Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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geworden ist. – Doktor Rollmops haben wir ihn getauft.«

      Jetzt lachte auch Onkel Otto. »Da siehst du nun, wie vorlaut die Backfische sind. – Wenn man dich nun Jungfer Strohkopf taufte?«

      »Du meinst wirklich, daß er vor uns Angst hat?«

      »Angst wohl nicht, aber er fühlt sich ein wenig unsicher.«

      Goldköpfchen schlug sich klatschend auf die Oberschenkel.

      »Verflixt, wenn ich das jetzt in der Klasse erzähle.«

      »Komm einmal her, Fräulein Unbedacht. – So, und nun schau mich einmal an. – Fändest du es gut und schön, den anderen die Schwächen deines Lehrers zu verraten, die ich dir anvertraute? Sage einmal, Goldköpfchen, willst du wirklich das Vertrauen, das ich in dich setzte, mißbrauchen? Willst du nicht lieber dem armen Doktor Rollmops das Leben ein wenig erleichtern?«

      Der Backfisch schlug die Augen zu Boden.

      »Ich denke, mein Goldköpfchen verlacht von nun an den armen jungen Mann nicht mehr. Es wird sich gar schnell an den langen, dünnen Lehrer gewöhnen und bald gut Freund mit ihm werden.«

      »Wenn ich aber immer das Lachen kriege, Onkel?«

      »Mit fünfzehn Jahren kann man sich beherrschen, Goldköpfchen.«

      »Du hast gut reden, Onkel, du bist eine gereifte Persönlichkeit, aber unsereiner lebt eben noch in der goldenen Jugendzeit. Ich will es aber versuchen.«

      »Du wirst jedenfalls deiner Klasse nicht verraten, daß Doktor Rollmops so schüchtern ist.«

      »Ich schwöre es dir bei dem silbernen Mond, bei den blonden Haaren meines Hauptes, das heilige Geheimnis, das du in meine Brust senktest, es bleibt darin verschlossen. Und Sonnabend abend gehen wir in die ›Räuber‹. – Ach, Onkel, du hast mich zum glückseligsten Menschen gemacht. Ich will dir nun auch etwas anvertrauen, ganz im geheimen. – Ich liebe Armin Rabes, und ich bin selig, am Sonnabend seine Stimme zu hören. – Meinst du, Onkel, daß ich schauspielerisches Talent in mir habe?«

      »Keinen Funken, Goldköpfchen.«

      »Das habe ich mir selbst schon gesagt«, erwiderte sie seufzend, »der höhere Funke ist nicht auf mich gefallen, und gerade darum bewundere ich ihn so. – Kannst du das begreifen, Onkel?«

      »Durchaus, Goldköpfchen.«

      »Aber schön muß es doch sein, wenn ihn der Beifall umrauscht.«

      »Ist es nicht ebenso schön, wenn man sich sagt, daß man in der Schule die Erste und Beste ist, und wenn alle Lehrer im Konferenzzimmer erklären: unser Goldköpfchen ist die intelligenteste und fleißigste Schülerin des ganzen Gymnasiums?«

      Der blonde Kopf legte sich auf die Seite.

      »So etwas werden sie nie sagen, Onkel, und dann hört man es ja auch nicht. Der Ordinarius behauptet immer, wir könnten viel mehr leisten und aufmerksamer sein. Nun, die Hauptsache ist ja aber, daß ich meinen Armin am Sonnabend höre. Ich habe fast die ganzen ›Räuber‹ auswendig gelernt.«

      »Das war nun gerade nicht notwendig, Goldköpfchen.«

      »O doch, Onkel, ich kann mich dann später nochmals hineinträumen in das Räuberleben. Ich kann es ja begreifen, daß der arme, verstoßene Karl eine Räuberbande gründete. Wahrhaftig, ich könnte es auch.«

      »Nun, dazu wird es hoffentlich nicht kommen.«

      Bärbel rollte mit den Augen und streckte die Arme weit von sich.

      »Aber wenn Vaterliebe zur Megäre wird, dann fange Feuer männliche Gelassenheit, verwildere zum Tiger, sanftmütiges Lamm, und jede Faser recke sich aus zu Grimm und Verderben.«

      Die Tür wurde heftig aufgerissen. Frau Lindberg stürzte ins Zimmer.

      »Du lieber Himmel, was ist denn los?«

      »Ach so«, sagte Goldköpfchen, »ich habe vergessen, daß ich nicht auf der Bühne stehe. Ist schon gut, Großchen, ich habe mich wieder gefaßt.«

      Frau Lindberg warf einen entsagungsvollen Blick auf den Schwiegersohn. »Aber gar zu oft geht ihr mit Goldköpfchen nicht ins Theater, nicht wahr, lieber Otto?«

      »Hab’ keine Sorgen, Mama, Bärbel hat neben dem Theater noch so viele andere Interessen, daß sie sich vom Rampenlicht nicht einspinnen läßt. Dazu ist sie viel zu vernünftig.«

      Als Bärbel am nächsten Tage wieder in der Klasse saß, als Valeska und Gabriele davon erzählten, auf welche Weise sie Doktor Rollmops ärgern konnten, sprang das junge Mädchen plötzlich auf die Bank und rief:

      »Ich habe das Wort!«

      Dann folgte ein Vortrag, daß man den Doktor Rollmops doch lieber in Ruhe lassen wolle.

      »Seine Länge flößt uns jungen Damen Mitleid ein. Ein übermäßig lang geratener Mann fühlt sich in seiner Haut niemals glücklich. Suchen wir uns einen anderen aus!«

      »Kein Gedanke«, rief Valeska. »Mit wem willst du es denn riskieren, Bärbel? Etwa mit dem Direx?«

      »Mit dem? – Nein …« erwiderte Goldköpfchen, und all der Respekt, den sie vor dem Direktor hatte, lag in den wenigen Worten.

      »Etwa mit dem Ordinarius?«

      »Der Rollmops kommt dran«, erklärte Gabriele Langen, »ich habe mir auch schon etwas Feines ausgedacht.«

      Nun wurde der Plan entwickelt. Morgen war die Geschichtsstunde gerade nach der großen Pause. Die halbe Klasse sollte draußen bleiben. Einer nach dem anderen wollte ins Zimmer kommen und erstaunt zu Doktor Rollmops sagen: bitte, entschuldigen Sie, ich wußte nicht, daß der Unterricht bereits begonnen hat.

      »Beim ersten und zweiten wird er noch nichts wittern«, meinte Gabriele lachend, »aber wenn der Sechste und Siebente kommt – Kinder, das wird herrlich!«

      Bärbel fielen die Worte des Onkels schwer aufs Herz. Wenn Doktor Rollmops wirklich so schüchtern war, wie der Onkel Otto gesagt hatte, mußte dem Ärmsten das Herz bis in den Hals hinauf schlagen, wenn immer wieder eine der Schülerinnen kam und sich entschuldigte. Nein, das ging nicht.

      »Wir wollen es lieber sein lassen. Ich finde diesen Spaß nicht schön.«

      »Na, höre mal, was ist denn in dich gefahren? – Du machst mit!«

      »Lassen wir doch den Doktor Rollmops in Ruhe!«

      Jetzt fing Edith Scheffel an zu lachen.

      »Hast du dich vielleicht in ihn verknallt, Bärbel?«

      »Sie ist verliebt in den Rollmops«, echoten die anderen.

      Der Zorn stieg Bärbel ins Gesicht.

      »In den dreistöckigen Menschen sollte ich mich verlieben? Traut ihr mir solch einen schlechten Geschmack zu? Ich habe einen ganz anderen!«

      »Wir glauben dir nicht, Bärbel, sonst würdest du mitmachen.«

      »Ich bin in den Rollmops nicht verliebt!«

      »Doch!«

      »Nein!«

      »Dann mache mit!«

      »Gut«, sagte Bärbel, indem sie das Buch, das sie eben in der Hand hielt, auf den Boden warf. »Also morgen!«

      Auf dem Heimwege war ihr allerdings nicht recht wohl. Sie wollte doch Doktor Rollmops nicht ärgern. Aber vielleicht machte ihm die Sache Spaß. Sie durfte unmöglich den Verdacht auf sich sitzen lassen, daß sie in diesen Fiedelbogen verliebt war. Außerdem kränkte man den Rollmops damit nicht. Man entschuldigte sich dabei ganz höflich. Es war nur ein kleiner Scherz, den er sicherlich mit Humor aufnahm.

      Der Sonnabend kam heran. Bärbel war von früh morgens an recht erregt. Heute abend ging es ja in die »Räuber«. Ach, wenn doch erst die Schulstunden vorüber wären!

      Aus dem Wege zum Gymnasium sprach sie sich