weit formuliert war, in der Folgezeit von den Ortsvorstehern immer wieder ausgenutzt: Der Verhörrichter sprach 1822 von sogenannten Weibeldiensten, für welche die Landjäger verwendet und infolgedessen dem allgemeinen Dienst entzogen würden.155 Mehrere Versuche, solche inadäquaten Inanspruchnahmen der Landjäger zu sanktionieren, scheiterten indes.156 Die Landjäger ihrerseits, die für die Mitteilung solcher Missbräuche zuständig gewesen wären, befanden sich in dieser Hinsicht in einer ungemütlichen Lage, denn sie waren den Obrigkeiten betreffend Beaufsichtigung der Dienstverrichtungen und der Disziplin immer noch unterstellt. Paragraf 29 der Instruktion von 1840 etwa besagte:
11 Verbindungswege im Nordwesten des Kantons Graubünden, um 1818. Karte von H. Pestalozzi, J. Wild (Ausschnitt). Östlich des Fläscherbergs die Zollstation St. Luzisteig Richtung Liechtenstein, westlich von Maienfeld die Fläscherfahrt und westlich von Malans die Untere Zollbrücke/Tardisbrücke Richtung St. Gallen. Auf Bündner Gebiet schliesslich die südwestlich von Malans gelegene Obere Zollbrücke Richtung Chur.
«Jeder Landjäger hat ein Büchlein zu halten, in welchem er, der Zeitfolge nach, seine Patrouillen und periodischen Touren in die Gemeinden seines Bezirks, oder andere Dienstverrichtungen, jedesmal durch den ersten Ortsvorsteher oder, in dessen Abwesenheit, durch eine obrigkeitliche Person, unter genauer Angabe der Monatstage, bescheinigen läßt.»157
Zusätzlich zu Paragraf 29 durften ausserdienstliche Vergehen der Landjäger gemäss Paragraf 30 durch die Obrigkeiten geahndet werden. Diese Bestimmung wurde zwar nach einer ungerechtfertigten Verhaftung zweier Landjäger durch das Hochgericht von Poschiavo im Jahr 1827 in der Grossratssitzung vom 20. Juni 1829 diskutiert, nach Antrag der Standeskommission jedoch nicht abgeändert.158 Dementsprechend war der Umstand, dass die Landjäger einerseits die gegen die formalen Systemstrukturen zuwiderhandelnden Obrigkeiten anzeigen sollten und andererseits von deren Arbeitszeugnis abhängig waren, mehr als ein nebensächliches Problem rein struktureller Art. Die obrigkeitliche Autorität gegenüber den Landjägern jedenfalls blieb im polizeilichen Hierarchiesystem während der ganzen Untersuchungszeit fest verankert. Das Beispiel des in Splügen stationierten provisorischen Landjägers Jakob Clavadetscher verdeutlicht dieses klare Hierarchieverhältnis besonders gut. Im Zusammenhang mit dem an ihn gerichteten Wunsch einiger Einwohner von Splügen, einen sich daselbst aufhaltenden Lugnezer, welcher als Störefried auffiel, aus dem Wirtshaus zu schaffen, berichtete Clavadetscher dem Verhörrichter:
«Sie im aber sagten sie konten in nich über Nach haben, und er nich grad gehen wolte. so komt das Weib in das nemliche Wirhauß und sagt ich soll glich kommen um den Man fort zu füren, so weil er nichts gemacht hat so hab ich in auch nicht fort füren könen. und ich sage zu den Weib sie solle es dem LandAmman Anzeigen dan wan es der befelli so werde ich es tun was der Landamman sage.»159
Aus alledem wird klar ersichtlich, dass die Ortsobrigkeiten, gerade im Fall der von Chur weit entfernt postierten Landjäger, die zentrale Bezugsinstanz bildeten. Das Verhältnis zu ihnen hatte, obwohl die Weisungen des Verhörrichters als Korpsleiter gewichtiger waren, bedeutend intensiveren Charakter als alle übrigen Hierarchieverhältnisse innerhalb des Polizeisystems. Es gilt noch zu klären, inwiefern und in welchem Mass diese Voraussetzungen die Vorgehensweisen, Argumentations-, aber auch die Interaktionsmuster der Landjäger determinierten und ob diese die Normen auch befolgten. Jedenfalls wird erkennbar, dass sich die Landjäger, allen voran diejenigen auf den Laufposten, betreffend Hierarchiefragen zwischen mehreren Akteuren bewegten. Dies umso mehr, als aufsichtsberechtigte Instanzen (sowohl kantonale als auch gerichtlich-gemeindliche Vertreter) sehr oft ihre Partikularinteressen verfolgten.
2.2 Ausrüstung
Der Zweck und die Bedeutung der Ausrüstung, speziell der Uniform als wesentlicher Teil davon, kann mit verschiedenen Ansätzen herausgearbeitet werden. Dabei bildete die symbolische Dimension der Montierung, wie die Polizeibekleidung in zeitgenössischen Quellen bezeichnet wurde, für den Polizeialltag einen nicht zu unterschätzenden Aspekt. Bevor in einem zweiten Teil dieses Kapitels auf die Symbolik der Uniform eingegangen wird, soll zunächst die realtechnisch-materialistische Komponente dieser Uniformierung angesprochen werden. Damit wird gleichzeitig auch ein Überblick über erlassene Bestimmungen im Bereich der Landjägerausrüstung ermöglicht. Im Wesentlichen scheint hierbei die kommunizierte Schutzfunktion, dann aber auch die Nützlichkeit herauszuragen: Zum einen sollte die Uniform den Landjäger vor Kälte und Nässe schützen. Gutes Schuhwerk sollte ihm die langen Patrouillen, die seinen gewöhnlichen Alltag bedeuteten, auf steinigen und heissen, aber auch nassen und schlüpfrigen Strassen und Nebenwegen ermöglichen. Der Hut beziehungsweise Tschako sollte ihn vor Sonne und Regen schützen. Zum anderen sollten Weidtasche sowie Hosen-, Westen- und Mantel- beziehungsweise Überrocksäcke für den Transport des Proviants, der Schriften, des Geldes sowie der Handschellen und der Munition dienlich sein. Bewaffnet waren die Landjäger mit Säbel und Karabiner, später mit einem Schrotgewehr (bzw. einer Flinte). Als Hauptzweck sollten diese Waffen ihnen in Gefahrensituationen die nötige Verteidigungssicherheit bieten. Sie waren jedoch expressis verbis nur im äussersten Notfall zu gebrauchen. Dies galt sodann auch ganz allgemein für die Anwendung jeglicher Form von Gewalt: Dem einleitend erwähnten Landjäger Michael Mutzner, welcher beim Transport eines delinquenten Bürgers von Savognin über den Julierpass physische Repressionsmassnahmen angewandt hatte, wurde bekanntlich vom Verhörrichter ganz klar kommuniziert, dass er als Landjäger «sich nie ohne höchste Noth an Leuten vergreifen sonst es gleich anzeigen» solle.160 Mutzner hatte den Mann aus Savognin bekanntlich «zu Boden geschlagen und mit dem Stock gebrügelt biß er gesagt er wolle [ihm] nichts wideriges mehr Machen».161 Um welche Art von Stock es sich bei seinem Gewalteinsatz handelte, geht aus den Quellen nicht hervor. Jedenfalls scheinen Mutzner und wohl auch andere Landjäger eine Art Schlagstock mit sich getragen zu haben, wobei eine solche Waffe gemäss Instruktion nicht zur offiziellen Ausrüstung eines Landjägers gehörte.
Die Erweiterung des Ausrüstungsrepertoires war jeweils sehr trägen Entwicklungsprozessen unterworfen. Hauptgrund dafür waren in erster Linie finanzielle Restriktionen, da der Kanton durch die eingeschränkten Einnahmen Erweiterungsintentionen im Beamtenwesen (seien sie materialistischer oder auch personeller Art) nur im äussersten Notfall zustimmte. So unterschied sich die Uniform- und Bewaffnungszusammensetzung gegen die Jahrhundertmitte nicht markant von derjenigen der ersten Landjäger. Dennoch können für die untersuchte Zeitspanne einige wesentliche Änderungen nachverfolgt werden, wobei die dominierenden Farben durchgehend Grün und Grau blieben: Die ersten Bündner Landjäger erhielten 1804 einen kurzen «Montirungsrok nebst Weste und Hosen, imgleichen 2 paar Schuhe und 2 paar Sohlen».162 Gemäss Instruktion von 1813 wurde den Landjägern alljährlich ein Hut oder Tschako, ein grüner Rock mit grünen Aufschlägen und Kragen, eine grüne Weste, ein Paar lange Hosen, zwei Paar Schuhe und zwei Paar Sohlen sowie alle zwei Jahre ein «Caput» beziehungsweise Mantel zugesichert, 163 wobei diese Bestimmung für noch nicht definitiv angestellte Landjäger nur zum Teil galt. Dem provisorischen Landjäger Johann Weber beispielsweise schrieb der Verhörrichter im Januar 1832:
«Da Weber noch nicht definitiv als Landjäger aufgenohmen ist, so kann man ihm auch noch keine Montur anschaffen, sondern er hat nur pro Rata der Dienstzeit Vergutung für selbe zu fordern. Man hat aber nichts dagegen, falls er aus sich einige Montürstücke anschaffen wurte.»164
Über zustehende Armaturgegenstände schwieg sich die erste Instruktion aus. Die Landjäger scheinen vor 1813 nicht mit Stutzern, sondern mit Karabinern versehen gewesen zu sein. Infolge eines Unfalls, bei dem Landjäger Stephan Lampert in Maloja einen italienischen Arbeiter mit seinem Gewehr tödlich verletzte, scheinen die Karabiner durch die mit kürzeren Läufen versehenen Stutzer ausgetauscht worden zu sein.165 Erst die Instruktion von 1828 schliesslich machte genauere Angaben zur Bewaffnung der Landjäger: Darin hiess es, dass neue Landjäger aus dem Kantonsmagazin jeweils einen «Säbel sammt Scheide, Stutzer, Pistole sammt Futter, Handschelle», das nötige «Pulver und Blei» sowie eine Weidtasche für den Transport erhalten sollten.166 Bei Todesfällen wurde rapportierenden oder für die administrativen Fragen im Zusammenhang mit