href="#ulink_a8cefb65-bf79-5bf2-92cf-cbeb27d480d3">24
Vgl. Roth, Joseph, Hiob. Roman eines einfachen Mannes. München 82006; Sachs, Nelly, Hiob. In: Dies., Fahrt ins Staublose. Frankfurt a.M. 1961, 95; Schmitt, Eric Emmanuel, Oskar und die Dame in Rosa. Zürich 92003; Willemsen, Roger/Brandt, Sofia/Brandt, Matthias lesen: Willemsen, Roger, Das müde Glück, Eine Geschichte von Hiob. Audio-CD (ROOFMUSIC). Bochum 2012.
Vgl. Rommel, 2011, 16.
Psalmen
Ingo Baldermann
Im Unterricht waren die Psalmen lange zu einem Schattendasein verurteilt, obwohl sie bis heute als große Dichtungen der Weltliteratur Dichter und Komponisten inspiriert haben. Sie waren seit jeher das Gebetbuch der Kirche. Doch erst in jüngerer Zeit hat das unvergleichliche didaktische Potenzial, das in ihnen liegt, wieder Beachtung gefunden (vgl. Literaturangaben).
Die grundlegende Entdeckung ist: Mit Worten der Psalmen können schon Kinder direkt kommunizieren. Das gelingt nicht mit dem Text eines ganzen Psalms, mag er noch so einfach erscheinen, wohl aber mit einzelnen ausgewählten Sätzen. Der Grund ist offenbar: Ein Ganztext distanziert, ein einfacher Satz aber spricht unmittelbar an und lässt diesen Abstand gar nicht erst entstehen.
Schon für M. Luther liegt die didaktische Bedeutung der Psalmen in ihrer tiefen Emotionalität.[1] Denn „das menschliche Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meer, das die Sturmwinde von allen Seiten umtreiben (…) Solche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und den Grund herausschütten“.[2] Das spiegelt sich in Luthers Übersetzung der Psalmen, und darin ist seine Übersetzung unüberholbar, auch didaktisch. Sie ist so elementar, dass sie auch heutigen Kindern immer wieder ganz nahe kommt.
|150|Nur: Was Luther hier als das „Herz“ bezeichnet, das emotionale Zentrum in mir, heißt in den Psalmen anders; es ist die Seele.[3] Sie ist in fast allen Psalmen ausdrücklich gegenwärtig, als Gesprächspartnerin, angeredet oder selbst redend; sie öffnet sich und bringt zur Sprache, was in ihren Tiefen ist.
Für den Unterricht sind wir genötigt, zuerst nach dem Elementaren zu fragen; und gleich wie wir das Wort „elementar“ verstehen: derart unmittelbar emotionales Reden wie in den Psalmen ist jedenfalls elementar. Das aber gibt uns eine andere Blickrichtung vor als der Exegese. Grundlegende exegetische Einsichten seien hier vorab genannt:
Bezeichnung und Aufbau
Das Psalmenbuch ist eine Zusammenstellung von 150 poetischen Texten unterschiedlicher Gattungen und Ursprünge. Es finden sich aber auch an anderen, meist profilierten Stellen der Bibel weitere Psalmen (z.B. Ex 15,1–18Ex 15,10096>18: Siegeslied am Schilfmeer; Dtn 32Dtn 32: Moselied; Ri 5Ri 5: Lied der Deborah; 1 Sam 2,1–11Sam 2,10096>11: Magnificat der Hanna; Lk 1,46–55Lk 1,460096>55: Magnifikat der Maria; Lk 1,68–79Lk 1,680096>79: Benedictus des Zacharias). Für die uns im Psalmenbuch vorliegende Zusammenstellung sind bewusst 150 Psalmen ausgewählt worden.[4] Die unterschiedliche Zählweise lässt sich damit begründen, dass die LXX die Ps 9 und 10 sowie 114 und 115 jeweils als einen einzigen Psalm betrachten, die Ps 116 und 147 aber in zwei Psalmen zerlegen. Heute ist die Zählung nach der Hebr. Bibel üblich.
Der Begriff „Psalm“ bezieht sich auf die am häufigsten genannte Überschrift (hebr. mizmōr = griech. psalmos, vgl. Ps 3,1Ps 3,1; 4,1Ps 4,1 u.v.a.), was auf einen kantilierenden Sprechgesang hinweist.
Zur Zusammenstellung wird in der neueren Exegese auf Kompositionsbögen, makrostrukturelle Zusammenhänge, u.a. verwiesen, die die gattungsgeschichtliche Psalmenexegese, die primär Einzeltexte im Blick hatte, erweitern. Die 150 Psalmen sind in fünf Bücher[5] gegliedert, dabei haben einzelne Psalmen eine besondere Funktion wie beispielsweise die Königspsalmen als „hermeneutisches |151|Netz“ oder Ps 1 und 2 sowie 146–150 als doxologische Rahmenpsalmen. Sie verkünden als Lobpreis der universalen Schöpfung die endgültige Gottesherrschaft.
Die Entstehung und Verwendung des Psalters muss im Zusammenhang mit gottesdienstlichem Einsatz als Gebets- und Meditationsbuch erklärt werden, der gottesdienstliche „Sitz im Leben“ ist den Texten selbst teilweise mitüberliefert.
Dabei ist das vorliegende Psalmenbuch in seiner Endgestalt durch Aneinanderreihungen von Teilsammlungen entstanden, die chronologische Abfolge entspricht in etwa auch der Abfolge des Alters. Die Datierungshypothesen divergieren stark (5.–2. Jh. v. Chr.), heute datiert man die Endgestalt etwa zwischen 200–150 v. Chr.[6]
Hauptgattungen
In der Exegese steht der Begriff der Formgeschichte für den Durchbruch zu einer anderen Betrachtungsweise. Die formgeschichtlichen Forschungen im Gefolge H. Gunkels[7] versuchen, die einzelnen Psalmen in ihren unterschiedlichen Formen liturgischen Vollzügen zuzuordnen.
Dabei wird unterschieden zwischen folgenden Gattungen[8] in ihrem hier kurz skizzierten idealtypischen Aufbau:
Klagelieder des Volkes und des Einzelnen (Klage mit Bitte um Rettung; Bekenntnis des Vertrauens bzw. Lob[versprechen]),
Bittpsalmen (einleitende Bitte; Betonung der Unschuld; Schilderung der Not mit Bitte um Hilfe; abschließende Bitte mit Bezug zu Feinden/Freunden)
Hymnen/Lobpsalmen (Aufforderung zum Lob; Begründung und Durchführung des Lobes)
Dankpsalmen (Ankündigung des Dankes; Rettungserzählung; Einladung, sich dem Dank anzuschließen)
Man kann aber auch mit den Methoden der Formgeschichte wie in der Evangelienforschung hinter die vorliegende Form der Texte zurückfragen nach den elementaren Formen der mündlichen Überlieferung, und in dieser Zuspitzung ist die formgeschichtliche Frage ein Schlüssel auch für die didaktische Arbeit an den Psalmen.
Denn die literarische Kunstform der uns heute vorliegenden Psalmen ist das Endstadium; unsere Frage nach dem Elementaren verweist uns auf die Anfänge, |152|auf die Bausteine, aus denen die komplexe Endgestalt zusammengefügt ist, und da stoßen wir auf die einfachen Formen mündlicher Rede: emotional geladene, streng geformte Sätze, Klagen, Bitten oder Worte des Vertrauens – offenkundig Keimzellen, aus denen die Psalmen gewachsen sind – und eben dies sind die Sätze, zu denen Jugendliche und Kinder zuallererst Zugang finden.[9]
Didaktisch erster Zugang: die Klage
Als Impulse für das Gespräch haben wir diese Sätze ohne jeden Kommentar präsentiert – der Hinweis auf Alter und Herkunft hätte unweigerlich schon wieder Distanz geschaffen –, auf große Karten geschrieben und so in unterschiedlichen Anordnungen verwendet.[10] Diese Psalmensätze aber sind nicht beliebig einsetzbar; sie ordnen sich zu einer didaktisch bindenden Reihenfolge, die auch theologisch interessant ist:
Die Sätze, die allen Kindern und Jugendlichen unmittelbar zugänglich sind, ohne weitere Voraussetzungen, sind Worte der Klage. Offenbar sind sie die elementarsten Worte der Psalmen; jedenfalls sind es Worte, in denen schon Kinder sich unmittelbar wiederfinden:
Ich rufe, und du antwortest nicht (22,3Ps 22,3).
Ich bin wie ein zerbrochenes Gefäß (31,13Ps 31,13).
Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist (69,3Ps 69,3).
Warum hast du mich verlassen? (22,2Ps 22,2).
Folgen wir unserer didaktischen Analyse, so ist dies die erste Überraschung: Die erste Stufe des Psalmengebets ist nicht das Lob, sondern die Klage. Und die zweite überraschende Entdeckung ist: Dies ist keine religiöse Sprache, sondern eine ganz elementar menschliche Sprache, Kinder und Jugendliche ohne jede religiöse Sozialisation verstehen sie unmittelbar.
Und die dritte Überraschung: Die Gotteserfahrung müssen wir nicht