Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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      »Du bist ja dumm«, tadelte Edith. »Er will uns ungestört sprechen. Von keinem sollen wir belauscht werden, wer weiß, was er uns zu gestehen hat.«

      Diese Aussichten söhnten Bärbel sofort wieder aus. Dann versanken die jungen Mädchen in die schönsten Träumereien, sie dachten an Handkuß, ein neues Wiedersehen, an Freikarten, vielleicht schenkte er jeder eine Blume. – Ach, es würde herrlich sein!

      Endlich kam der Sonntag heran. Frau Lindberg hatte ihre liebe Not mit der Enkelin. Während sich Bärbel sonst die Mütze rasch auf die goldenen Locken drückte, wollte heute der Hut nicht recht sitzen.

      »Ich finde, der Hut macht mich alt, Großchen. – Ist das Kleid auch nicht zu lang? – Oh, am Absatz ist ja noch ein Schmutzfleck. Großchen, habe ich nicht seit der vorigen Woche viel dickere Hüften bekommen?«

      Diese Fragen nahmen kein Ende, und schließlich mußte Frau Lindberg drängen: »Beeile dich, Bärbel, sonst muß er zu lange warten.«

      Dann erschien Edith. Auch sie hatte sich heute besonders festlich gekleidet.

      »Mir zittert das Herz«, sagte Bärbel, »ob er schon da ist?«

      Punkt vier Uhr betraten die beiden Mädchen das kleine Café. Nur ein alter Herr saß an einem der Tische und las die Zeitung. Sie wählten die hinterste Ecke. Man fragte sie, ob sie etwas genießen wollten; die beiden jungen Mädchen erklärten, sie müßten noch etwas warten, der Herr, der sie eingeladen habe, käme noch.

      Die Herzen der Backfische schlugen von Minute zu Minute stürmischer. Man hörte Bärbels schweres Atmen.

      Dann öffnete sich die Tür, er, Armin Rabes, erschien, schaute eine Sekunde umher und steuerte dann geradeswegs auf die beiden jungen Mädchen zu.

      »Er ist’s«, hauchte Bärbel.

      »Guten Tag, meine verehrten Damen, habe ich die Freude, die liebenswürdigen Spenderinnen vor mir zu sehen?«

      »Ja.«

      »Ich danke Ihnen recht herzlich, aber ich bitte Sie dringend, machen Sie sich in Zukunft nicht solche Ausgaben. Es reißt ein zu großes Loch ins Taschengeld.«

      »Oh …«

      »Haben die Damen schon etwas bestellt?«

      »Wir warteten.«

      »Natürlich Schlagsahne, nicht wahr, die essen junge Damen am liebsten.«

      »Wenn wir darum bitten dürften.«

      »Und Torte? – Haben Sie eine bestimmte Sorte?«

      »Uns würde alles herrlich schmecken«, hauchte Bärbel.

      Rabes ging für einige Augenblicke nach vorn. Die beiden Backfischchen sagten kein Wort, sie schauten sich nur verklärt in die Augen.

      Dann kehrte Armin Rabes zu den beiden zurück. Sie warteten nun darauf, wohin er sich setzen würde. Wer würde Siegerin sein? An wessen Seite nahm er Platz?

      Da kam auch schon der Kuchen und der Kaffee.

      »Nun lassen Sie sich alles recht gut munden, meine Damen; ich habe mich gefreut, Sie hier zu treffen. Sie entschuldigen mich wohl, denn ich habe noch eine eilige Verabredung. Und recht guten Appetit!«

      Er streckte beide Hände aus, drückte den jungen Mädchen die Rechte, dann ging er freundlich nickend davon.

      In stummem Schweigen schauten ihm beide nach. Endlich unterbrach Bärbel die beängstigende Stille.

      »Er ist weg!«

      »Das finde ich stark!«

      »Und dafür haben wir fünf Mark geopfert.«

      Wieder Schweigen. Dann plötzlich begann Bärbel mit größter Eile die Torte zu verzehren.

      »Ich vertilge sein Andenken.«

      »Wir müssen keinen Eindruck auf ihn gemacht haben, sonst wäre er geblieben.«

      »Wir sind ja dumm, Edith, er hat ganz andere, mit denen er spazieren geht und Kuchen ißt, dem sind wir ja viel zu kindisch. – Meinetwegen. Ich werde mich doch wieder an Hans Herwig halten, der liebt treuer. Ach, und dann müßte ich ja auch mal dem Herrn Wendelin schreiben. Er hat mir schon drei Karten geschickt. – Weißt du, das ist ein Freund meines Bruders, der mit ihm studiert.«

      »Was kümmert mich dein Bruder und sein Freund? – Ich bin so unglücklich.«

      Edith schob den Teller mit der Torte weit von sich.

      »Willst du nicht?« fragte Bärbel.

      »Nein, ich kann nicht essen.«

      »Dann esse ich es. Es wäre doch schade, wenn es stehen bliebe. Er hat es ja bezahlt. – Ist ihm ganz recht, wir haben auch für ihn Geld ausgegeben, und er ist noch billiger weggekommen als wir.«

      »Wie kannst du nur so gefaßt sein, Bärbel?«

      »Ich will dir einen Vers sagen, Edith, den mußt du beherzigen:

      Wenn auch das Herz vor Sehnsucht bricht.

      Mein süßer Freund, ich komme nicht.

      Ich bin aus festem, starkem Holz,

      Es sagte Nein mein Mädchenstolz.

      Dieses Gedicht hat mich einst vor einem tiefen Fall bewahrt. Nehmen wir also auch heute unseren Mädchenstolz zu Hilfe und vergessen wir den anderen.«

      »Na, dann gib mir meine Torte.«

      »Ach – die habe ich ja fast aufgegessen.«

      »Du bist ’ne nette Freundin.«

      »Wenn dir doch das Herz bricht und du nicht essen kannst?«

      »Na, dann wollen wir lieber fortgehen. Aber dieses Lokal betrete ich nicht mehr.«

      »Nein«, pflichtete Bärbel ihr bei, »denn hier sind wieder einmal unsere Hoffnungen zerbrochen.«

      Weihnachtsvorbereitungen

      Herr Apothekenbesitzer Wagner stellte drei Flaschen Portwein vor seine Gattin hin, die eifrig damit beschäftigt war, Pakete zu packen.

      »Hast du daran genug, Erna?«

      »Jawohl, eine Flasche für die kranke alte Anna, die andere für den armen Fischer, und die dritte bekommt die leidende Schwester des Briefträgers.«

      Frau Wagner war schon wieder damit beschäftigt, ein neues Paket zusammenzuschnüren, lächelnd schaute ihr der Gatte dabei zu.

      »Wirst du denn mit all deinen vielen Weihnachtsvorbereitungen fertig werden, kleine Frau?«

      »Hoffentlich, – mir schwirrt allerdings der Kopf, wenn ich daran denke, was noch alles zu erledigen ist. Heute nachmittag kommt Joachim mit seinem Freunde Wendelin. – Hast du denn für Herrn Wendelin die Zigaretten besorgt?«

      »Sie werden im Laufe des Tages hergebracht.«

      »Morgen mittag kommt Bärbel. Ich muß für das Kind heute nachmittag noch rasch die Briefbogen mit Monogramm abholen. Sie sind erst gegen sechs Uhr fertig. Ich bin aber trotz aller Arbeit so unendlich glücklich, endlich wieder alle meine vier Kinder um mich zu haben.«

      »Es sind fünf. Herr Wendelin ist doch auch dabei.«

      »Er ist immer so dankbar. Er, der kein Elternhaus mehr hat, soll dieses Jahr bei uns ein recht schönes Weihnachtsfest verleben. Ich kann ihm gar nicht genug danken wegen des prachtvollen Einflusses, den er auf unseren Joachim ausübt.«

      »Hast recht, liebe Erna. Joachim würde im nächsten Jahre niemals ins Examen gestiegen sein, wenn ihn Herr Wendelin nicht in den Fingern gehabt hätte.«

      Das Gespräch wurde durch lautes Geschrei unterbrochen, das aus zwei Knabenkehlen stammte. Die beiden Zwillinge, Martin und Kuno, waren sich wieder einmal in die Haare geraten.

      »Du