Magda Trott

PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band


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draußen, der das Kind fragend anschaute.

      »Ach so, du bist die kleine Pflegetochter des Herrn Professor?«

      »Nein, ich bin das Pommerle.«

      »Ganz recht, so nimm diese Karte und sage dem Herrn Professor, daß ich meine Aufwartung machen möchte.«

      Pommerle reichte dem Herrn die Karte wieder hin und sagte laut und vernehmbar: »Du kannst wieder gehen, deine Aufwartung brauchen wir nicht.«

      »Nanu?«

      »Wir haben die Frau Krause, und die bleibt bei uns.«

      Damit drängte Pommerle den Herrn ziemlich energisch zurück, machte die Tür zu und drehte sogar noch den Schlüssel in dem Schlosse um.

      Medizinalrat Mittmann war wenige Augenblicke erstaunt, dann begriff er. Er lachte draußen so laut auf, daß es Pommerle noch hörte.

      Das kleine Mädchen eilte rasch zu Onkel Bender und sagte aufgeregt: »Du, Onkel, da draußen ist noch einer, der die Teppiche klopfen will, aber das macht doch die Frau Krause weiter. Ich habe ihn weggeschickt.«

      »Ist's vielleicht ein armer, alter Mann gewesen, Pommerle?«

      »Ja, ein alter Mann ist es gewesen.«

      »Vielleicht hat er Hunger.«

      »Ich geb' ihm ein Brot!« rief Pommerle begeistert. Schon eilte es davon, hinaus in die Küche und verlangte stürmisch von Auguste ein Butterbrot.

      Medizinalrat Mittmann klingelte zum zweiten Male.

      Wieder erschien Pommerle, öffnete die Tür einen kleinen Spalt und hielt ihm das Brot entgegen.

      »Iß, du armer, alter Mann.«

      Gänzlich verdutzt nahm der Medizinalrat das ihm aufgedrängte Brot entgegen, aber ehe Pommerle die Tür erneut schließen konnte, stellte Mittmann den mit einem Lackstiefel bekleideten Fuß dazwischen.

      »Kann ich nicht den Herrn Professor für einen Augenblick sprechen, Kleine?«

      »Der Onkel hat doch gesagt, ich soll dir ein Brot geben.«

      »Nimm mal diese Karte und gib sie dem Onkel ab, ich werde so lange warten.«

      Zögernd nahm Pommerle die Visitenkarte und trug sie dem Onkel ins Zimmer.

      »Der alte Mann will nicht weggehen, er schickt dir diesen Zettel.«

      Professor Bender warf einen Blick auf die Karte, las den Namen des Medizinalrates und rief entsetzt aus:

      »Dem Herrn hast du das Butterbrot gegeben?«

      »Ja, es ist dick gestrichen, er wird es gewiß schon gegessen haben.«

      Professor Bender begab sich selbst in den Flur, eilte zu der halb geöffneten Tür. Dort stand feierlich im Besuchsanzuge der erst kürzlich nach Hirschberg gekommene Medizinalrat Dr. Mittmann, ein Butterbrot in den mit hellen Handschuhen bekleideten Händen haltend.

      »Ich bitte tausendmal um Entschuldigung – –« Weiter kam der Professor nicht, denn beide Männer brachen in lautes Gelächter aus.

      Pommerle kümmerte sich nun nicht weiter um den alten Mann. Es hörte nur noch, daß im Herrenzimmer im Beisein der Tante furchtbar gelacht wurde. Daß es selbst den Grund zu dieser Heiterkeit gegeben hatte, ahnte es nicht.

      Am nächsten Tage war es endlich so weit, daß die Reise angetreten wurde. Mit der Bahn ging es zunächst nach Krummhübel. Dort sollte ein Frühstück eingenommen werden; nach Verlauf einer Stunde wollten Benders mit den beiden Kindern dann hinauf zur Kirche Wang steigen und vielleicht noch weiter wandern, um am Abend wieder nach Krummhübel zurückzukehren.

      Pommerles Herz klopfte zum Zerspringen. Scheu schlich es hinter Frau Bender her, staunte das schöne Hotel an, hatte das größte Interesse für die vornehmen Herren im Frack, die in dem großen Saale geschäftig hin und her liefen.

      Zunächst gab es für das kleine Mädchen so viel zu sehen, daß es gar nicht nach den Bergen schaute. Wie anders war doch hier alles als daheim. Auch Jule war zum ersten Male in seinem Leben verlegen. Er drehte ununterbrochen die Mütze zwischen den Händen, bis sie ihm Professor Bender aus der Hand nahm und an den Kleiderständer hängte. Und als nun gar Jule und Pommerle beauftragt wurden, vom Speisesaal aus nochmals hinauf ins Zimmer zu gehen, um der Tante das Handtäschchen zu holen, schlichen beide mit gesenkten Köpfen durch den weiten Saal und wagten nicht aufzusehen. Scheu kehrten sie nach einer Weile zurück. An der Tür zum Speisesaale stand der feine Herr im schwarzen Frack. Er öffnete vor den beiden Kindern die Flügeltür und machte eine Verbeugung.

      Wie gebannt standen die beiden und stauten den Kellner an, als sähen sie etwas Wunderbares. Dann riß sich Jule zusammen, machte eine Verbeugung, und Pommerle knixte tief. So standen sich die drei stumm gegenüber, bis der Kellner schließlich sagte:

      »Na, kommt mal rein.«

      Wieder ein Knix von seiten Pommerles, dann schlichen beide, als ob sie ein böses Gewissen hätten, durch den Speisesaal hin an den Tisch, an dem Benders saßen.

      Pommerle konnte nicht genug staunen. Ein anderer Herr im seinen Anzug stellte den Suppenteller vor sie hin. Das Kind sprang auf und machte wieder einen artigen Knix. Und als das Jule sah, folgte er dem Beispiel und verbeugte sich jedesmal, sobald ein Kellner in die Nähe des Tisches kam.

      »Ihr könnt jetzt ruhig sitzen bleiben,« sagte der Professor, »eßt brav, und wenn wir aufstehen, dürft ihr auch aufstehen.«

      Jule aber vergaß das Essen vollständig. Es gab gar so viel hier zu sehen. In silbernen Schüsseln trugen die Kellner das Essen hin und her. Auch den Mann an der Tür ließ er nicht aus den Augen. Er machte jedesmal eine Verbeugung, wenn ein neuer Gast den Saal betrat. Jule hätte es gar zu gern gesehen, wenn einer der Kellner, der ein vollbesetztes Tablett trug, ausgerutscht und hingefallen wäre. Das hätte einen Spaß gegeben.

      »Jule, willst du nicht endlich die Suppe essen?« mahnte der Professor.

      Der Knabe schrak zusammen, wollte gerade mit beiden Händen nach dem Teller greifen, um schneller zum Ziele zu kommen, da mahnte Frau Bender leise:

      »Dort liegt dein Löffel, Jule.«

      Das weitere Essen verlief ohne Störung. Professor Bender drängte schließlich zum Aufbruch.

      »Zunächst gehen wir zur Kirche Wang; dort rasten wir ein Weilchen, denn für unser Pommerle ist es die erste Gebirgstour. Wir werden uns die kleine, uralte Kirche besehen, und wenn unser Kleines nicht gar zu müde ist, gehen wir noch weiter.«

      So stieg man bergan. Jule hatte Pommerle fest an der Hand gefaßt und begann zu erklären.

      »Der Berg, der hier gerade vor uns steht, das ist die Schneekoppe, der höchste Berg der ganzen Welt! Und dort drüben liegt die Hampelbaude.«

      »Hampelbaude, – was ist denn das für ein Name?«

      »Dort macht man die Hampelmänner,« erklärte Jule, der mit seinen Kenntnissen immer gern prahlte.

      »Und wo wohnt Rübezahl?«

      »Hinter der Schneekoppe.«

      »Gehen wir dort hinauf?«

      »Möchte schon.«

      »Wir müssen doch aber zu Rübezahl!«

      »Ich möchte auch hin, aber ich weiß nicht, ob der Alte will.«

      »Der Alte, – der Rübezahl?«

      »Nee, dein Onkel.«

      Während der Professor mit seiner Frau langsamen Schrittes folgten, schritten die beiden Kinder immer rascher aus. Jule hatte ununterbrochen zu erzählen. Er sprach von Rübezahls Schloß, von seinem Lustgarten, von seiner Kanzel, von der er bei Vollmondschein um Mitternacht predigte, von den riesigen Gold- und Silberschätzen, die im Innern der Berge lägen, und anderes mehr.

      So war denn sehr bald die Kirche Wang erreicht, wartend blieben