wär de mitwoch, ja wann ever, des macht mir niks aus, vormidags sain ich imer dou. Do werscht du in town bei Midach oder sou. Well, ach nachmidach iz all right, kolsd mich erscht for sure mache. Mei grandchild kommt jo net haam bis drai Uhr, jetz kommt-s grad reigelowwe, dou is es jo, des’ mei grand ... wie saacht me des, mei Engelje, ha? ‘S kann net Daitsch, wenn ich als emol bisje Daitsch sag, no saad-r »Grand-mother, was host-n gsaat?« in English, know, she ask: was host-n gsaat, ‘s kann-s net versteh, see.
– Frau B spricht eine besondere Sprache. Diese ist aus einer Mischung einer speziellen, vielleicht älteren Variante des Deutschen mit dem Englischen hervorgegangen.
– Frau B benutzt zwei Einzelsprachen: Sie wechselt in ihrem Parole-Akt zwischen dem Gebrauch einer Variante des Deutschen (oder einer dem Deutschen eng verwandten Sprache) und dem Englischen ab.
Die beiden Lösungsmöglichkeiten (die richtige findet sich im Anhang) machen nun schon deutlich, warum es so schwierig ist, genau zu bestimmen, was eine Einzelsprache ist, und warum es dementsprechend auch nicht möglich ist, genaue Angaben über die Menge der existierenden Einzelsprachen zu machen.
Varietäten
Einzelsprachen treten in verschiedenen Unterarten auf. Man spricht hier von Varietäten (auch: Lekten, aus Dia-lekt). Die Frage ist: Was berechtigt uns, verschiedene Varietäten als solche einer Sprache zu behandeln? Gibt es z.B. die Sprache Rätoromanisch, d.h. ist es berechtigt, Sursilvan, Vallader usw. als eine Sprache zusammenzufassen? Wann liegen noch Varietäten einer Einzelsprache vor, ab wann muss oder kann man von mehreren eigenständigen Sprachen reden? Ist z.B. Amerikanisch eine eigene Sprache oder eine Varietät des Englischen?
Dialekte und Idiolekte
Die bekanntesten Varietäten sind regionaler Art und werden Dialekte oder Mundarten genannt. Es gibt aber auch andere Varietäten: |7◄ ►8| Zum Beispiel sprechen Männer und Frauen nicht ganz gleich, Akademiker und Bauern nicht, Schüler und Rentner nicht usw. Letzten Endes spricht überhaupt jeder Mensch ein bisschen anders als jeder andere. Diese individuelle Sprache bezeichnet man als Idiolekt. Aber sogar die Idiolekte sind nicht einheitlich, d.h. auch ein und dieselbe Person spricht nicht immer gleich: Zum Beispiel drückt sich der Anwalt während der Gerichtsverhandlung anders aus als am Stammtisch.
Sprachstadien
Einzelsprachen verändern sich im Laufe der Zeit, treten also in historischen Varietäten auf. Diese bezeichnet man meist als Sprachstadien. Die Frage ist auch hier: Handelt es sich bei verschiedenen Sprachstadien um verschiedene Sprachen? Ist z.B. das heutige Deutsch eine andere Sprache als das Deutsch, das vor tausend Jahren benutzt wurde, oder betrachten wir es noch immer als dieselbe Sprache?
Sprachverwandtschaft
Verschiedene Einzelsprachen sind miteinander mehr oder weniger eng verwandt und einander daher mehr oder weniger ähnlich. Im historischen Prozess kann eine Einzelsprache sich in verschiedene Varianten aufspalten (z.B. [Vulgär-]Latein in Italienisch, Französisch, Spanisch usw.). Verschiedene Einzelsprachen oder Varietäten können sich aber auch aufeinander zu bewegen, dergestalt, dass sich auf ihrer Grundlage eine neue Varietät oder eine neue Sprache ausbildet (z.B. gibt es so genannte Ausgleichsmundarten, die weiträumiger verständlich sind als lokale Dialekte, und Standardsprachen werden normalerweise auf der Grundlage mehrerer Dialekte entwickelt). Die Frage ist: Wann sprechen wir von einer einzigen Sprache, wann von zwei (oder mehr) sehr eng verwandten Sprachen? Als eine oder zwei Sprachen kann man z.B. Flämisch und Niederländisch oder Dänisch und Norwegisch (Bokmål) ansehen. Diese sind ungefähr so gleich oder verschieden wie die deutsche Standardsprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Handelt es sich hier um eine oder drei Sprachen?
Sprachfamilien
Miteinander verwandte Sprachen bilden eine Sprachfamilie wie z.B. das Indoeuropäische, zu dem wie die meisten europäischen Sprachen auch das Deutsche gehört. Eine Sprachfamilie ist als eine Art Großfamilie zu verstehen und umfasst oft mehrere Gruppen von Sprachen, die einander sehr unähnlich sein können.
Mehrsprachigkeit
Die meisten Individuen sind mehrsprachig, d.h. sie beherrschen mehrere Einzelsprachen, zumindest aber mehrere Varietäten einer Einzelsprache. Einzelsprachen und Varietäten von Einzelsprachen können in Parole-Akten auch abwechselnd gebraucht bzw. gemischt werden (man spricht hier auch von Code-Switching). Wann sollen wir von der Mischung zweier Sprachen, wann von einer (Misch-) Sprache sprechen?
Um nun auch eine Vorstellung davon zu geben, wie sich das Problem der Abgrenzung von Einzelsprachen konkret darstellt, Textbeispiel 2: eine Liste von Parole-Akten, die alle denselben Inhalt haben; es |8◄ ►9| handelt sich um den Beginn des Johannes-Evangeliums. Sie sind (fast ausschließlich und so gut es geht) in Schriftzeichen wiedergegeben, die im heutigen Deutsch verwendet werden. Wie viele Sprachen kann man dort unterscheiden? Welche gehören enger zusammen? (Die Auflösung findet sich im Anhang.)
Textbeispiel 2: Im Anfang war das Wort
1. | Im Anfang war das Wort |
2. | Au commencement était le Verbe |
3. | I begynnelsen var Ordet |
4. | Hadjime ni kotobaga atta |
5. | Aum aunfaung is des wuat gwesn |
6. | I begynnelsn fanns Ordet |
7. | In anaginne uuas uuort |
8. | Am Aafang isch ds Wort gsii |
9. | Fil bid i kanat al kalima |
10. | Nel principio era la parola |
11. | In the beginning was the Word |
12. | Al principio era el verbo |
13. | De peschin de gotin bu |
14. | In deme anbeginne was dat wort |
15. | Hapo mwanzo kulikuwako neno |
16. | Au début était la parole |
17. | In die begin was die Woord |
18. | Upotschetku bješe rijetsch |
19. | En la komenco estis la Vorto |
20. | Alussa oli sana |
21. | Am aneuang was das wort |
22. | Fil-bidu kienet il-Kelma |
23. | Pada mulanya adalah Firman |
24. | In dem beginne was daz wort |
25. | Iesakuma bija Vards |
26. | La îuceput era Cuvîntul |
27. | Kezdetben vala az íge |
28. | Da principi eira il pled |
29. | Na poczatku bylo slowo |
30. | I begyndelsen var Ordet |
31. | In principio era il Verbo |
32. | Im anfang war dz wort |
33. | En archä än ho logos |
34. | Am Aafang isch s Wort gsii |
35. | In den beginne was het Woord |
36. | I’ upphafi var Orðið |
37. | In principio erat Verbum |
38. | Em ofang isch s wort gseh |
39. | Khamput naii ton roemton |
40. | Ne fillim ishte Fjala |
Unmittelbar gegeben ist nur parole
Fazit: Wenn wir von Einzelsprachen reden, als handele es sich dabei um relativ klar gegeneinander abgegrenzte Kommunikationsmittel, vereinfachen wir die Sachlage sehr stark. Unmittelbar gegeben ist nur parole. Und die Zuordnung von Parole-Akten zu Einzelsprachen ist nicht unproblematisch, da es tatsächlich zwischen verwandten Sprachen und Varietäten nur fließende Übergänge gibt. Auch historisch liegen keine Sprünge von einem Sprachstadium zum nächsten vor, sondern nur ein kontinuierlicher Wandlungsprozess. Und schließlich sind auch nicht miteinander verwandte Sprachen und Varietäten keineswegs strikt gegeneinander abgegrenzt, da sie miteinander in Kontakt treten und sich wechselseitig beeinflussen können.
Dennoch müssen wir natürlich gewisse Einteilungen vornehmen, schon um uns miteinander verständigen und das Forschungsfeld abstecken zu können. In den Abbildungen 1 – 3 daher einige Daten zu den wichtigsten Sprachfamilien und Sprachen und eine Übersicht über die indoeuropäische Sprachfamilie.
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Abb. 1: Sprachfamilien
Muttersprache (Mio. Menschen) | Amtssprache (Mio. Menschen) | Geschätzte
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