Kirsten Adamzik

Sprache: Wege zum Verstehen


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drei Verfolger das Ufer der Bucht erreicht hatten, bemerkte ich, dass nur zwei von ihnen schwimmen konnten. Der dritte blieb am Ufer stehen und kehrte wieder um. Die beiden anderen brauchten noch einmal so viel Zeit wie ihr Gefangener, um über die Bucht zu schwimmen.

      Ich konnte mich nicht länger zurückhalten. Jetzt war der Augenblick gekommen, mir einen Diener und vielleicht einen Gefährten und Freund zu verschaffen. Es schien mir, als hätte ich von der Vorsehung den Auftrag erhalten, das Leben dieses armen Geschöpfes zu retten. […]

      Der arme verfolgte Wilde hatte seine beiden Feinde niederfallen sehen, Blitz und Knall des Schusses aber hatten ihn so erschreckt, dass er stocksteif dastand und sich nicht von der Stelle rührte, obwohl man es ihm ansah, dass er am liebsten davongestürzt wäre. Ich rief ihn nochmals an, winkte ihm und machte beruhigende Gesten. Er verstand mich und kam tatsächlich langsam näher und näher, zitterte aber am ganzen Körper. Ich nickte ihm freundlich zu und gab ihm auf alle mögliche Weise zu verstehen, dass ich sein Freund war. Als er vor mir stand, kniete er nieder, fasste meinen Fuß und setzte ihn auf seinen Kopf, wie mir schien, um mir damit zu sagen, dass er mein Diener sein wollte und ich sein Herr war. Ich hob ihn auf und beruhigte ihn, so gut ich konnte.

      Allein, es gab jetzt noch mehr zu tun. Der erste Wilde, den ich niedergeschlagen hatte, war nicht tot, sondern nur betäubt und schien zu sich zu kommen. Als ich es merkte, zeigte ich auf den Niedergestürzten und mein Schützling sagte darauf einige Worte zu mir, die ich nicht verstand, die mich aber trotzdem vor Rührung fast erschauern ließen. Es waren die ersten Laute einer menschlichen Stimme, die ich seit fünfundzwanzig Jahren hörte! […]

      Ich hatte inzwischen die Ziegen gemolken, die sich in dem ganz in der Nähe liegenden Gehege befanden. Kaum sah er mich, so lief er auf mich zu, kniete sich mit allen Zeichen demütiger Dankbarkeit wieder auf den Boden und deutete mir seine Ergebenheit mit allen erdenklichen Gesten an. Ich verstand ihn ganz gut und machte ihm begreiflich, dass ich mich über ihn freute.

      Ja, ich freute mich ganz unbeschreiblich, wieder einen Menschen neben mir zu wissen. Weil der Tag, an dem ich meinen neuen Freund gerettet hatte, ein Freitag war, so nannte ich den Burschen »Freitag« und er begriff bald, dass dies nun sein Name war. Die Wörter »Ja« und »Nein« und ihre Bedeutung brachte ich ihm spielend bei, auch das Wort »Master«, mit dem er mich in Zukunft immer anredete. Dann gab ich ihm in einem irdenen Topf etwas Milch und zeigte ihm, wie ich Brot darin eintauchte. Er folgte meinem Beispiel ohne Scheu und aß sich satt. Die Nacht verbrachten wir miteinander in der Laube, als der Tag dämmerte, ging ich mit ihm zu meiner Festung zurück.

      Bei der Stelle, wo die beiden Toten verscharrt lagen, blieb er stehen und gab mir zu verstehen, dass wir sie ausgraben und aufessen sollten, und er war nicht wenig bestürzt, als ich meinen Abscheu davor ausdrückte, und folgte mir dann ganz unterwürfig.

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      Wir wissen allerdings alle, dass die Kommunikation sehr mühsam ist und dass die Mitteilungen auch nicht sehr differenziert und eindeutig sein können, wenn man auf keine anderen Mittel als deiktische und ikonische Zeichen zurückgreifen kann. Denn in diesem Fall muss man jede Wahrnehmung wieder neu – zum Teil unter Aufwendung von viel Fantasie – zu deuten versuchen. Erheblich einfacher und eindeutiger wird der kommunikative Zeichengebrauch, wenn man zum

      Konventionalisierte Zeichen

      – Gebrauch konventionalisierter Zeichen übergeht. In diesem Fall müssen sich mindestens zwei Zeichenbenutzer auf irgendeine Weise darüber verständigt haben, dass sie mit einem bestimmten Zeichenträger eine bestimmte Bedeutung verbinden wollen, z.B.: einmal in die Hände klatschen = bring mir etwas zu essen; zweimal in die Hände klatschen = bring mir etwas zu trinken. Im Allgemeinen sind es jedoch nicht gerade nur zwei Leute, sondern eine größere Gemeinschaft von Menschen, bei denen bestimmte konventionelle Zeichen vereinbart worden sind oder sich eingespielt haben.

      Auch ursprünglich ikonische Zeichen können konventionalisiert werden. Dabei wird der Zeichenträger in zunehmend stilisierter Form realisiert und ist oft keineswegs mehr aus sich heraus verständlich – vgl. z.B. die folgenden Ikone aus dem Computer:

.

      Hier geht es zunehmend darum, nicht einfach zu erkennen, welchem Objekt der Zeichenträger ähnelt, sondern einen bereits bekannten Zeichenträger wiederzuerkennen. Manche Schriftsysteme, z.B. das chinesische, sind aus ikonischen Zeichen entwickelt, aber keineswegs (mehr) einfach entschlüsselbar. Als Textbeispiel 5 finden Sie einen Versuch, den Inhalt der biblischen Schöpfungsgeschichte bildlich darzustellen; dabei wird schon vielfach auf konventionalisierte ikonische Zeichen zurückgegriffen (z.B. eine Faust mit hochgestrecktem Daumen, um auszudrücken: ›es war gut‹, aber sogar Ausrufungszeichen, um etwa Aufforderungen auszudrücken).

      Sprachliche Zeichen und Regeln zu ihrer Verknüpfung

      – Die Besonderheit von Sprachzeichen besteht nun darin, dass diese immer Bestandteil eines umfassenden Systems sind, nämlich einer langue. Einzelsprachen sind extrem komplexe Zeichensysteme, die dazu geeignet sind, mit einem kleinen Grundbestand von Elementen (Lauten bzw. Buchstaben) jedwede Bedeutung auszudrücken, und zwar nach bestimmten den Sprechern der jeweiligen Sprache vertrauten Regeln. Diese Regeln stellen sicher, dass die Interpretation einer Folge von Zeichenträgern nicht mehr weitgehend der Fantasie des Interpreten anheimgestellt ist. Es bedarf dazu jedoch nicht nur elementarer Zeichen, die z.B. einen bestimmten Gegenstand repräsentieren (etwa des Wortes Telefon statt des ikonischen Zeichens (

), sondern auch festgelegter Regeln dafür, wie man die elementaren Zeichen so miteinander kombiniert, dass auch komplexe Inhalte ausgedrückt werden können, und zwar so, dass die Bedeutung einer Zeichenfolge auch für andere (ziemlich) eindeutig erkennbar ist. Während man nämlich die Folge der ikonischen Zeichen
auf vielerlei Weise interpretieren kann, lassen die folgenden Sätze kaum noch Fragen offen: Jemand hat angerufen und gesagt, du sollst ihm einen Brief schreiben; oder: Ich habe noch viele Telefonate zu erledigen, muss Briefe schreiben, würde aber doch viel lieber an meiner Zeichnung weitermachen; oder: Hier kann man Telefonkarten, Briefmarken und Schreibgeräte kaufen …

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      Textbeispiel 5: Die Schöpfung

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      Über das Sprachsystem hinaus

      Wie bereits gesagt, besteht die Aufgabe der synchronen Linguistik im Sinne Saussures ausschließlich in der Beschreibung dieser einzelsprachlichen Systeme. Die Frage, die sie sich stellt, lautet: Wie funktioniert das System einer langue? Angesichts der Kompliziertheit der sprachlichen Zeichensysteme ist dies eine sehr große und schwierige Aufgabe, und deswegen war es auch zweifellos sinnvoll, dass sich die Linguistik so lange darauf konzentriert hat. Dennoch darf man nicht vergessen, dass die Fragen, die man sich angesichts des Phänomens der Sprache stellen kann, damit auf einen bestimmten Aspekt verengt werden.

      Wie Parole-Akte, die menschliche Verständigung, funktionieren, kann (und soll) damit nicht vollständig erklärt werden. Denn die Benutzung eines einzelsprachlichen Systems ist nur eine, wenn auch wohl die allerwichtigste Komponente bei diesen Prozessen. Tatsächlich greifen aber die Sprecher auch bei sprachlichen Äußerungen immer wieder zurück auf andere Formen des Zeichengebrauchs:

      Gestik und Mimik

      – Lautliche Äußerungen werden durch Gesten und Mimik ergänzt, bei schriftlichen Texten kann man zusätzlich Bilder und konventionalisierte ikonische Zeichen benutzen oder auch die konkrete grafische Gestaltung (z.B. Fettdruck, unterschiedliche Schriftgrößen oder -arten usw.) als Zeichenträger einsetzen.

      Kreation neuer Zeichen

      – Wenn man einmal über ein gemeinsames sprachliches Zeichensystem verfügt, ist es außerdem ganz leicht möglich,