Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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Kind mit niedergeschlagenen Augen. Das kleine Herz war tief bekümmert. Fräulein Greger dachte gut von ihr, und ganz absichtlich hatte sie die Fußgänger angerempelt.

      Kuno und Martin wollten den schönen Spaß noch weiter fortsetzen, aber Bärbel lehnte ab. Aber man stürzte sich auf Hanna.

      »Du Gans«, sagte Bärbel, »hast du denn nicht gesehen, daß es die Greger war?«

      »Ihr seid die Gänse, ich habe doch den kleinen Finger hochgestreckt.«

      »Sie hat euch reinlegen wollen«, rief Martin.

      »Quatsch«, sagte Bärbel, »sie ist unsere Freundin, und so was macht eine Freundin nicht. Das verstehst du nicht, kleiner Junge.«

      »So klug wie du bin ich schon lange«, gab der Bruder entrüstet zurück.

      Bärbel sah ihn mit blitzenden Augen an. »Du – weißt du, wer der Tyrann von Syrakus ist? Und weißt du, warum Mörus mit dem Dolch im Gewande zu ihm schlich?«

      Gerade gestern hatte man in der Schule die »Bürgschaft« von Schiller durchgenommen.

      »Na, siehst du«, fuhr Bärbel fort, »gar nichts weißt du! Wenn du so klug bist, so sage mir doch, was der Tyrann damit meinte: ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte?«

      »Das weiß ich lange«, rief Martin.

      Bärbel horchte interessiert auf. Darüber sollten sie einen Aufsatz schreiben. »Na, dann sag’s doch!«

      »Nun, er wollte Skat spielen, und da brauchte er den dritten Mann.«

      »Dämlicher Idiot«, sagte die ältere Schwester wegwerfend, dann wandte sie sich wieder an die Freundinnen, die zusammen flüsterten und einen neuen Streich berieten.

      Bald stimmte Bärbel freudig ein. »Oh«, sagte sie, indem sie die Augen schwärmerisch verdrehte, »Kinder, das ist ein Spaß, bei dem keinem ein Unglück zustoßen kann. Wir gehen auf den Markt.«

      Der Marktplatz war bald erreicht. Auch die Zwillinge gingen mit. Gerade jetzt, wo es bereits zu dunkeln anfing, war der Plan besonders leicht auszuführen.

      Am Rinnstein standen die fünf. Bärbel zeigte mit ausgestreckter Hand hinein. »Oh – da ist es – schrecklich –!«

      »Fürchterlich«, schrie Lore, »und jetzt ist es dort!« Sie zeigte nach einer anderen Stelle.

      Die Zwillinge lärmten mit. »Beißt es? – Au – au!«

      »Geht nicht zu nahe heran!« Es war Bärbels Stimme.

      Die Bäckersfrau trat aus dem Laden. »Was habt ihr denn, Kinder?« Keiner hörte, dafür aber tönte es aus fünf Kehlen:

      »Da – da ist es – oh, wie es schrecklich aussieht, – fürchterlich – ich habe Angst!«

      »Was ist denn da?«

      Es dauerte nur wenige Augenblicke, da standen zehn Dillstadter um die Kinder herum. Bärbel warf Lore einen vielsagenden Blick zu und schrie plötzlich auf, indem sie mitten in die Menge wies:

      »Da huscht es!« Es bildete sich eine breite Gasse, und diesen Augenblick benützten die beiden Mädchen, um schleunigst davonzueilen.

      »Was ist denn hier zu sehen? – Wissen Sie es?« Einer fragte den anderen, immer mehr Menschen kamen herbei. Hanna und die Zwillinge drückten sich ebenfalls, und an der nächsten Straßenecke standen die fünf und kreischten vor Lachen, denn manch ein Dillstadter hatte sich zur Erde gebeugt, suchte den Rinnstein ab; aber keiner fand etwas.

      Für heute mußte man die Späße einstellen, denn es war an der Zeit, heimzugehen. Beim Scheiden wurde aber beschlossen, daß man sich morgen nachmittag wieder hier treffen wolle.

      »Jeder hat sich einen neuen Spaß ausgedacht«, rief Bärbel, »wer nichts weiß, muß uns bei Gelegenheit eine Tafel Schokolade schenken.«

      Die Folge davon war, daß in allen fünf Köpfen angestrengt darüber nachgedacht wurde, wie man morgen die Leute auf der Straße belästigen könne, denn die Scherze sollten natürlich wieder auf der Straße ausgeführt werden, aber möglichst nicht in der Nähe der Apotheke.

      Anderen Tages traf man sich wieder im Garten der Apotheke und hielt Kriegsrat ab.

      Kuno war der erste, der seinen Feldzugsplan entwickelte. »Ich nehme einen Topf mit, der ist voll Wasser, unterwegs füllen wir ihn immer wieder, und jeder, der uns entgegenkommt, wird begossen.«

      »Bist meschugge«, tadelte Bärbel, »wir wollen doch nur Späße, die einen vornehmen Charakter haben. – So was ist gewöhnlich!«

      »Ich meine doch sauberes Wasser«, sagte Kuno entrüstet.

      »Nein, – das geht nicht. – Wer weiß etwas Besseres?«

      Lore entwickelte einen Plan, der begeisterte Aufnahme fand.

      »Da wollen wir aber nicht in eine belebte Straße gehen, am besten ist es, wir gehen zum Stadtwall, dort kommen die Fuhrwerke vom Lande zur Stadt.«

      Schon waren die fünf am Aufbruch. Unterwegs wurden wiederum die Rollen verteilt.

      »Nur immer feste durcheinanderschreien«, kommandierte Bärbel.

      Eingehenkelt marschierten die Kinder die Straße dahin, die zum nächsten Dorfe führte. Ein Einspänner kam den Kindern entgegen. In langsamem Schritt ging das Rößlein. Auf dem Kastenwagen hatte ein braves Bäuerlein Platz genommen, das stumpf vor sich hinschaute.

      Nun war der Wagen an die Kinder herangekommen, – da ging es los. Bärbel wies erregt auf eines der Hinterräder: »Das Rad – seht nur das Rad!«

      »Oh – das Rad – es dreht sich!«

      »Das Rad dreht sich!« brüllten die Zwillinge.

      »Wie das aussieht, oh – das Rad – das Rad!«

      Alle fünf Kinder schrien aus Leibeskräften. Der Bauer bog sich zur Seite, um zu sehen, was es gäbe. Er hörte ein Geschrei, das einem Rade seines Wagens gelten mußte. War da vielleicht etwas in Unordnung?

      Immer erregter gebärdeten sich die Kinder, sie liefen neben dem Wagen her, Bärbel schrie: »Das zweite Rad auch – oh, beide Räder!«

      Der Bauer hielt das Pferd an. »Was ist denn?«

      Alle fünf kreischten durcheinander: »Das Rad – das Rad – die beiden Räder!!«

      Der Bauer wickelte sich aus der großen grauen Decke, stieg umständlich vom Wagen herunter; und nun rief ihm Bärbel nochmals triumphierend entgegen: »Das Rad dreht sich!«

      »Das zweite auch«, ergänzte Lore.

      »Ätsch – reingefallen«, schrie Kuno; und als der Bauer nach der Peitsche griff, rannten alle fünf Kinder, so schnell sie konnten, davon.

      »Vermaledeites Pack!« schimpfte der Bauer, untersuchte aber doch die Räder und stieg dann verärgert wieder auf den Wagen.

      Auch beim zweiten Fuhrwerk gelang der Spaß. Die kutschierende Frau hielt an und stieg ab, weil auch sie glaubte, daß eines der Räder sich löse. Sie schalt kräftig hinter den Kindern her.

      Nun ging es wieder zurück nach Dillstadt. Man durchwanderte die Straßen. Voran die drei Mädchen, hinterher die Zwillinge. Da plötzlich tönte aus Martins Munde ein schriller Schrei. Als sich Bärbel umdrehte, sah sie einen Mann, der stehend Martin übers Knie gelegt hatte und ihm kräftige Schläge versetzte.

      Man erkannte den Bauer, der irgendwo ausgespannt hatte. »Es dreht sich«, sagte der Bauer, indem er weiter schlug, »der andere Bengel kommt auch dran.«

      Die vier stoben davon und überließen den schreienden Martin seinem Schicksal. Erst als sie sich in Sicherheit fühlten, warteten sie auf den weinenden Bruder.

      Der teilte Püffe aus, auch Kuno beteiligte sich daran, beide beschimpften die drei Mädchen.

      »Ihr Feiglinge,