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Geist & Leben 4/2016


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haben“. Das ist ein Mythos, eng verwandt mit jenem anderen Mythos, dass Religion selbst alle Ängste der Menschen aus dem Weg schafft.7

      Danach deutet Merton die Art der Mühen an, denen jemand, der ein kontemplatives Leben führt, begegnet: Glaube selbst impliziert ein bestimmtes Leid, und es ist ein Weg, innerem Leiden zu begegnen, keine magische Formel, um alle Probleme verschwinden zu lassen. Der Mönch bewältigt sein Leben nicht durch außergewöhnliche spirituelle Abenteuer oder dramatische und heldenhafte Großtaten. Das Kloster lehrt den Menschen, selbst Maßnahmen zu ergreifen und die eigene Gewöhnlichkeit zu akzeptieren; mit einem Wort, es lehrt ihn jene Wahrheit über sich selbst, die man „Demut“ nennt.8

      Eine weitere falsch verstandene Auffassung über das kontemplative Leben ist, dass es selbstzentriert und individualistisch ist. An anderer Stelle lehnt Merton diese Idee ab und merkt an, dass das Gebet seine Ausübenden einer Selbstsuche und der „Täuschung und Demütigung des falschen Selbst, das danach strebt, für sich alleine zu leben und Gefallen an dem ‚Trost des Gebets‘ um seiner selbst willen findet“, aussetzt.9 Diejenigen, die zu so einem Leben berufen sind, antworten auf einen Ruf, nach innen zu reisen, dem Selbst angesichts der Forderungen des innigen Dialogs mit Gott zu begegnen. Sie antworten auf einen inneren Imperativ, der sie aufruft, ein kontemplatives Leben zu gestalten.

      Mary Frohlich merkt an, dass die Authentizität dieses Imperativs durch sein Resultat sichtbar wird, durch das Ausmaß, in dem es schlussendlich in ein Leben, das Gottes Liebe ausdrückt, ausströmt.10 Während Zuschauer(innen) darauf warten, das Ergebnis zu bewerten, müssen sie geduldig sein und sich immer wieder daran erinnern, dass das kontemplative Leben ein herausforderndes ist, in dem Menschen des Gebets inneren Belastungen ausgesetzt sind, die jene, die mit profaneren Anliegen beschäftigt sind, nicht kennen. Egal, ob das kontemplative Leben in einem Kloster oder in gewöhnlichen Umständen außerhalb der Klostermauern gelebt wird, ist es keine faule Ausrede. Es ist ein Ruf. Es kann „einen Sinn für göttliche Unmittelbarkeit geben, einen Ruf, diese Unmittelbarkeit auszuleben und einen Sinn für alle Dinge und Geschehnisse als ein Durchscheinen der göttlichen Gegenwart“.11 Wie auch die physische Realität der Welt ein „Glashaus, transparent und durchscheinend für Gottes Gnade“ sein kann, so kann auch die spirituelle Realität des kontemplativen Lebens erfahren werden als etwas, das für Gottes gnädige Intervention transparent ist.12

      Diejenigen, die innerhalb monastischer Mauern oder innerhalb aktiver Gemeinschaften, die kontemplatives Leben priorisieren, leben, haben die Unterstützung einer Gemeinschaft, eine Lebensregel, die Struktur und eine sozial erkennbare Etikette geben. Diese Dinge stellen einen institutionellen Rahmen zur Verfügung, der die Selbstidentität unterstützt. Menschen, die als Kontemplative „in der Welt“ leben, brauchen oft Mut, einen Lebensstil zu verfolgen, der normalerweise von dem der meisten Menschen um sie herum abweicht. Es gibt viele Faktoren, die Menschen zum Nachdenken darüber bringen, ob sie einen kontemplativen Ruf haben, wenn sie in gewöhnlichen Umständen der Welt außerhalb einer institutionellen Umgebung leben. Einige verweisen auf ihre kontemplative Erfahrung, andere auf ihre kontemplativen Praktiken, andere wiederum auf ihren kontemplativen Lebensstil. Für manche ist es einfach die stimmigste Form, ihr Selbstverständnis zu artikulieren, indem sie sich selbst ‚Kontemplative‘ nennen.13

      Kathryn Damiano beschreibt die Erfahrung, ein kontemplatives Leben als zurückgezogene Person zu leben als eine von „relevanter Irrelevanz“.14 Das kontemplative Leben im Kontext der Ehe zu führen, erzeugt noch einmal andere Herausforderungen.15 Die kontemplative Dimension eines Lebens in einer Arche-Gemeinschaft offenbart weitere mannigfaltige Wunder dieses Lebensweges: „Auf der langsamen Spur wird man ermutigt, ein weiteres Mal hinzusehen, um die Details, die Köstlichkeit und sogar Schönheit von dem von uns als hässlich Erachteten ausfindig zu machen“.16 Nur ein Herz, das für Mitgefühl sensibilisiert und wachsam für die Schönheit in den gewöhnlichen Details des täglichen Lebens ist, kann auf diese Weise „sehen“. Ann Denham beschreibt ihr anfängliches Missverständnis eines intensiven Gebetslebens als Erwartung einiger „bequemer Plaudereien mit dem Herrn“. Lebhaft stellt sie ihre eigentliche Erfahrung des sich Öffnens für die Tiefen darin dar: „ein Durchstoßen ins Licht und eine Landschaft wie bei van Gogh; ein starker visueller Sinn für die vielschichtige Realität und ein heulender Angststurm aus einem klammen, schwarzen Loch“.17 Denham lässt jene Angst erkennen, die oft mit dem Aufgeben egobasierter Strategien einhergeht, wenn man in einen Dialog mit der Welt tritt und das Risiko auf sich nimmt, sich einem größeren Selbst zu öffnen, von dem das Ego lediglich ein Teil ist. Wie Merton konfrontiert Denham ihr inneres Leid und ihren seelischen Schmerz mit dem Glauben.

      Frohlich merkt an, dass es eine solche Vielfalt kontemplativen Ausdrucks im „rohen Material von Begabungen, Gelegenheiten und Wahlmöglichkeiten“ gibt, dass man von keinem vorgefertigten Weg sprechen kann, um die Selbstidentifikation einer Person als „kontemplativ“ zu begründen.18 Was auch immer zu dieser Identifikation führt, ihr Ausdruck ist nicht weltverneinend; die Spiritualität, die aus dem authentischen, kontemplativen, in der Welt geführten Leben hervorgeht, ist noch immer „für die anderen“.19 Es kann viele Formen annehmen für eine gewöhnliche Person, die ein gewöhnliches Leben in gewöhnlichen Umständen von Heim und Arbeit lebt.

      Transformierendes Gebet und der „kleine Weg“

      Die Tendenz zu glauben, dass wir nur dann wertvoll sind, wenn wir große Dinge tun, ist allgegenwärtig. Menschen, die in Industrieländern leben und von extremem Leid verschont geblieben sind, verspüren eine subtile Schuld, die die Freude am Ruf zu einem kontemplativen Leben untergräbt und die andeutet, dass sie nicht genug tun, um die Last derjenigen, die in weniger günstigen Bedingungen als sie leben müssen, zu erleichtern. Die implizite, unbewusste Annahme ist, dass wir nur dann von Wert sind, wenn wir von anderen als jemand gesehen werden, der/die einen großen Beitrag für eine bedürftige Welt leistet. Für diejenigen mit Begabungen, Kapazitäten und der Kraft, strukturellen Wandel zu bewirken, sind solche Handlungen tatsächlich richtig und angemessen. Für die weniger Begabten verstecken allerdings solche Forderungen den Wert des Kleinen vor Gott, welches sie berufen sind, zu tun und tun können. Selbst für die Begabteren kann es Mut bedürfen, der Kritik einer Gemeinschaft standzuhalten, und den „kleinen“ mehr als den „großen“ sozialen Nöten Wert beizumessen – wie Mutter Teresa, die angesichts ihrer Konzentration auf die Bedürfnisse des Individuums dafür kritisiert wurde, die sozialen Strukturen Indiens nicht genügend anzufechten.

      Für viele ist es ein langer Weg zur Selbstakzeptanz für das Geringe, das sie tun können. An einem bestimmten Punkt in seinem Leben dachte Parker Palmer, dass er „ein Leben wie Martin Luther King Jr. oder Rosa Parks oder Mahatma Gandhi oder Dorothy Day leben müsste, um der Anforderung eines ‚hohen Zieles‘ gerecht zu werden“.20 Auch der Hl. Johannes vom Kreuz hält fest, dass wir es als ein spezielles Leid empfinden können, wenn wir merken, dass wir nicht leiden.21 Was kann getan werden, um Menschen für den Wert der „kleinen“ Nöte vor ihnen zu sensibilisieren? Während es tatsächlich ein echtes Risiko gibt, dass die Annehmlichkeiten eines westlichen Lebensstils uns für das Leid blind machen, das von jenen, die weniger Glück im Leben hatten, erlitten wird, können uns diese gleichen Annehmlichkeiten und die oft unbewusste Schuld, die mit ihnen einhergeht, auch blind machen für den Wert der „kleinen“ Wege, in denen wir liebevoll denen um uns dienen.

      Die Schwierigkeit, uns selbst für die Nöte anderer zu sensibilisieren, ist für Metz und Sobrino eine Frage, die in die Tiefen unserer Beziehung zu Gott reicht. Es ist eine Frage, die die Natur unserer Spiritualität herausfordert. Unsere Spiritualität ist nur authentisch, wenn wir wach, aufmerksam und ansprechbar für die Realität des Leidens sind. Wie soll das allerdings bewerkstelligt werden? Für Metz und Sobrino wie auch für Simone Weil, finden sich Antworten auf diese Frage im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Für sie ist dieses Gleichnis das „grundlegende biblische Narrativ“ für eine authentische Spiritualität, die mitfühlend und ansprechbar für das Leid anderer ist.22

      Aus der Sicht von Metz und Sobrino sind der Priester und der Levit so beschäftigt mit scheinbar gewichtigen Angelegenheiten des Gesetzes, dass sie an dem Bedürftigen vorbeigehen.23 Sie sind der Meinung, dass