10,4 ebenfalls verbotene Beutel für den Kyniker gerade kennzeichnend sind. Auch zu Q 10,5 f. finden sich, allerdings mit Ausnahme des Friedenswunsches, Parallelen im Kynismus. Gleichwohl wird man ein direktes Verhältnis zwischen Logienquelle und