Magda Trott

Pucki


Скачать книгу

den Daumen, dass ich es schaffe und dass ich das Examen gut bestehe.«

      »Nutzt es dann? Willst du das Examen bestehen?«

      »Selbstverständlich, ich würde sehr traurig sein, wenn es missglückte.«

      »Na, dann will ich immerfort meinen Daumen drücken. Großer Claus, welchen soll ich denn drücken?«

      »Das ist einerlei, wenn du nur drückst!«

      »Ist es so richtig?« Pucki presste den kleinen Daumen mit den Fingern der anderen Hand.

      »Freilich, jedes Mal, wenn du an mich denkst, musst du drücken«, lachte er.

      »Ich denk' immerzu an dich, großer Claus! – Ich weiß, wenn ich schlafen gehe, lege ich mich immer auf den Daumen, dann wird er gedrückt, und der Mucki sage ich, sie kann ruhig den Daumen in den Mund stecken. Das soll sie sonst nicht, aber das macht sie. Wenn sie tüchtig auf dem Daumen herumbeißt, wirst du das Examen in der Stadt schon machen können.«

      »Nein, Daumenlutschen nützt nichts, nur Daumendrücken. Und nun, kleine, liebe Pucki, habe ich dir zum Abschied auch etwas mitgebracht. Hier, das hänge dir um den Hals, dabei denkst du an den großen Claus.«

      Er reichte ihr ein Kettchen, an der ein goldenes Herzchen hing.

      »Ist das schön! Mach mir das doch gleich um. Hast du das gekauft?«

      »Ja, Pucki, beim Kaufen habe ich daran gedacht, dass meine kleine liebe Pucki genau ein solches goldenes Herzchen hat wie das hier.«

      Sie tippte auf das Herz. »Dann hängt mir also mein Herz jetzt um den Hals.«

      »Ja, dabei sollst du denken, dass es sehr schön ist, wenn ein Mensch ein goldenes Herz hat. Tut er etwas Schlechtes, so wird das goldene Herz schwarz.«

      »Dann putzt es die Minna.«

      »Nein, ein Herzchen geht nicht blank zu putzen. Man muss sich Mühe geben, dass es immer so golden bleibt.«

      Pucki war sehr stolz auf das kleine Schmuckstück, das sie heute zum Abschied vom großen Claus erhalten hatte. Es war nur traurig, dass es ein Abschiedsgeschenk war, und dass sie den großen Claus nun viele Wochen nicht mehr sehen würde. Ein schwacher Trost war der, dass er zu den Herbstferien wiederkommen und dann mit Pucki durch das raschelnde Laub wandern wollte.

      Rose bekam von Claus eine niedliche Perlenkette. Pucki betrachtete sie lange, zog dann den Freund zur Seite und flüsterte ihm ins Ohr:

      »Hast du die Rose lieber als mich?«

      »Ich habe euch beide recht lieb.«

      »Ach – ich möchte aber, dass du mich ein ganz kleines bisschen mehr lieb hast.«

      Und Claus Gregor beugte sich nieder und tuschelte der Kleinen ins Ohr: »Pucki, dich habe ich am allerliebsten von allen den Mädchen, die in den Wald gekommen sind.«

      Die Augen des Kindes strahlten.

      »Das brauchst du aber keinem zu sagen, das ist unser Geheimnis.«

      »Au fein! Nun haben wir wieder mal ein Geheimnis. – Großer Claus, ich habe Geheimnisse furchtbar gern.«

      Es war ein schmerzlicher Augenblick, als Claus dem kleinen Mädchen zum Abschied die Hand reichte.

      »Leb wohl, Pucki, und wenn ich wiederkomme, frage ich dich, ob du in der Schule fleißig gelernt hast. Wir wollen nun um die Wette lernen. Willst du?«

      »Wenn du willst, dass ich lernen soll, dann lerne ich. – Ich muss jetzt schnell lesen lernen, damit die alte Großmutter reich und glücklich wird.«

      »Das ist recht, Pucki, dann freut sich der große Claus über dich. Und nun leb wohl.«

      Sie wollte noch ein Stück Weges mit ihm gehen, doch Claus wehrte ab. »Du bleibst im Garten bei Rose und winkst mir nur nach.«

      »Ach, großer Claus – –.« Pucki hatte Tränen in den Augen.

      »Leb wohl, Pucki.«

      Rasch schritt er aus. Beim Umwenden bemerkte er, dass Pucki mit beiden Ärmchen winkte. Da bog er schnell in den ersten Seitenpfad ein, um dem Kinde den Abschiedsschmerz zu verkürzen. Pucki stand jedoch noch lange am Gartenzaun. Endlich ging sie traurig ins Haus, lief in die Küche und sagte zu Minna: »Ach, ich bin so furchtbar traurig. Der große Claus ist weg – die Rose geht weg – oh, es ist schlimm!«

http://gutenberg.spiegel.de/gutenb/trott/pucki02/bilder/0123.jpg

      »Ja«, sagte Minna, »Scheiden ist ein schweres Wort. Aber ich habe ein Mittel gegen deine Schmerzen.«

      »Was haste denn?« fragte Pucki sehr interessiert.

      »Wir haben soeben Krapfen gebacken. Willst du einen?«

      »Zwei, Minna, denn der Claus geht weg, und die Rose geht weg.«

      Sie bekam die zwei Krapfen, und das schwere Kinderherz wurde dadurch wesentlich erleichtert. – –

      In den letzten beiden Tagen, während welcher Rose noch im Forsthause weilte, bemühte Pucki sich nach Kräften, der kleinen Freundin recht viel Liebes zu erweisen.

      »Mutti, darf ich ihr etwas schenken? Der große Claus hat mir doch auch das Herzchen geschenkt.«

      »Gewiss, mein Kind, ein Andenken soll Rose mitnehmen. Wir geben ihr für ihre Mutter Lebensmittel mit, und du magst Rose eine Freude machen. Frage sie mal, was sie gern haben möchte.«

      Sofort lief Pucki zu Rose. »Ich will dir was schenken, was du gerne haben möchtest. Du sollst dich auch in deinem Hofe noch darüber freuen, wenn du keinen Wald mehr hast. – Was möchtest du denn haben?«

      »Ein bisschen Wald, ich möchte ein paar schöne, grüne Zweige mitnehmen dürfen.«

      »Ach, das kannst du!«

      »Und auch ein paar Blümchen.«

      »Ich möchte dir aber ganz was Schönes schenken. – Willst du eine Puppe von mir? Ich gebe sie dir gern, denn ich hab' dich lieb.«

      »Den Harras möchte ich auch mitnehmen.«

      »O – – nein, den Harras können wir dir nicht geben, der muss doch aufpassen, dass der Wald nicht brennt, er muss auch mit Vati in den Wald gehen, damit der Vati den Weg findet. Der Harras riecht das.«

      »Nein, Pucki, den Harras lasse ich dir hier, er würde krank werden, hätte er den großen Wald nicht mehr.«

      »Soll ich dir mein Kleidchen schenken?«

      »Das passt mir doch nicht, Pucki.«

      »Ich möchte dir doch so gern was schenken«, sagte Pucki weinerlich, »was ganz Schönes.«

      Rose umarmte mit beinahe leidenschaftlicher Heftigkeit das kleine Försterkind. »Du sollst mich lieb behalten und deiner Mutti sagen, dass ich mal wieder zu euch in den Wald kommen darf. Das ist das Allerschönste, und dann möchte ich – – ja, das möchte ich gern – dass du zur alten Schmanzgroßmutter gehst und ihr bald was vorlesen kannst.«

      »Ja, Rose, ich gehe zur Schmanzgroßmutter, ich lerne an jedem Tag lesen.«

      »Mehr brauche ich nicht. Ich bin so froh hier gewesen, wie noch nie, das vergesse ich im ganzen Leben nicht mehr.«

      »Der Thusnelda habe ich meine Schuhe geschenkt, und dir darf ich nichts schenken. Der große Claus hat dir doch auch was geschenkt.«

      »Deine Mutti soll mich wiederkommen lassen, das ist das allerschönste Geschenk.«

      »Na gut«, meinte Pucki energisch. »Du kommst bald wieder, ich hole dich dann vom Bahnhofe ab. – Weißt du, du könntest auch im Winter kommen. Dann bauen wir einen großen Schneemann.«

      »Nein, Pucki, lieber im Sommer, wenn der Wald grün ist und die Vögel so schön singen, ich höre sie so gern.«

      »Oh,