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Gender@Wissen


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der binären Opposition der Status des Gegebenen, Unhintergehbaren zukomme, kritisierte u. a. Butler die „Metaphysik [<< 41] der Substanz“ als Effekt einer Bezeichnungspraxis, bei der die Begriffe als vorgängige oder außerdiskursive bezeichnet werden und damit deren diskursive Konstitution verschleiert werde.

      Diese Überschneidungen in der bislang getrennt verlaufenden Entwicklungsgeschichte der Geschlechter- und Wissenschaftsforschung verweisen nicht nur in die Zukunft eines gemeinsamen Forschungsprogramms, in dem die kritischen Ansätze aus beiden Disziplinen produktiv gebündelt werden können, sondern zugleich zurück auf die Anfänge des abendländischen Denkens, wo die Kategorie des Geschlechts – wenn auch häufig verschlüsselt oder verschwiegen – in den Konstituierungsprozessen des Wissens und der Wissenschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt hat.

      Der Begriff der ‚Kategorie‘ geht auf die Anfänge des abendländischen Denkens zurück, in welchem die Aristotelische Lehre von den zehn Kategorien den Schlüssel [<< 42] zum logischen Denken darstellte. Die Kategorienlehre von Aristoteles kennt bekanntlich kein Geschlecht. Wohl aber ist bereits bei Aristoteles das Geschlecht ein Gegenstand der Naturkunde. Es wird vorrangig in seinen naturphilosophischen Schriften in seiner Funktion für die Fortpflanzung thematisiert. Dort findet sich auch jene begriffliche Figur, die mit dem weiblichen Prinzip als passiver Matrix und dem männlichen als aktiver Formgebung das Denken über Geschlecht und die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem bis zur Entstehung der modernen wissenschaftlichen Disziplinen bestimmen sollte. Sie zeigt zugleich, wie eng die naturwissenschaftliche Beschreibung des Geschlechts mit der wissenschaftstheoretischen Reflexion bzw. mit der Kategorienlehre verflochten wurde. Denn für die aristotelische Philosophie war die Fortpflanzung der paradigmatische Fall des Werdens bzw. der Veränderung in der ersten Kategorie des Seins, der Substanz. Das Männliche steht für die Wirkursache, das Weibliche für die materielle Ursache. Was heute als soziale Konstruktion der Geschlechter gilt − dass Männer zur Fortpflanzung die Form, Frauen das Material beisteuern −, galt zur Zeit von Aristoteles als ‚Evidenz der Natur‘.