Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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Mark sind zehn Schachteln Zigaretten«, sagte Bärbel.

      »Wollen wir nicht lieber etwas Schokolade beipacken?«

      »Oder eine Büchse Ananas? Der Kaufmann drüben hat sie schon für eine Mark und zehn Pfennige.«

      »Die Auswahl ist schwer«, erklärte Edith. »Ob wir erst einmal heimlich anfragen lassen, welche Leidenschaften er hat?«

      Stundenlang wurde beraten, und endlich entschloß man sich doch für Zigaretten und Schokolade. Dazu sollte ein Gedicht gelegt werden, das die Bitte einschloß, ein einziges Mal den Künstler zu sehen und zu sprechen.

      Zigaretten und Schokolade waren längst gekauft, nur das Gedicht wollte nicht gelingen. Bärbel trug sich mit dem Gedanken, Gerhard Wiese zu bitten, irgendwo etwas abzuschreiben. Aber da kam sie bei Edith sehr schlecht an.

      »Wozu sollen wir einen so dummen Jungen in unser Geheimnis einweihen? Abschreiben können wir allein. Deine Großmutti hat doch sicherlich Gedichtbücher da.«

      »Ja, wir wollen mal suchen, ob irgendwo etwas paßt.«

      Bärbel schleppte Schiller, Goethe, Heine, Uhland und Chamisso herbei.

      »Wir wollen suchen.«

      Krampfhaft blätterten die beiden jungen Mädchen. Nichts wollte so recht passen, bis Bärbel plötzlich vor Begeisterung aufschrie:

      »Ich habe was! – Amalia heißt es! – Höre zu:

      Schön wie Engel von Walhallas Wonne,

      Schön vor allen Jünglingen war er.

      Himmlisch mild sein Blick wie Maiensonne,

      Rückgestrahlt vom blauen Spiegelmeer.

      Seine Küsse, paradiesisch Fühlen,

      Wie zwei Flammen sich ergreifen, wie

      Harfentöne ineinanderspielen

      Zu der himmelvollen Harmonie.«

      »Das ist ja ganz schön«, sagte Edith, »aber es steht doch nichts von Zigaretten und einem Wiedersehen darin.«

      »So machen wir noch einen Vers dazu, und wenn der auch nicht so schön ausfällt, – wenn nur der Anfang recht poetisch klingt.«

      »Also, dichten wir!«

      Nach einer vollen Stunde war der Vers endlich beendet.

      »Unsere Seelen dampfen dir entgegen.

      Diese Spende, sie sei dir genehm.

      Tritt entgegen uns, auf unseren Wegen,

      Denn wir flehen um ein Wiedersehn.«

      »Eigentlich reimt es sich nicht ganz«, sagte Edith.

      »Ach was, das merkt er nicht. Mir brummt der Kopf, wir schicken es so ab.«

      Alles wurde niedlich eingepackt, mit roten Seidenbändchen umwunden; dann gingen die beiden jungen Mädchen gemeinsam zur Post und gaben das Päckchen am Schalter ab.

      »Wird es aber bestimmt noch heute expediert? Es ist von größter Wichtigkeit?«

      Der Schalterbeamte lächelte. Er hatte die Adresse gelesen und ahnte, daß zwei Backfischchen dem vergötterten Armin Rabes ein Geschenk machen wollten.

      »Natürlich wird es heute noch expediert«, sagte der freundliche Sekretär, »morgen früh, mit der ersten Post hat er es.«

      »Oh«, hauchte Bärbel erfreut, »können Sie uns nicht genau die Minute sagen, in der das Päckchen bestellt wird?«

      »Zwischen acht und neun Uhr.«

      »Danke sehr.«

      Sie gingen davon.

      »Weißt du, Edith, ich werden morgen im Französisch nicht viel leisten, ich werde immerfort nur an ihn denken müssen. – Zwischen acht und neun Uhr bekommt er das Päckchen. Ob er wohl sehr glücklich darüber sein wird?«

      »Aber gewiß, – überglücklich!«

      »Ob er uns ein Wiedersehen ermöglicht?«

      »Er ist doch ein feiner Mann, er wird sich bestimmt bedanken.«

      »Ach, daß er es doch täte!«

      So unaufmerksam wie heute war Bärbel Wagner in der Schule noch nie gewesen. Doktor Gerlach, der Ordinarius, fand tadelnde Worte für seine Schülerin. Bärbel senkte nur ergeben den Kopf und flüsterte Edith zu:

      »Ich leide gern für ihn. – Ob er es schon hat?«

      Drei Tage vergingen in schwebender Pein. Bärbel war schon ganz niedergeschlagen.

      »Die schönen fünf Mark«, klagte sie, »er hat unser Geschenk angenommen und nicht recht beachtet. Wenn ich heute nochmals fünf Mark hätte, ich schickte ihm gewiß nichts.«

      »Ich gehe nie wieder ins Theater, wenn er spielt«, sagte Edith.

      »Man müßte ihm schreiben, was sich schickt.«

      »Ja, ja, Schauspieler sind mitunter ganz gewöhnliche Menschen.«

      »Da spielt er nun heute einen Prinzen, also einen ganz vornehmen Mann, und dabei bedankt er sich nicht einmal für solch ein fürstliches Geschenk. Ach, Edith, ich habe richtige Herzschmerzen, wenn ich an diese große Enttäuschung denke.«

      In der Tat war Bärbel durch diese Undankbarkeit des Angebeteten recht niedergeschlagen. Die fünf Mark, die sie zwecklos geopfert hatte, schmerzten sie. Was würde der Vati dazu sagen, wenn sie ihm alles erzählte? Sie hätte eine viel schönere Handarbeit für die Mutti kaufen können, als das geschehen war. Nun paffte dieser gräßliche Armin Rabes die Zigaretten in die Luft, die andere mit so großen Opfern erstanden hatten.

      Als Bärbel am heutigen Tage heimkam und ins Eßzimmer trat, hielt ihr die Großmutter einen Brief entgegen.

      Bärbel sah den großen, eleganten Umschlag, erblickte eine steile Männerhandschrift – der Herzschlag setzte ihr aus.

      Verstohlen äugte Frau Lindberg zu der Enkelin hinüber, dann machte sie sich am Büfett zu schaffen. Nun erst riß Bärbel das Schreiben auf. Ein einziger Blick glitt über die Unterschrift hinweg: Armin Rabes.

      »Großchen –!«

      Frau Lindberg wandte sich um, sie erblickte ein freudig glänzendes Antlitz, dann lag Bärbel an ihrem Halse.

      »Er! – er! – er!«

      Stammelnd berichtete das junge Mädchen, was man sich erdacht hatte, und lächelnd hörte Frau Lindberg zu. Wozu sollte sie jetzt noch Vorwürfe machen? Sie wußte selbst, daß man in der Jugend etwas zum Anschwärmen brauchte, nur ging Bärbel ein wenig zu weit, daß sie für den Schauspieler auch noch Geld opferte.

      Mit zitternder Stimme las Bärbel die wenigen Zeilen.

      »Meine sehr verehrten jungen Damen! Für den schmackhaften Gruß verbindlichsten Dank! Ich bitte meine beiden Freundinnen am Sonntagnachmittag, vier Uhr, in der Konditorei von König zu sein, um mich persönlich bedanken zu können. Mit freundlichen Grüßen Armin Rabes«

      Bärbel aß am heutigen Mittag kaum etwas. Röte und Blässe wechselten auf dem frischen Mädchengesicht. Gleich nach dem Essen wollte sie zu Edith eilen und litt Höllenqualen, daß sie es nicht sogleich ausführen durfte.

      Aber schließlich kam der ersehnte Augenblick, daß sie der Freundin die herrliche Überraschung mitteilen konnte.

      »Ich kann es nicht fassen, nicht glauben, mich hat ein Traum beglückt«, rief Bärbel immer wieder, »ach, daß es doch erst Sonntag wäre! Ich glaube, ich sinke vor Verlegenheit in die Erde.«

      »Und alle Umsitzenden werden uns sehen – er wird auf uns zukommen. Kennst du die Konditorei König?«

      »Nein.«

      Da ging man davon, um die Konditorei zu suchen. Sie befand sich in einer Nebenstraße,