und Wahrnehmungen zum Ausdruck, die Kinder unmittelbar an den Begegnungen und Phänomenen gewinnen. Es gründet in lebensweltlich vermittelten Bedeutungen und Wertigkeiten, in sozialen Beziehungen und Alltagspraktiken.»[60] Dieses Wissen ist Voraussetzung für die sprachliche Entwicklung und für begrifflich-abstrahierendes Denken. Dadurch sind Kinder dann in der Lage, ihr implizites Wissen anderen mitzuteilen und ihre Vorstellungen zu natürlichen und sozialen Phänomenen ihrer Umwelt zu erklären.
•Nachdenken und Reflektieren: Die bereits im Kleinkindalter vorhandenen sprachlichen und nichtsprachlichen Fähigkeiten können durch anregende Lernumgebungen aktiviert und weiterentwickelt werden. Unterschiedliche Unterrichtsangebote im ästhetischen und musischen Bereich können Kinder darin unterstützen, «Distanz zu ihren Erfahrungen zu suchen, sie im Medium einer begrifflich-abstrahierenden Sprache als Sache und Gegenstand zu gewinnen und ordnend zu überschauen»[61]. Dabei geht es darum, dass Kinder ihre unterschiedlichen Ausdrucksformen nutzen und weiterentwickeln.
•Erfahrungen objektivieren, Ko-Konstruieren, Ordnen: Objektivierung von Wissen in dem Sinne, dass kulturelle «belastbare» Wissensbestände kritisch genutzt werden, fusst auf subjektiven Fähigkeiten, wie zum Beispiel einen eigenen Standpunkt zu beziehen und zu begründen und die eigene Sicht mitzuteilen. Das Sammeln, Ordnen und Klassifizieren von Gegenständen regt die Kinder an, ihre eigenen Erfahrungen und Sichtweisen mitzuteilen und die Erfahrungen anderer Kinder kennenzulernen und zu verarbeiten.
Eine ähnliche Absicht verfolgt der Lehrplan 21 für den Fachbereich NMG mit der Formulierung von neun «entwicklungsorientierten Zugängen» für den Beginn des ersten Zyklus, das heisst, zumindest für die zwei Jahre Kindergarten. Dadurch soll einerseits sichergestellt werden, dass der Unterricht auf dieser Stufe überwiegend fächerübergreifend organisiert und gestaltet, und andererseits, dass «eine Brücke von der Entwicklungsperspektive zur Fachbereichsstruktur des Lehrplans»[62] geschlagen wird. Im Verlauf des ersten Zyklus rücken dann die fachbereichsspezifischen Inhalte von NMG zunehmend in den Vordergrund, wobei sich in der Unterrichtspraxis «die entwicklungsorientierte und die fachorientierte Herangehensweise verbinden, vielfältig variieren und kombinieren. Beide Zugangsweisen bleiben miteinander verknüpft»[63].
Studien im Rahmen einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung weisen darauf hin, dass Sieben- bis Achtjährige bereits (vorwissenschaftliche) Vorstellungen zu komplexen Themen besitzen.[64] Kinder dieses Alters beschäftigen sich bereits mit Themen wie der Pflege von Obstbäumen oder benennen Folgen und suchen nach Lösungen, wenn es um den Kauf von Spielzeugen geht. Aufgrund ihres Alters und Vorwissens haben sie zu gewissen Sachgebieten noch widersprüchliche und unausgewogene Vorstellungen. Entscheidend ist, dass dieses Vorwissen durch Unterricht verändert, angereichert und differenziert wird. Ein eindrückliches Beispiel für einen solchen Unterricht stammt aus dem Umfeld der sogenannten Reggio-Pädagogik. Am Beispiel der Frage, wie eigentlich ein Schatten entsteht, ermöglichen die Erzieherinnen vier- bis sechsjährigen Kindern, «mit der Welt zu flirten»[65]. Sie bieten den Kindern vielfältige Erfahrungen an, die ihre Lust am Lernen, am Wahrnehmen und Verstehen fördern und entwickeln sollen.[66] Ein anderes Unterrichtsbeispiel zeigt auf anschauliche Weise, wie bereits mit Schülerinnen und Schülern der zweiten und dritten Klasse komplexe Themen kindgerecht angegangen werden können. Anhand der übergeordneten Fragestellung «Was ist ein gutes Spielzeug?» beschäftigen sich acht- und neunjährige Kinder mit vielperspektivischen Aspekten nachhaltiger Entwicklung.[67]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der vom Lehrplan 21 formulierte Anspruch an den NMG-Unterricht, Kinder in ihrer Annäherung an die Welt zu unterstützen und zu fördern (indem sie diese wahrnehmen, erschliessen, sich in ihr orientieren und in ihr handeln) unter Berücksichtigung der oben genannten Aspekte auch für jüngere Kinder gilt. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich bei der Vorbereitung ihres auf dem Lehrplan 21 für den Fachbereich NMG fussenden Unterrichts in Kindergarten und Unterstufe ebenfalls die Frage nach der Bildungsrelevanz der von ihnen bestimmten Inhalte stellen. Aus diesem Grund ist es auch hier sinnvoll, bei der Planung von Lernangeboten nicht von einem Stichwort auszugehen, sondern eine den Entwicklungsstand bzw. die Voraussetzungen der Kinder berücksichtigende übergeordnete und bildungsrelevante Fragestellung ins Zentrum zu stellen.
5 Ausblick: Die übergeordnete Fragestellung im Kontext der Unterrichtsplanung
Die übergeordnete Fragestellung als Dreh- und Angelpunkt des Unterrichts in NMG: Tatsächlich lassen sich Planung, Durchführung und Evaluation des Unterrichts in NMG in allen Zyklen ausgehend von übergeordneten Fragestellungen durchführen: In übergeordneten Fragestellungen konkretisieren sich die im Lehrplan definierten Kompetenzbereiche, Kompetenzen und Kompetenzstufen auf eine exemplarische, vielperspektivische und integrative Weise. Übergeordnete Fragestellungen bewegen sich im Spannungsfeld Kind–Sache–Gesellschaft und tragen damit zur Förderung der Teilaufgaben von Bildung von Heymann bei. Liegt eine übergeordnete, auf dem Lehrplan fussende Fragestellung vor, können die übergeordneten Lernziele der Unterrichtseinheit definiert werden. Eine übergeordnete Fragestellung stellt auch den Orientierungspunkt dar, auf den sich eine fachlich fundierte Sachanalyse zu beziehen hat. Diese bietet ihrerseits die Grundlage dazu, die Unterthemen der Unterrichtssequenzen festzulegen. Aufgrund der übergeordneten Fragestellung und der daraus gewonnenen Lernziele und Unterthemen lassen sich sinnvolle Lernaufgaben und methodische Zugänge identifizieren. Eine begründete, auf den Lehrplan ausgerichtete Auswahl von sechs bis sieben übergeordneten Fragestellungen könnte die Grundlage für Jahresplanungen in NMG sein.[68]
Übergeordnete Fragestellungen «fallen nicht vom Himmel», sondern bilden das Resultat intensiver Auseinandersetzung mit Lehrplanvorgaben, mit Fragen zur Bedeutung des Fachs NMG bezüglich Allgemeinbildung, mit Überlegungen zu inhaltlichen und methodischen Angeboten der fachlichen Perspektiven von NMG. Das Formulieren einer übergeordneten Fragestellung ist aus dieser Sicht als Prozess der Annäherung an Unterrichtsthemen zu verstehen, die, um den Lehrplan nochmals zu zitieren, «sich an grundlegenden Fragestellungen [orientieren], die uns als Menschen oder unsere soziale, kulturelle und natürliche Um- und Mitwelt betreffen»[69].
Literaturverzeichnis
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Heymann, Hans Werner: Weltorientierung als schulische Aufgabe. Wie kann Schule zum Aufbau eines differenzierten Weltbilds beitragen? In: Pädagogik 7–8, 2017, S. 6–9.
Kahlert, Joachim: Der Sachunterricht und seine Didaktik. Bad