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Sprachtherapie mit Kindern


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      Situationen der gemeinsamen Aufmerksamkeit ermöglichen es den Bezugspersonen somit, Dinge oder Handlungen, auf die sich das kindliche Interesse richtet, zu versprachlichen. Nur in solchen Situationen der gemeinsamen Aufmerksamkeit kann sich ab dem Alter von etwa neun Monaten die Fähigkeit des Kindes, einen triangulären Blickkontakt herzustellen, entwickeln (Kauschke 2000; Zollinger 2010).

      „Als referentiellen oder triangulären Blickkontakt bezeichnet man die Fähigkeit des Kindes, seine Aufmerksamkeit zwischen einem Objekt und der Bezugsperson schweifen zu lassen und somit ein Dreieck zwischen sich, dem Referenten und der Person, die den Referenten benennt, herzustellen“ (Ulrich 2012, 38).

      Triangulieren Über das Triangulieren kann das Kind somit entdecken, dass Wörter Symbole darstellen, mit denen auf etwas referiert werden kann, das in der Realität oder in der Vorstellung existiert.

      Zum Ende des ersten Lebensjahres hin kann Anton seine Aufmerksamkeit zwischen der Mutter und dem Ball hin- und herschweifen lassen. So kann er beobachten, dass die Mutter in Spielsituationen mit dem Ball stets die Lautkette / bal / äußert und begreift, dass sich dieses Wort auf den Gegenstand des Balles bezieht (Triangulieren). Er erkennt, dass ein Wort ein Symbol „für etwas“ darstellt, das in der Realität existiert. Der Grundstein der Wortbedeutungsentwicklung ist gelegt.

      nonverbale Referenzbezüge Erste Referenzbezüge werden von spracherwerbenden Kindern nichtsprachlich, insbesondere über Gestik, hergestellt. Über das Hinschauen, das Recken der Arme oder das Hinlangen mit dem ganzen Körper machen Babys deutlich, wofür sie sich gerade besonders interessieren. Wenig später lässt sich das Zeigen mit dem Zeigefinger als erste deiktische Geste beobachten (Bruner 2008). Diese wird nach und nach durch den Gebrauch des „da“ sprachlich begleitet. Nach einer Phase der parallelen Verwendung von nonverbalen und verbalen Referenzmitteln nimmt der Gebrauch von Gesten im zweiten Lebensjahr der Kinder ab und der referentielle Gebrauch von Wörtern zu (Kauschke 2000; Füssenich 2002; Bruner 2008).

      Im produktiven Bereich erwirbt das Kind im ersten Lebensjahr die Fähigkeit, im Rahmen seiner noch eingeschränkten phonetisch-phonologischen Fähigkeiten willentlich erste einfache Lautketten hervorzubringen (Beitrag 1; Kauschke 2000).

      Protowörter Einige Kinder produzieren ab dem Alter von ca. neun Monaten sogenannte „Protowörter“. Hierbei handelt es sich um Äußerungen mit einer konstanten phonetischen Form, die jedoch nicht der konventionell gebrauchten Wortform entspricht (Kauschke 2000). Zudem werden diese Protowörter ausschließlich in spezifischen Situationen geäußert, erfüllen somit noch nicht das Kriterium „echter“ referentieller Wörter (Kauschke 2000).

      Um den ersten Geburtstag herum produzieren die meisten Kinder ihre ersten eigenen Wörter (zwischen zehn und 17 Monaten, Bloom et al. 1993). Das Wortverstehen geht der Produktion voraus: Kinder erkennen ihren eigenen Namen bereits im Alter von sechs Monaten wieder und verstehen zwischen acht und zehn Monaten die ersten Wörter für Objekte und Personen (Hollich et al. 2000). Der Gebrauch der ersten Wörter spiegelt die unmittelbare Erfahrungswelt des Kindes wider. So finden sich in der Regel Bezeichnungen für die Bezugspersonen, für Nahrungsmittel und Spielzeug ebenso wie für relationale und personal-soziale Wörter. Letztere haben eine wichtige Funktion in wiederkehrenden sozialen Routinen, in die das Kind eingebunden ist (z. B. „hallo, tschüss“) bzw. erlauben es dem Kind, kommunikative Ziele mit Sprache zu erreichen (z. B. „nein, mehr, auch“, Tomasello 2003, Zollinger 2010).

      Die lautliche Gestalt der ersten Wörter kann als phonologisch stark vereinfacht beschrieben werden. Neben Silbenreduplikationen („Mama, Wauwau, Popo“) finden sich vor allem einsilbige Wörter mit zunächst offenen und dann auch geschlossenen Silbenstrukturen („ja, nein, heiß, weg“, Elsen 1999; Beitrag 1). Die Mehrzahl der ersten Wörter ist noch stark an konkrete Situationen gebunden. Wörter werden somit noch nicht verwendet, um auf etwas zu verweisen, sondern um vorhandene Dinge oder Situationen mit Sprache zu begleiten (Ulrich 2012):

      „Charakteristisch ist, dass diese Wörter der Bezugnahme auf etwas Anwesendes dienen. […] Dabei spricht das Kind weniger über etwas, vielmehr spricht es die Objekte an“ (Kannengieser 2015, 226).

      Erst allmählich gelingt Kindern die Ablösung von diesem kontextgebundenen Gebrauch hin zu einem vorrangig referenziellen – symbolischen – Gebrauch von Wörtern.

      „Von einem referentiellen Wort kann gesprochen werden, wenn das Kind eine konventionell festgelegte lexikalische Form als unabhängiges und flexibles Zeichen in unterschiedlichen Kontexten und mit einem festen inhaltlichen Bezug verwendet“ (Kauschke 2000, 11).

      langsames Wortschatzwachstum Typischerweise wächst der kindliche Wortschatz in dieser Phase nur sehr langsam an: Im Schnitt werden etwa zwei bis vier neue Wörter pro Woche gelernt (Dromi 1999; Rothweiler 2001). Erst nach vier bis sechs Monaten ist der Wortschatzumfang des Kindes so weit angewachsen, dass es über einen produktiven Wortschatz von 50 verschiedenen Wörtern verfügt und etwa 200 verschiedene Wörter versteht (Klann-Delius 2008a). Mittlerweile hat es auch die Symbolfunktion von Wörtern vollständig entdeckt (Aitchison 1994; Dromi 1999). Diese Entwicklungsprozesse scheinen nun den Startpunkt für einen neuen Abschnitt innerhalb der Wortschatzentwicklung zu markieren.

      1.2.3 Wortschatzspurt

      fast mapping Der Mechanismus, der dies ermöglicht, wird als fast mapping („schnelles Abbilden“) bezeichnet (Rothweiler 2001; Ulrich 2012; Rupp 2013; Kannengieser 2015): Nach nur ein- bis zweimaligem Hören eines Wortes wird die Wortform einem Referenten, einer Handlung o. Ä. zugeordnet und ein erster Lexikoneintrag abgespeichert. Hierzu stellt das Kind eine noch unvollständige, grobe Hypothese über die Bedeutung des Wortes auf und speichert zunächst rudimentäre Informationen über die lautliche Gestalt des Wortes. Dieser erste Eintrag ermöglicht es dem Kind, dieses Wort nun wiederzuerkennen, wenn es von den Bezugspersonen verwendet wird. Mit jeder weiteren Präsentation des Wortes im Sprachinput kann es seine erste Hypothese über die Wortbedeutung überarbeiten sowie immer genauere Informationen über die phonologische Wortform abspeichern. Der unmittelbaren, schnellen Speicherung einer vorläufigen „Arbeitshypothese“ folgt somit eine deutlich länger dauernde Phase der allmählichen Ausdifferenzierung von Wortbedeutung und Wortform, die auch als „slow mapping“ bezeichnet wird (Rupp 2013).

      Fast mapping – slow mapping: In der Vorweihnachtszeit entdeckt Anton beim Einkaufen einen Schokoladen-Nikolaus. Fragend wendet er sich an seine Mutter, die den Gegenstand als „Nikolaus“ benennt. Anton speichert eine erste Hypothese über die Wortbedeutung (bunte Süßigkeit in Form eines älteren Mannes, die es beim Einkaufen gibt) sowie einige basale Informationen zur Klanggestalt (z. B. die Silbenanzahl und ihre Betonung, / ‘_ _ _ / ) ab. Diese erste „Arbeitshypothese“ ermöglicht Anton