Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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dir ’mal vom Onkel Provisor Juckpulver in den Hals streuen, dafür verhaust du ihn auch!«

      Für diesmal verzieh man Bärbel das Nachbleiben.

      Der Straßenschreck in Dillstadt

      Hinter der dichten Hecke, die das Grundstück des Apothekenbesitzers Wagner abschloß, kauerten drei Mädchen und kicherten verstohlen. Man hatte sich für heute abend einen famosen Spaß ausgedacht und ging nun an die Ausführung. Ein Portemonnaie wurde an einen langen Bindfaden gebunden und auf den Bürgersteig gelegt. Der Faden, etwas mit Staub bedeckt, führte durch die Hecke hindurch nach Bärbels Hand. Die beiden Schulfreundinnen Lore und Hanna warteten nun darauf, daß jemand des Weges kam, um den Geldbehälter aufzunehmen. Hanna stand Schmiere und kündete an, wer sich sehen ließe.

      Auch jetzt schlich sie sich an ihren Ausguck, wandte sich aber sofort um und flüsterte beinahe erschreckt den beiden anderen zu:

      »Der Herr Pastor!«

      Hopp! Das Portemonnaie verschwand in der Hecke.

      Der Pastor ging vorüber, die drei Mädchen verhielten sich mäuschenstill. Dann wurde Lore erneut ausgeschickt, um die Börse wieder auf den Bürgersteig zu legen.

      Bald meldete Hanna: »Die Dicke vom Fleischer Penken!«

      »Au – fein!«

      In atemloser Spannung erwarteten die drei die dicke Fleischersfrau, die langsam und gemächlich daherkam. Nun war sie herangekommen, schritt über den Bindfaden hinweg und sah das Portemonnaie nicht.

      »Die hat keine Augen im Kopfe«, schalt Bärbel, und Lore stimmte verärgert ein.

      Aber schon kam wieder jemand daher, das hagere Fräulein von Tillich.

      »Die hat die Nase immer auf der Erde«, flüsterte Bärbel.

      Und richtig. Das ältliche Fräulein kam heran, stutzte einen Augenblick, blieb dann stehen, beugte sich nieder, griff nach der Börse und schrie im nächsten Augenblick auf, denn der gefundene Gegenstand hüpfte in großem Bogen aus ihrer Hand.

      Sie sah sich nach allen Seiten um, dann eilte sie hastig davon.

      Die drei Kinder hinter der Hecke hatten Mühe, das Lachen zu unterdrücken.

      »Schnell, schnell, dort kommt ein Mann«, schrie Hanna, und wieder lag die Börse auf dem Bürgersteig.

      Es war ein robuster Arbeitsmann, der ebenfalls den ausgelegten Gegenstand sah, sich niederbeugte, um ihn aufzuheben; auch ihm sprang das Portemonnaie aus der Hand. Da schaute der Große über die Hecke, denn er hatte das unterdrückte Lachen gehört.

      »Ihr verflixten Bälger, na wartet, ich komme ’rein!«

      Wie die Windhunde waren die drei davon, während der Arbeitsmann ruhig weiterging.

      Ein Ehepaar kam des Weges, und wieder lag das Portemonnaie hingeworfen auf der Straße.

      »Schau nur, Emil.« Schon beugte sich die Frau nieder, nahm die Börse, Bärbel zog an dem Faden, der riß, denn der Fuß des Ehemannes stand darauf. Die beiden gingen weiter, und betrübt standen die drei Mädchen da.

      »Mein neues Portemonnaie«, sagte Bärbel niedergeschlagen, »jetzt gehen sie mir damit durch.«

      »Laufe ihnen doch rasch nach!«

      Bärbel tat es wirklich. »Ach, bitte«, sagte sie, indem sie artig vor dem Ehepaar knickste, »Sie haben da eben mein Portemonnaie mitgenommen.«

      »So – gehörte das dir?« fragte die Frau.

      »Jawohl.«

      »Dann bist also du das unnütze Mädchen, das die Leute foppen will. Ich kann mir wohl denken, was dieser Faden bedeutet. Hier hast du dein Eigentum!«

      Kleinlaut ging Bärbel zurück. Für heute war ihr die Lust an dem Vergnügen vergangen.

      Im Garten hockten die drei zusammen, und auch die Zwillinge gesellten sich dazu.

      »Ich weiß was Feines«, sagte Martin, »wir wollen uns alle unterhenkeln und den Bürgersteig versperren.«

      »Nee, ich weiß was viel Schöneres«, sagte Kuno, »wir wollen an der Straßenecke mit einem zusammenrempeln.«

      »Das wäre fein«, sagte Lore, »das macht Spaß!«

      Man beriet noch weiter, fand aber, daß hier nicht der geeignete Platz dafür sei. Man wollte lieber an der Ecke der Linden- und Wilhelmstraße Aufstellung nehmen. Einer mußte von der anderen Straßenseite her ein Zeichen geben, dann wollten die anderen die Fußgänger anrempeln.

      »Und wenn wir sie tüchtig gepufft haben«, meinte Bärbel, »entschuldigen wir uns höflich.«

      Dieser Scherz fand begeisterte Aufnahme. Hanna weigerte sich zwar, mitzumachen, wollte aber das Zeichen geben.

      Bärbel teilte die Parteien ein. Auf das verabredete Zeichen hin wollten Bärbel und Lore im Eilschritt um die Straßenecke biegen, und ihnen sollten die Zwillingsbrüder auf dem Fuße folgen. Das würde ein prachtvoller Zusammenstoß werden.

      »Wir müssen unbedingt in der Übermacht sein«, sagte Bärbel, »falls ein Ehepaar kommt, richten wir zwei Kinder nicht viel aus.«

      Strahlend zog die kleine Schar ab. An der belebten Lindenstraße wurde haltgemacht. Hanna wurde gegenüber aufgestellt, nachdem das Zeichen verabredet worden war. Hob sie den Daumen, mußte man sich bereit halten, streckte sie dazu den Zeigefinger hoch, begann der Laufschritt. Hob sie den kleinen Finger, mußte man sich ruhig verhalten.

      Da standen die vier Stürmer und schauten gespannt zu Hanna hinüber. Sie sahen, wie Hanna plötzlich freudvoll erregt von einem Bein auf das andere hüpfte, dann kam der Daumen in die Höhe, und als der Zeigefinger emporschnellte, begann der Galopp.

      Bums! – Bärbel und Lore prallten gegen einen übermäßig dicken Herrn. Martin und Kuno stürmten nach und preßten die beiden Mädchen noch fester, so daß der dicke Herr ins Schwanken kam.

      »Paßt doch etwas mehr auf, ihr Rangen, man rennt doch nicht um die Straßenecke im Galopp.«

      Bärbel würgte mit Mühe hervor: »Entschuldigen Sie«, Lore konnte nichts sagen, denn das Lachen saß ihr in der Kehle.

      Das hatte herrlich geklappt. Noch einmal dasselbe entzückende Spiel. Wieder ging der Daumen in die Höhe, der Zeigefinger folgte, die vier rannten gegen eine junge Dame, der vor Schreck Schirm und Handtasche entfiel. Sie schalt schon etwas energischer auf die wilde Schar.

      Zum dritten Male! Der Daumen ging in die Höhe, die vier machten sich angriffsfertig. Gleich mußte es so weit sein. Aber im selben Augenblick sah Hanna, daß Fräulein Greger, die Schulvorsteherin, aus dem Laden des Eckhauses trat. Hastig streckte sie den kleinen Finger in die Höhe; aber die Angreifer waren so freudig erregt, daß sie den Finger gar nicht mehr sahen, sie stürmten los und rannten im nächsten Augenblick mit aller Wucht gegen ihre Schulvorsteherin.

      Fräulein Greger war diesem Anprall nicht gewachsen. Sie taumelte rückwärts, prallte gegen den nach ihr kommenden Herrn, der rasch Zugriff, weil er fürchtete, daß das ältliche Fräulein fiel. So war im Augenblick nur ein Knäuel an der Ecke, denn die Zwillinge hatten Fräulein Greger noch gar nicht erschaut und stießen kräftig von hinten nach.

      »Ooch«, sagte Bärbel, als es die Schulvorsteherin erkannte.

      »Bärbel, – Lore – was soll das bedeuten? Aber, Kinder, wie könnt ihr so hastig um eine belebte Ecke laufen, das muß doch einen Zusammenstoß geben. Beinahe wäre ich zu Schaden gekommen. Ich weiß, ihr habt es nicht mit Absicht getan, aber in Zukunft müßt ihr euch vorsehen. Ihr seid doch groß genug, um schon zu überlegen, daß durch solch einen Zusammenstoß ein Unglück passieren kann.«

      Bärbel war wie mit Blut übergossen. Fräulein Greger behauptete, der Zusammenprall sei unbeabsichtigt geschehen. Wie hatte man sich auf den Spaß gefreut! Lore sprach höflich eine Entschuldigung und bekam von Fräulein Greger