Tonius Timmermann

Lehrbuch Musiktherapie


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Denken wir an die verbale Aufarbeitung nach einer Musikrezeption durch sofortiges Reden über intime eigene Empfindungen. Eine europäische aufdeckende Fragetechnik ist für den asiatischen Kulturkreis ungeeignet, wenn sie nicht abgewandelt wird. Stattdessen kann das Beschreiben von Gemütsbewegungen oder deren instrumentaler Ausdruck über Metaphern, Farben und Naturbilder angebahnt werden, wofür die japanische Kultur eine große Neigung hat (Shiobara 2006).

      kulturelle

      Kontraindikation

      Bradt, J., Dileo, C., Shim, M. (2013): Music Interventions For Preoperative Anxiety. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 6. Art. Nr. CD006908. John Wiley & Sons, Ltd.

      Evers-Grewe, B., Körber, A. (2012): Zum Stand der Leitlinienarbeit der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft (DMtG). In: Musiktherapeutische Umschau 4, 2012, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen, 363 – 369

      Frohne-Hagemann, I., Pleß-Adamczyk, H. (2005): Indikation Musiktherapie bei psychischen Problemen im Kindes- und Jugendalter. Musiktherapeutische Diagnostik und Manual nach ICD-10. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen

      Gold, C., Solli, H. P., Krüger, V., Lie, S. A. (2009): Dose–response relationship in music therapy for people with serious mental disorders: Systematic review and meta-analysis. In: Clinical Psychology Review 29, 193 – 2007

      Gühne, U., Weinmann, S., Arnold, K., Ay, E.-S., Becker, T., Riedel-Heller, S. (2012): Künstlerische Therapien bei schweren psychischen Störungen. Sind sie wirksam? In: Der Nervenarzt 2012 / 83, 855–860

      Hauck, M., Metzner, S., Rohlffs, F., Lorenz, J., Engel, A. K. (2013): The influence of music and music therapy on pain-induced neuronal oscillations measured by magnetencephalography. PAIN (2013), http://dx.doi.org/10.1016/j.pain.2012.12.016

      Illner, J., Smetana, M. (Hrsg.) (2011): Wiener Schule der differenziellen klinischen Musiktherapie – Ein Update. Wiener Beiträge zur Musiktherapie, Bd. 9, Praesens, Wien, 47–109

      Kraus, W. (Hrsg.) (1998): Die Heilkraft der Musik. C. H. Beck, München

      Münzberg, Ch. (Hrsg.) (2010): Musiktherapie in der Psychosomatik. Reichert Verlag, Wiesbaden

      Mössler, K., Chen, X., Heldal, T. O., Gold, C. (2011): Music therapy for people with schizophrenia and schizophrenia-like disorders. In: The Cochrane Library 2011, Issue 12.

      Nöcker-Ribaupierre, M. (Hrsg.) (2009): Musiktherapie und Schmerz. Reichert Verlag, Wiesbaden

      Rentmeister, U. (Hrsg.) (2006): Lärmende Stille im Kopf. Musiktherapie in der Psychiatrie. Reichert Verlag, Wiesbaden

      Schmidt, H. U., Kächele, H. (2009): Musiktherapie in der Psychosomatik. Entwicklung und aktueller Stand. Zeitschrift Psychotherapeut 1/2009

      Wigram, T., Nygaard Pedersen, I., Bonde L. (2002): A Comprehensive Guide to Music Therapy. Theory, Clinical Practice, Research and Training. Jessica Kingsley Publishers, London

      Zhang, F., Liu, K., An, P., You, C., Teng, L., Liu, Q. (2012): Music therapy for attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) in children and adolescents. In: The Cochrane Library 2012, Issue 8.

       von Dorothea Oberegelsbacher und Tonius Timmermann

      „Die Brille des Forschers steuert seinen Gegenstand,

      weswegen der Forscher erforscht werden muss.“

      (Wissenschaftstheorie nach Maturana)

      Wenn man an eine musiktherapeutische Wirkung denkt, scheint es zunächst immer um eine musikalische Wirkung zu gehen. Ist das wirklich so? Ist die Musik das Medikament in der Musiktherapie? Sind die Worte das Medikament in einer Gesprächstherapie? Oder was alles wirkt da in hoher Komplexität zusammen?

      Unbestritten ist zunächst einmal die Musik als Medium in der Musiktherapie – wie auch immer mit diesem Medium konkret gearbeitet wird (s. Kap. 6 Praxeologie). Auch gibt es in zeitgenössischen Richtungen der Musiktherapie Ansätze, die sich auf spezifische Wirkfaktoren musischer Elemente (z. B. bestimmter Intervalle, Skalen bei bestimmten Beschwerden) bzw. daraus resultierende methodische Systeme begründen, z. B. die Anthroposophische (s. Ruland 1981) und Altorientalische (Tucek 1997) Musiktherapie. Allerdings stehen noch immer kontrollierte Studien aus, die sich der psychischen Wirkung der verwendeten musikalischen Elemente systematisch annehmen. Somit bleiben die postulierten Wirkqualitäten bislang Arbeitshypothesen, die allerdings im jeweiligen Setting auch ohne Objektivierbarkeit durchaus wirksam sind.

      Es mag an der Sehnsucht des Menschen nach schmerzfreien Heilungsprozessen liegen, jedenfalls nimmt die Suche nach universellen Wirkfaktoren in der langen Geschichte der musiktherapeutischen Literatur einen relativ breiten Raum ein (s. a. Kap. 16 und Timmermann 1983b). Immer wieder geht es dabei um Grundfragen an das Medium, mit dem therapeutisch umgegangen werden soll: Wie wirkt Musik bzw. ihre Elemente? Gibt es verlässliche Standards oder ist alles beliebig oder nur situationsabhängig?

      Spezifischer

      Wirkfaktor

      Musik?

      Die Mehrzahl der heutigen MusiktherapeutInnen stimmt darin überein, dass Verallgemeinerungen bezüglich der Musikwirkung in der alltäglichen Erfahrung nicht bzw. nur sehr begrenzt feststellbar sind. Gleichzeitig will auch moderne Musiktherapie nicht ohne funktionelles Wissen über Musikwirkung im Bereich der Stimulation oder Relaxation auskommen, also beispiels-weise

      keine

      generalisierte

      Wirkung

      „ohne den beruhigenden Sechsachteltakt eines Wiegenliedes, ohne ein Metrum in der Frequenz des Ruhepulses, ohne tranceinduzierendes Klanggeschehen, ohne sinnstiftende Melodieverläufe oder auch Textpassagen“ (Oberegelsbacher/Timmermann 1999).

      Hegi entwickelt in seinen Büchern (1986; 1998) fünf Wirkungskomponenten der Musiktherapie: Klang, Rhythmus, Melodie, Dynamik und Form (1998, 51 f.). Diese können in musiktherapeutischen Interventionen gezielt eingesetzt werden. Allerdings gilt auch hier, dass die Intention des Therapeuten bezüglich des musikspezifischen Effektes und die tatsächliche Wirkung beim Klienten von vielen weiteren Faktoren abhängen.

      Der Beweis einer Objektivierbarkeit von Musikwirkung ist der Musikpsychologie und ihren wissenschaftlichen Metho-den der empirischen Wirkungsforschung bisher nicht gelungen (Gembris 1996). Zu groß ist die Zahl von Variablen, so dass man die Wirkung einer Musik kaum trennen kann von der Wirkung der Umstände, unter denen sie gehört wird (persönliche Erlebnisse mit dieser Musik, Geschmacksfragen, momentane Stimmung, die Beziehung zum Versuchsleiter und den anderen Versuchspersonen, die Atmosphäre der Testsituation usw.). Gleichzeitig erhebt sich aber auch die Frage, inwieweit ein moderner Musiktherapeut überhaupt an einer messbaren Objektivierung von Musikwirkung interessiert ist, wenn es ihm eigentlich um die individuellen Erfahrungen des Klienten geht?

      In der tiefenpsychologisch orientierten Musiktherapie geht es jedenfalls nicht um eine „pharmakologische“ oder „mechanistische“ Verwendung von Musik und ihren Elementen. Sie geht aus von der grundlegenden Bedeutung der therapeutischen Beziehung, die hier mit Hilfe der Musik als wesentlichem Faktor mitgestaltet wird. Die Wirkungen der Musik selbst werden innerhalb des Gesamtwirkungsgeschehens unter zwei grundsätzlichen Aspekten betrachtet: dem sich aktuell Ereignenden und diesem biografischen Hintergrund. Die entstehende Beziehungs- und Musikwirklichkeit wird weder als zufällig noch als beliebig betrachtet. Die Musik ist sinnvoll eingebettet in diesen Gesamtzusammenhang der Situation. Insofern ist sie nichts, was von außen hineingetragen wird. Sie repräsentiert die Gebundenheit an das Gegebene und Gewordene ebenso wie den Spiel-Raum im jeweiligen Schicksal. Sie folgt den Gesetzmäßigkeiten der Musik und den Freiheiten der Intuition.

      „keine