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Geist & Leben 4/2016


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durch ihr Beispiel, ihre Güte, ihre Kontaktfreudigkeit den Ungläubigen den christlichen Glauben anziehend machen“10 und „durch ihr Beispiel eine lebendige Predigt sein: Der Unterschied zwischen ihrem Leben und dem der Nichtchristen muss Aufsehen erregen, wie es der Wahrheit entspricht. Sie sollen ein lebendiges Evangelium sein: Die Menschen, die Jesus fern sind, vor allen Dingen die Ungläubigen, sollen ohne Bücher und ohne Worte durch den Anblick ihres Lebens das Evangelium kennenlernen.“11

      Foucauld ist davon durchdrungen: „Überzeugte Christen, die unter den Ungläubigen leben, wird brüderliche Gemeinschaft zu einer Art Laienmissionaren machen.“12 „Wir brauchen Priszillas und Aquilas [Mitarbeiter des Apostels Paulus; Anm. GG]; sie müssen eins sein untereinander; sie müssen einander kennen – geheimnisvolles Priestertum des Gläubigen, der sich zum Opfer darbringt und Jesus als Opfer darbringt.“13 Auf der gleichen Linie liegt auch folgender vorwärtsweisender Text: „Die Welt der Kirche und die Welt der Laien wissen so wenig voneinander, dass neben den Priestern Laien gebraucht werden, die sehen, was der Priester nicht sieht, die dorthin vordringen, wohin er nicht vordringen kann, die zu denen gehen, welche ihn fliehen, die durch einen wohltätigen Kontakt evangelisieren, durch eine auf alle überströmende, eine immer hingabebereite Liebe.“14

      Zur Gründung einer solchen missionierenden Laiengemeinschaft – damals eine unerhört neue Idee – reiste Bruder Karl verschiedentlich nach Frankreich. Allerdings umfasste die Gemeinschaft bei seinem Tod nur 49 Mitglieder, die zwar in seinem Anliegen beten und opfern wollten, sich jedoch zu einer Niederlassung in Afrika nicht berufen fühlten.

      Zwar wurde die „Entdeckung“ des Laien seitens Foucaulds durch das II. Vatikanische Konzil noch ein ganzes Stück weitergeführt. Doch dürften die diesbezüglichen konziliaren Aussagen, die zu einem Großteil von französischen Theologen (Yves Congar u.a.) inspiriert waren, nicht ohne Einfluss von Bruder Karl zustande gekommen sein.

      Neueinschätzung der Ehe

      Zugleich mit der Neueinschätzung des Laien wird auch die Ehe von Bruder Karl neu bewertet. Über weite Strecken der Kirchen- und Glaubensgeschichte hinweg galt sie als Lebensform im Vergleich zu der der Ehelosigkeit bzw. Jungfäulichkeit als geringwertiger und als dem Evangelium weniger entsprechend. Auch hier zeichnet sich bei Bruder Karl ein radikaler Umbruch ab und zwar in der Beziehung zu Louis Massignon (1882–1962).15 Dieser erste große Islamwissenschaftler der Neuzeit war bei seinen Marokko-Studien auf die frühen Forschungsarbeiten Foucaulds gestoßen. Davon fasziniert, übersandte er ihm seine Diplomarbeit und erhielt dafür von ihm ein kurzes Dankesschreiben, das mit der Gebetszusage Bruder Karls schloss. Nach dieser ersten schriftlichen Begegnung entfaltet sich ab 1909 zwischen beiden ein lebhafter Briefwechsel, in dem Foucauld so etwas wie die Rolle eines Geistlichen Begleiters übernimmt. Mehr noch: Foucauld versucht, Massignon mit allen Mitteln dafür zu gewinnen, nach Tamanrasset zu kommen und mit ihm das Leben zu teilen, ja gewissermaßen sein „Nachfolger“ zu werden.

      Aber Massignon kann sich nicht entscheiden und bleibt hin und her gerissen, bis er sich schließlich im Spätsommer 1913 in eine Ehe „stürzt“. Paul Claudel, der gleichfalls in Briefwechsel mit Massignon steht, bringt seine maßlose Enttäuschung zum Ausdruck. Um den Kontrast zwischen dessen Reaktion und der von Foucauld zu ermessen, hier seine Worte: „Warum sollte ich nicht mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass sie Ihrerseits diesen Weg der Mittelmäßigkeit [gemeint ist die beabsichtigte Ehe; Anm. GG] einschlagen, durch den wir alle waten. Ach, von Ihnen hätte ich anderes erwartet! (…) Wirklich und wahrhaftig, es bereitet mir Kummer, wie Sie den platten, mittelmäßigen Weg einschlagen, den ich selber gehe. Ich war so glücklich bei dem Gedanken, dass Sie über mich hinausschreiten, dass es Seelen gibt, die stärker sind als ich und Gottes weniger unwürdig.“16 In diesen Worten äußert sich nachdrücklich der damalige Mainstream der katholischen Eheeinschätzung („Weg der Mittelmäßigkeit“). Aber auf diesem Hintergrund erhält gerade auch die ganz andersartige Einstellung und Reaktion Charles de Foucaulds ihr volles Relief. Man bedenke: Dieser hatte seine ganze Hoffnung auf das Kommen Massignons gesetzt, nachdem schon so viele andere Versuche, Brüder für ein gemeinsames Leben zu finden, fehlgeschlagen waren. Verärgerung oder wenigstens Ausdruck von Enttäuschung wären mehr als verständlich gewesen. Aber Bruder Karl reagiert ganz anders. Im seinem ersten Brief nach Kenntnis der Entscheidung Massignons heißt es:

      „Auch ich rate Ihnen, die Möglichkeit der Heirat ernsthaft in Betracht zu ziehen. Das einzig Notwendige, das einzig Vollkommene besteht darin, den Willen Gottes zu tun, worin immer er besteht. Man muss nach dem Willen Gottes suchen und danach handeln. Gott will, dass viele Menschen in der Ehe leben. Er will, dass sie darin heilig werden, dass sie sich darin vereinen und mit ihm aufs Innigste eins werden (…) Der heiligste, der schönste, vollkommenste und glücklichste Stand für uns ist der, den Gott für uns will, worin immer er auch besteht.

      Wenn Gott will, dass Sie in der Ehe leben, finden Sie in diesem Stand den besten Weg für Ihre Heiligung, für die Verherrlichung Seines Namens, für das Mitwirken an der Ankunft Seines Reiches in Ihnen und in den anderen, für die Erfüllung Seines Willens auf Erden, so wie die Engel ihn im Himmel erfüllen.

      Wie groß und schön ist doch die Berufung des Ehegatten, der seine Gattin auf dem Lebensweg zur ewigen Seligkeit begleitet, der ihr beisteht bei der Geburt von Kindern mit unsterblichen Seelen, die selbst wieder Eltern unsterblicher Seelen sein werden, die sie durch ihre Erziehung zu Gott und zum Himmel hinführen …

      Ich meinerseits denke, dass Sie für die Ehe gemacht sind. Ich glaube, dass Sie auf diesem Weg die tiefste Einheit mit Gott und die größte innere Reinheit finden werden. Lassen Sie sich durchdringen von der Reinheit und Frömmigkeit derer, an die Sie sich binden werden. Mit einem Leben im Ausstrahlungsfeld einer so schönen, reinen und frommen Seele werden Sie den Menschen am meisten Gutes tun können. Die Ehre Gottes, unser aller Ziel, besteht in Ihrer Heiligung und im Wohl der Menschen. In liebender Verbundenheit im Herzen Jesu fr. Ch. de Foucauld.“17

      Die Art und Weise, wie Foucauld sich hier im religiösen Sprachstil seiner Zeit ausdrückt, ist nicht mehr die unsrige; es kommt hinzu, dass der „alte Soldat“ Foucauld über keine „elegante“ Sprache verfügte. Dennoch: Man wird lange suchen müssen (und dabei vielleicht nicht einmal fündig werden), um in der damaligen Zeit ähnlich positive, ja höchste Worte über die Ehe zu finden. Entgegen der bisherigen Tradition ist für Foucauld die Ehelosigkeit nicht mehr einfach das gegenüber der Ehe Höhere, sondern alles kommt auf den „Willen Gottes“ an, d.h. auf das Erkennen und Befolgen der je persönlichen Berufung. Das und nichts anderes ist „das Höchste“.

      Und weiter: Ihren hohen Wert erhält die Ehe nicht allein von der gemeinsamen Liebe und ihrer Fruchtbarkeit im Kind her, sondern von ihrer gemeinsamen Sendung für das Reich Gottes (vom „Mitwirken an der Ankunft Seines Reiches“) und vom gemeinsamen Gehen auf das letzte Ziel (von der „Berufung des Ehegatten, der seine Gattin auf dem Lebensweg zur ewigen Seligkeit begleitet“). Diese damals höchst ungewohnten Gedanken werden im weiteren Briefwechsel häufig wiederholt und vertieft. Kein Wunder, dass Massignon trotz seiner Ehe, oder gerade weil Foucauld seine Ehe in solch geistlicher Tiefe sieht, diesem zutiefst verbunden bleibt. „Die Berufung zur Ehe ist von wunderbarer Größe“, so lässt sich die Einstellung des ehelosen Foucauld zur Ehe zusammenfassen, eine Einschätzung, mit welcher er, wie in so in vielen anderen Punkten, seiner Zeit um Jahrzehnte voraus und Wegweiser für neue Perspektiven war.

      Ein Wegweiser hat dann seine Aufgabe erfüllt, wenn Menschen mit seiner Hilfe ihren Weg gefunden haben und weitergekommen sind. Eben diese Aufgabe dürfte Bruder Karl in hohem Maß erfüllt haben. Eins seiner bevorzugten Schriftworte ist Jes 56,10 entnommen. Hier heißt es:

      „Die Wächter des Volkes sind blind, / sie merken allesamt nichts. Es sind lauter stumme Hunde, / sie können nicht bellen. Träumend liegen sie da / und haben gern ihre Ruhe.“

      In Bezug darauf formuliert Bruder Karl häufig: Ich will kein stummer Hund sein. In der Tat: Er war es auch nicht, und sein „wachsames Bellen“ wurde in der Kirche gehört und beachtet.

      1 J.-F. Six (Hrsg.), Charles de Foucauld, Aufzeichnungen und Briefe. Freiburg i. Br. 1962, 70.

      2 C. de