erwiderte die Gestalt mit einem Schauder, »das würde doch Fröhlichkeit erzeugen.«
Der Freiherr betrachtete seinen seltsamen Gast abermals von Kopf bis zu Fuß und kam zu dem Schluß, daß es wirklich ein kurioser Kauz wäre. »Nimmst du denn an allen Fällen, wie dem meinigen, so tätigen Anteil?« fragte er endlich.
»N-nein«, sagte das Gespenst ausweichend, »aber ich bin immer zugegen.«
»Um zu sehen, ob alles in Ordnung ist? Was?«
»Ja«, gab das Phantom zu, mit dem Pfahle spielend, dessen Eisenbeschlag es sorgfältig untersuchte. »Aber mach schnell jetzt. Ich wittere, daß ein junger Herr, der zuviel Geld und freie Zeit hat, gegenwärtig meiner dringend bedarf.«
»Was? Einer will sich umbringen, weil er zuviel Geld hat?« rief der Ritter, nicht wenig erheitert. »Ha, ha, ha, das ist eine kuriose Idee.« Es war seit langer Zeit, daß der Freiherr wieder einmal lachte.
»Ich rate dir«, verwies der Geist ernstlich gekränkt, »laß das in Zukunft.«
»Warum denn?«
»Weil es mir durch Mark und Bein geht. Seufze lieber. Das tut mir wohl.«
Der Freiherr seufzte unwillkürlich, und das Gespenst war sofort wieder heiter und reichte ihm mit ausgesuchter Höflichkeit das Jagdmesser hin.
»Hm. Kein übler Gedanke, sich den Hals durchzuschneiden, weil man zuviel Geld hat«, brummte der Freiherr und prüfte die Schneide des Messers.
»Nicht schlimmer, als wenn sich jemand umbringt, weil er wenig oder gar keins hat«, meinte das Phantom.
Sprach der Geist aus Unvorsichtigkeit so, oder hielt er den Entschluß des Freiherrn für so fest gefaßt, daß er nicht mehr umzustoßen sei? Ich weiß es nicht, aber jedenfalls hielt der Freiherr in seinem Vorhaben plötzlich inne, riß die Augen weit auf und sah ganz so aus wie jemand, dem mit einem Male ein Licht aufgeht.
»Eigentlich«, überlegte er, »ist nichts so schlimm, daß es sich nicht wiedergutmachen ließe.«
»Leere Truhen ausgenommen«, sagte das Gespenst.
»Na, die ließen sich schließlich vielleicht doch wieder füllen«, meinte der Freiherr.
»Keifende Weiber«, murrte der Geist unwirsch.
»Die könnte man zähmen«, entgegnete der Ritter.
»Dreizehn Kinder«, brüllte der Geist.
»Können unmöglich alle mißraten.«
Der Geist war augenscheinlich gräßlich wütend auf den Freiherrn, der auf einmal seine Ansichten so ganz und gar geändert hatte, aber er versuchte es, seinen Grimm unter einem Lächeln zu verbergen, und sagte, er würde sich dem Herrn Baron ungemein verpflichtet fühlen, wenn dieser mit seinen Scherzreden endlich aufhören wolle.
»Es ist mir nicht im geringsten eingefallen, zu scherzen«, versetzte der Freiherr.
»Nun, das freut mich«, sagte der Geist mit äußerst grämlicher Miene, »denn Scherz und gute Laune gehen mir furchtbar auf die Nerven. Also rasch, gib sie auf, diese traurige Welt!«
»Ich weiß wirklich nicht«, überlegte der Freiherr, mit dem Messer spielend; »sie ist allerdings sehr traurig, aber ich glaube nicht, daß die deine viel besser ist. Dein Aussehen wenigstens ist nicht besonders tröstlich. – Und welche Sicherheit habe ich schließlich, daß ich besser daran sein werde, wenn ich diese Welt verlasse?!« rief er und sprang auf. »Das habe ich wahrhaftig noch gar nicht bedacht.«
»Beeile dich!« drängte das Gespenst zähneknirschend.
»Hebe dich weg von mir!« rief der Freiherr. »Ich will nicht länger über meinem Unglück brüten. Vielmehr eine gute Miene dazu machen und es wieder mit der frischen Luft und der Bärenjagd versuchen. Hilft das nicht, so will ich ein Wörtchen mit meiner Gnädigen sprechen und die Schwillenhausens totschlagen.«
Mit diesen Worten warf sich der Ritter in seinem Stuhl zurück und lachte so laut, daß das Zimmer dröhnte.
Das Gespenst wich ein paar Schritte zurück und sah ihn mit einem Blick des größten Entsetzens an. Dann griff es wieder nach seinem Pfahl, stieß ihn sich mit aller Macht durch den Leib, heulte fürchterlich auf und verschwand.
Baron Saufaus sah das Phantom nie wieder. Da er wirklich entschlossen war zu handeln, brachte er die Freifrau und die von Schwillenhausen bald zur Vernunft und starb viele Jahre nachher als glücklicher, wenn auch nicht allzu reicher Mann, obschon ich in dieser Hinsicht keine bestimmte Auskunft zu geben vermag. Jedenfalls hinterließ er eine zahlreiche Familie, die unter seiner persönlichen Leitung zur Bären- und Eberjagd herangebildet worden war.
Mein Rat ist nun der, daß alle Männer, die aus ähnlichen Ursachen kopfhängerisch geworden sind, beide Seiten der Medaille betrachten mögen und die bessere an ein Vergrößerungsglas halten sollten. Fühlen sie sich dann noch versucht, ohne Sang und Klang aus der Welt zu scheiden, so sollten sie jedenfalls vorher noch eine lange Pfeife rauchen, eine Flasche Wein leeren und aus dem lobenswerten Beispiel des Freiherrn von Saufaus– –«
»Der Wagen steht bereit, meine Herrschaften!« rief der Postillion in das Zimmer. »Einsteigen! Einsteigen!«
Die Punschgläser wurden in aller Eile geleert und die Reise wieder fortgesetzt. Nikolas schlief gegen Morgen ein, und als er wieder erwachte, fand er zu seinem großen Leidwesen, daß während seines Schlummers beide, der Baron von Saufaus und der grauhaarige Herr, ausgestiegen und auf und davon waren.
Der Tag schleppte sich langsam genug hin, und abends, ungefähr gegen sechs Uhr, wurden Mr. Squeers, sein Hilfslehrer, die Knaben und das gesamte Gepäck vor dem neuen Gasthaus zum »Heiligen Georg« in Greta Bridge abgesetzt.
7. Kapitel: Mr. und Mrs. Squeers im häuslichen Kreise
Mr. Squeers ließ Nikolas und die Knaben mit dem Gepäck auf der Straße warten, um ihnen das Vergnügen, dem Wechsel der Pferde zuzusehen, nicht zu schmälern, und eilte ins Wirtshaus, um am Schenktische »die Beine ein wenig auszustrecken«. Nach einigen Minuten kam er »ausgeruht«, wie man aus der Röte seiner Nase und seinem Schlucksen deutlich entnehmen konnte, wieder heraus, und zugleich wurde ein schmutziger Einspänner und ein Karren, mit zwei Arbeitern davor, aus dem Hofe gezogen.
»Setzt die Knaben und die Koffer in den Karren«, befahl er, sich die Hände reibend. »Ich und dieser junge Mann werden den Einspänner benützen. Steigen Sie ein, Nickleby.«
Nikolas gehorchte, und nachdem Mr. Squeers die Mähre nicht ohne einige Mühe veranlaßt hatte, gleichfalls zu gehorchen, fuhren sie ab und ließen den mit soviel Kinderelend beladenen Karren langsam nachfolgen.
»Ist es noch weit nach Dotheboys Hall, Sir?« fragte Nikolas.
»Noch etwa drei Meilen«, versetzte Squeers. »Sie können übrigens hier unten das ›Hall‹ weglassen.«
Nikolas hustete, um anzudeuten, daß es ihm angenehm wäre, den Grund davon zu erfahren.
»Es gibt nämlich keine ›Hall‹ hier«, erklärte Squeers trocken.
»So?« sagte Nikolas nicht wenig befremdet.
»In London nennen wir es Hall, weil es besser klingt, aber hier herum kennt niemand etwas dergleichen. Es kann einer sein Haus eine Insel nennen, wenn es ihm beliebt. Soviel ich weiß, ist das durch keine Parlamentsakte verboten.«
»Allerdings nicht, Sir«, gab Nikolas zögernd zu und schwieg.
Squeers warf ihm einen schlauen Blick zu, aber da er ihn in Gedanken vertieft und keineswegs geneigt sah, weiter auf das Gespräch einzugehen, begnügte er sich, auf den Gaul einzuhauen, bis sie endlich am Ziele ihrer Reise anlangten.
»So, Mr. Nickleby, steigen Sie hier aus«, sagte er dann. »Heda! Holla! Das Pferd ausgespannt! Na, wird's bald?«
Nikolas hatte inzwischen Zeit, Beobachtungen anzustellen,