Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


Скачать книгу

– schnell!«

      »Du weißt doch, der dumme Junge, der Julian Winterland, verehrt mich. Und der Julian hat einen Freund, der heißt Max, und der Max wohnt in demselben Hause, in dem der Zigarrenladen ist, aus dem sich Armin Rabes seine Zigaretten holt. Nun habe ich durch den Julian den Max kennengelernt, und mit dem Max bin ich heute in dem Zigarrenladen gewesen. Wir haben dort gefragt, welche Sorte der göttliche Armin raucht. Und dann habe ich mir vom Max fünfzig Pfennige geborgt und mir zehn Zigaretten gekauft.«

      »Dieselben, die er raucht?« fuhr Bärbel voller Begeisterung auf.

      »Ja.« Edith holte eine kleine Schachtel hervor und stellte sie andachtsvoll vor Bärbel hin.

      »Ihr Glücklichen, – er raucht euch, – ihr dürft zwischen seinen Lippen rutschen«, sagte Bärbel verklärt.

      »Wie wäre es, Bärbel, wenn wir in seligem Andenken an ihn nun auch rauchten?«

      »Großchen will es nicht.«

      »Wir tun es doch nur für ihn – es soll eine Art Rauchopfer sein, das wir ihm in Dankbarkeit bringen.«

      »Ja, das wollen wir tun. Wir wollen uns in seinen Karl versenken und dabei rauchen.«

      Es dauerte auch nicht lange, da qualmten die beiden Backfische eine Zigarette nach der anderen. Und dabei nahmen sie sich die »Räuber« vor und lasen mit lauter Stimme alle die herrlichen Stellen, die Karl Moor gesprochen hatte. Bärbel suchte besonders jene Szenen heraus, in denen Karl Moor raste und tobte. Alles, was die anderen sagten, wurde einfach überschlagen.

      »Weißt du, ich hasse den Franz, ich könnte ihm etwas antun, dieser Kanaille!«

      »Er ist aber auch sehr nett.«

      »Nein, ich liebe nur Armin Rabes«, erklärte Bärbel, »ich will von Benno Lehmann nichts wissen. Wie kann ein Schauspieler überhaupt Lehmann heißen. Er sollte sich dann schon lieber Lemano oder Lemanius nennen. Wie ganz anders klingt dagegen Armin Rabes.«

      »Ja, du hast recht«, pflichtete Edith der Freundin bei, »Rabes klingt genau so wie Erhabenes.«

      »Seit er mich angelächelt hat, habe ich niemals wieder Interesse für einen anderen Mann. Ich weiß, ich werde unbemannt sterben, ich werde nie eine Ehe schließen können, weil mein Sinnen und Trachten nur bei Armin ist.

      Seine Augen werden wohl nicht auf mich fallen.«

      »Grete Morres hat mir erzählt, daß sie einmal an einen Schauspieler geschrieben hat. Dann ist er gekommen. Ob wir das auch versuchen?«

      Es erfolgte eine lange Beratung.

      »Ich wüßte schon einen Weg«, meinte Bärbel, »wie wir seine Bekanntschaft machen könnten, aber er ist kostspielig.«

      »Wie denn?«

      »Da wir nun wissen, was er für Zigaretten raucht, könnten wir ihm vielleicht zwei Schachteln zuschicken. Wir schreiben unsere Namen und unsere Adresse dazu, dann müßte er sich doch bedanken. Vielleicht können wir auch etwas dichten.«

      »Am ersten Dezember bekomme ich wieder Taschengeld.«

      »Ich auch«, sagte Bärbel kleinlaut, »aber ich habe bei Großchen schon Vorschuß, und dann möchte ich auch mal wieder auf den Olymp gehen.«

      »Es gibt doch aber noch billigere Zigaretten. Wir brauchen ja nicht die teure Sorte, das Stück zu fünf Pfennige, zu nehmen.«

      »Nein«, rief Bärbel entrüstet. »In seinen Mund gehört nur Qualitätsware! Lieber rupfe ich mich nackt und bloß. Aber seine teure Marke muß er haben. – Ich will mal an Vati schreiben, vielleicht schickt er mir einen Taler extra.«

      »Das machen wir gleich, Bärbel.«

      So wurde eine Brief an den Apothekenbesitzer Wagner nach Dillstadt gerichtet, der allerdings nicht genau erkennen ließ, für welchen Zweck Bärbel den Taler so dringend brauchte. Goldköpfchen hatte listig erklärt, sie würde es dem Vater zu Weihnachten sagen, wenn sie nach Hause käme. Dann neigte man sich wieder über das Buch, und aufs neue begannen die beiden Mädchen um die Wette zu brüllen.

      Endlich erschien Anna.

      »Du liebe Zeit, die ganze Stube voller Rauch! Was wird die gnädige Frau dazu sagen! Du sollst doch nicht rauchen, Bärbel.«

      »Riecht man es wirklich so sehr?«

      »Na, die gnädige Frau wird Augen machen.«

      »So machen wir rasch die Fenster auf.«

      Die Fenster wurden geöffnet. Anna zog sich entrüstet zurück, aber der Rauch wollte doch nicht völlig weichen.

      »Wirst du wirklich ausgescholten?« fragte Edith.

      »Nun – ja«, sagte Goldköpfchen kleinlaut, »ich habe eben wieder mal über die Stränge geschlagen.«

      »Was machen wir da?«

      Goldköpfchen legte nachdenklich die Hand an die Stirn, dann sprang es auf. »Hurra, ich hab’s!« Weg war sie.

      Eine Minute später kam Bärbel mit dem Staubsauger ins Zimmer. »Paß auf, Edith, der saugt alles weg. Das haben wir schon mal gemacht, als wir Benzin vergossen hatten.«

      Der Staubsauger wurde angestellt, wieder erschien Anna, aber lachend ging sie davon, als sie das listige Manöver durchschaute.

      Als Frau Lindberg am Abend heimkam, roch sie aber doch noch den Rauch. Sie winkte ihre Enkelin heran.

      »Nun, Kind, was habt ihr denn heute angestellt?«

      Bärbel kniff das rechte Auge zu und blickte mißtrauisch auf die Großmama.

      »Die ›Räuber‹ gelesen und uns in Armin Rabes versenkt.«

      »Hast du deiner Freundin auch etwas vorgesetzt?«

      »An leibliche Genüsse haben wir nicht gedacht, Großchen. Was brauchen wir zu essen und zu trinken, wenn wir die göttliche Kunst haben.«

      »Aber geraucht habt ihr?«

      »Ja.«

      »Sollst du das?«

      »Großchen, es war eigentlich kein Zigarettenrauchen, – es war etwas ganz anderes. Setze dich mal zu mir, ich will dir das erklären.«

      »Ich glaube, Goldköpfchen, hier bedarf es keiner Erklärung.«

      »O ja, Großchen, es waren die Zigaretten, die Armin Rabes raucht, teure Zigaretten, fünf Pfennige ein Stück. Edith hat sie mit schweren Opfern errungen. Da haben wir gedacht, wir sind es seiner Kunst schuldig, – wir haben ihm zuliebe geraucht, wir haben ihm das Rauchopfer gebracht.«

      »Ihr seid beide recht verdrehte Mädel. – Wenn Armin Rabes ins Wasser springt, braucht ihr ihm doch nicht nachzuspringen. Du weißt, mein liebes Kind, ich sehe es nicht gern, wenn du rauchst, und ich möchte in Zukunft bitten, daß du es mit deinen fünfzehn Jahren noch läßt. Eßt Schokolade, das ist für euch weit gesünder als dieser Unsinn. Nicht wahr, du gibst dem Großchen recht?«

      »Sei mir nicht böse, Großchen, aber so ganz recht hast du diesmal nicht. Trotzdem verspreche ich dir, daß die nächste Versuchung an mir vorübergehen wird.«

      So war der Frieden zwischen Großmutter und Enkelin wieder hergestellt.

      Drei Tage später erhielt Goldköpfchen vom Vater nicht nur die gewünschten drei Mark, sondern einen Fünfmarkschein, mit dem Bemerken, daß Herr Wagner sich ja denken könne, wozu seine Tochter jetzt vor Weihnachten das Geld brauche. Sie solle sparsam damit umgehen und bei ihrer Heimkehr Bericht darüber erstatten.

      Bärbel strahlte vor Glück. Fünf Mark hatte sie für den geliebten Armin Rabes. Jetzt war die Bekanntschaft gesichert. Er würde sich nicht so reich beschenken lassen, ohne die Spenderinnen zu belohnen.

      Nun galt es, Kriegsrat abzuhalten. Die anderen Mitschülerinnen brauchten nichts zu wissen; nur Edith Scheffel nahm teil an allen Plänen.