der Mutter und das schwingungsmäßige Sicheinstellen i. S. von Sterns (1992) „tuning in“ auf Kommunikationspartner darstellen (s. z. B. Schmölz 1985; Loos 1986; 1996; Gathmann et al. 1990; Schmidt 1999; Kächele et al. 2003). Musiktherapeuten arbeiten in den entsprechenden Kliniken in einem Team aus Ärzten, Psychologen, verschiedensten Therapeuten, Schwestern und Pflegern.
Psychotherapie, Psychosomatik
Aufgrund der großen Bandbreite von Erkrankungen und Störungen werden in der Psychiatrie Patienten auf den verschiedenen Stationen mit unterschiedlichen therapeutischen Konzepten behandelt, auf die der Musiktherapeut sich jeweils einstellen muss. Außer auf den explizit psychotherapeutischen Stationen ist Musiktherapie oft die einzige Form von Psychotherapie (also nicht medikamentöser Therapie), die diese Patienten erhalten. Insofern ist dieser Bereich für die Musiktherapie wichtig und zukunftsträchtig (Willms 1977; Strobel 1985; Baumgartner/Mahns 1986; Strobel/Huppmann 1991; Burghardt 1996; De Backer 1996; Metzner 1997; Storz 2003).
Psychiatrie
Die Arbeit mit geistig, körperlich und mehrfach behinderten Menschen ist eines der ältesten musiktherapeutischen Betätigungsfelder, da diese im Allgemeinen sehr stark auf Musik ansprechen (Koffer-Ullrich 1971; Rett/Wesecky 1975). Gerade im Hinblick darauf, dass Musiktherapie an frühe Interaktion anknüpft, ist sie für die Arbeit in diesem Bereich besonders gut geeignet (Alvin 1988; Becker 2002; Oberegelsbacher 2001, Halmer-Stein 2001; Orff 1985; 1990; Schumacher 1994; Niedecken 2003).
Behinderung
Seit etwa 20 Jahren wird Musiktherapie, und zwar in zunehmendem Maße, in der Neurologischen Rehabilitation eingesetzt. Die speziellen nonverbalen Qualitäten kommen gerade den Patienten zugute, bei denen aufgrund ihrer Hirnverletzung das Sprachzentrum gestört ist (Gadomski/Jochims 1986; Jochims 1990; 2005; Gustorff/Hannich 2000).
Neurorehabilitation
Für die Bereiche Onkologie, Palliation und Hospiz wurde in den letzten Jahren zunehmend das sog. Coping in seiner Bedeutung für ein humanes Gesundheitssystem erkannt. Dabei handelt es sich um ein Angebot seelischer Begleitung bei schweren, lebensverändernden Krankheiten, wie z. B. Krebs (Steidel-Röder 1993; Bossinger/Griessmeier 1994; Verres 1999), und beim Sterbeprozess. Es geht um das Recht auf einen würdigen Tod daheim bei den Angehörigen oder in speziell dafür eingerichteten Häusern, sog. Hospizen. In diesen arbeiten seit einigen Jahren zunehmend MusiktherapeutInnen, da sich künstlerische Medien hier oft besser eignen als klassische verbale Psychotherapie (Munro 1986; Dehm 1997; von Hodenberg 1999; Heinze 2003).
Onkologie, Palliation, Hospiz
Ebenfalls ein eher neuerer Arbeitsbereich für die Musiktherapie ist die Innere Medizin. Auch hier geht es um die emotionale Verarbeitung körperlicher Erkrankungen. Dies soll den Heilungsprozess unterstützen, indem der Patient Kontakt zu seinen gesunden Anteilen (Ressourcen) findet und Blockaden gelöst werden, die dem im Wege stehen (Röhrborn 1992; Decker-Voigt/Escher 1994; Aldridge 1999).
Innere Medizin
Moderne technologische Gesellschaften mit hoher medizinischer Kompetenz bei gleichzeitig geringer Zahl von Neugeburten sind überalternde Gesellschaften. Daher ist die Versorgung, Betreuung und Behandlung alter Menschen in Einrichtungen der Geriatrie eine zentrale Zukunftsaufgabe. Unser Gesundheitssystem hat die ethische Aufgabe, für das Senium einen würdigen Rahmen anzubieten. Musiktherapie kann helfen, Momente von Lebendigkeit und Heiterkeit zu spenden, wo Ermüdung und Depressionen leicht das Leben quälend werden lassen (Bright 1984; Aldridge 2000; Themenheft der Musiktherapeutischen Umschau 1997/2, Nr. 18). Musiktherapie kann darauf eingehen, dass die Erinnerung bei alten Menschen eine zentrale Rolle spielt. Musik und Lieder aus wichtigen Lebensphasen (Muthesius 2003), aber auch eine adäquate Aktivierung durch eigenes Musizieren und achtsame Bewegung wird angeboten. Neben der psychiatrischen Geriatrie geschieht dies in speziellen Institutionen wie Altenheimen oder geriatrischen Rehabilitationskliniken.
Geriatrie
Das Grundrepertoire an musiktherapeutischen Vorgehensweisen (s. Kap. 6 Praxeologie) wird in den verschiedenen Bereichen in jeweils der Situation adäquater modifizierter Form angeboten. Auf bestimmte Angebote muss dabei dann auch verzichtet werden, ohne dass dabei auf die Musiktherapie überhaupt – i. S. einer Kontraindikation – verzichtet werden muss. Bei genauerer, differentialdiagnostischer, Betrachtung werden auch die Möglichkeiten und Grenzen der Musiktherapie im Vergleich zu anderen nicht sprachlichen, zu leiborientierten und zu anderen künstlerischen Therapien deutlich, z. B., wann es für den Patienten in seiner momentanen Verfassung sinnvoller sein kann, in Stille für sich ein Bild zu malen und dabei ein konstantes Objekt zu schaffen (s. Timmermann 2004a, 166 ff.)
Indikation
Die Indikation zu Musiktherapie kann neben den dargestellten Praxisfeldern auch aus einer phänomenologischen Beschreibung von typischen Patienten der Musiktherapie sichtbar werden. Es sind dies:
●Menschen, mit denen sprachliche Kommunikation erschwert oder unmöglich ist, wie etwa Mutisten und Autisten, deren Verbalisierungsfähigkeit reduziert ist oder deren Störungen und Defizite aus der präverbalen Zeit stammen. Personen, die auch Bedarf an Nachreifung und Weckung von Ressourcen haben (Strobel 1990, 334 f.);
●Menschen, die einen erhöhten Bedarf an Ausdruck und Gehörtwerden haben; bei geringer Fähigkeit zu Triebaufschub und erhöhtem Bedarf an Katharsis und Regression; bei fehlender Symbolisierungsfähigkeit, Alexithymie; bei schwerster Ich-Desintegration; in existenziellen Extremsituationen (Oberegelsbacher 1998, 64);
●Menschen, die zu den benachteiligten psychosozialen Randgruppen unseres Gesundheitswesens zählen, weil sie wegen der oben beschriebenen Defizite von der Gesundheitspolitik als nicht therapiefähig eingestuft und damit von Therapie ausgeschlossen werden (Jochims 2001).
Auch die Frage der Kontraindikation von Musiktherapie stellt sich mit zunehmender Spezifität des Verfahrens. Allgemeine Kontraindikationen können sein: fehlende Motivation des Patienten; sehr hoher sekundärer Krankheitsgewinn oder Rentenwunsch; wenn Musiktherapie institutionell dauerhaft als Ersatz für mögliche reale Beziehungen dient oder aus Prestigegründen angeboten wird. Musiktherapie ist beispielsweise nicht indiziert als Kompensationsangebot für strukturelle Mängel in der Gesellschaft oder in ihren Institutionen, wie z. B. Behindertenwerkstätten (Oberegelsbacher 1990, 176). Oft werden auch bestimmte Personengruppen genannt, etwa akute Psychotiker, Berufsmusiker, suizidale Patienten, Suchtpatienten, die Musik wie eine Droge verwenden (Schroeder 2000, 289 f.). Bei vielen dieser Beispiele gilt, dass mit zunehmender Berufserfahrung die nötige Feinabstimmung und Dosierung des musiktherapeutischen Angebotes ein solches durchaus sinnvoll erscheinen lässt.
Kontraindikation
allgemein
Damit kommt die differentielle Kontraindikation in den Blick. Diese gilt viel häufiger als eine umfassende und wird als ein selektiver, maßgeschneiderter Verzicht auf gewisse Angebote unter bestimmten Umständen verstanden.
Kontraindikation
differentiell
In der Neurorehabilitation ist z. B. für einen Komapatienten im künstlichen Tiefschlaf Musiktherapie für jenen Zeitraum tabu, in dem er noch Sedativa erhält. Diese halten ihn in Ruhe, während Musik ihn gleichzeitig aktivieren würde. Das wäre eine gegensätzliche Botschaft (Gustorff/Hannich 2000). In der stationären Psychotherapie ist für eine angespannte Borderline-Patientin eine abendliche letzte Therapiestunde, in der sie kathartisch frei trommelt, zu spät. Sie kann anschließend die Kontrolle über ihren Triebdurchbruch vielleicht nicht mehr wiedergewinnen und riskiert einen Zusammenbruch, selbstdestruktive Handlungen bis hin zum Suizidversuch (Oberegelsbacher 2003, 100). Die vorübergehende emotionale Destabilisierung durch Musiktherapie und Ergotherapie – beide sind nicht so reflexiv wie eine analytische Gesprächstherapie – wurde bei dieser Störung in der Psychotherapieforschung von Löffler-Stastka und Kollegen festgestellt (2003; 2006).
Im interkulturellen Vergleich kann es ebenfalls Kontraindikationen geben. Der Ausdruck von Emotionen, der in einer extravertierten