Grad an Reflexionsfähigkeit und steigern mittelbar die praktische Kompetenz.
Wahl der Methoden
Das Ausgangsproblem hat jetzt den Status einer theoriegeleiteten Fragestellung. Mit der Wahl eines bestimmten Theoriezusammenhangs sind meist auch schon Grundsatzentscheidungen für das weitere Vorgehen – die Wahl der Methode – bei der empirischen Untersuchung verbunden, d. h. der Untersuchung eines Wirklichkeitsausschnitts. Alle Tätigkeiten der Psychologin sind in dieser Phase hohen Anforderungen an Planung, Kontrolle und Transparenz unterworfen. Die Art und Weise, in der die Psychologin zu ihren Erkenntnissen kommt, muss von anderen Menschen nachvollzogen werden können bzw. begründet kritisiert werden können. Dies schließt den faktischen Vollzug von Forschungstätigkeit und seine Beeinflussung durch Faktoren der Arbeitsbedingungen und Forscherkommunikation mit ein (vgl. Knorr-Cetina 2002).
Verwertungszusammenhang
Eine weitere Weichenstellung in der Erkenntnistätigkeit tritt auf, wenn die Psychologin ihre Erkenntnisse formuliert. Das gewählte Darstellungsmuster und die Entscheidung für einen bestimmten wissenschaftlichen Schreibstil prägt wiederum die besondere Kontur ihrer Ergebnisse (vgl. Geertz 1993).
Mit der Übermittlung der Ergebnisse überlässt die Psychologin ihre Erkenntnisse der (fach-) wissenschaftlichen Öffentlichkeit, der Öffentlichkeit generell oder auch dem Auftraggeber im Besonderen. Hier entscheidet sich, wie die Erkenntnisse aufgenommen werden (Rezeption): Liefern sie Anregungen für weitere Forschung, werden sie in der Lehre eingesetzt, finden sie Eingang in die Berichterstattung, werden sie praktisch umgesetzt, werden sie ignoriert? Diese Phase wird auch als Verwertungszusammenhang bezeichnet.
2.4. Psychologische Untersuchungsperspektiven
2.4.1. Unterschiedliche Wissenschaftsauffassungen
Jede Wissenschaftlerin fühlt sich einem bestimmten Konzept wissenschaftlicher Tätigkeit verpflichtet, einer Methodologie.
Innerhalb der Psychologie als empirischer Wissenschaft gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Haltungen (oder »Mentalitäten«), aus denen heraus man seine Erkenntnisse gewinnen will und kann. Diese Haltung bestimmt den Zuschnitt wissenschaftlicher Erkenntnisse ganz wesentlich. Wenn zwei Psychologinnen also von ihrer wissenschaftlichen Arbeit sprechen, können sie darunter etwas durchaus Verschiedenes verstehen oder sogar eine Debatte darüber führen, ob es sich bei der Arbeit der jeweils anderen wirklich um wissenschaftliche Erkenntnis handelt. Mit der Entscheidung für eine bestimmte Haltung übernimmt die Wissenschaftlerin persönliche Verantwortung, die sie – jedenfalls im Rahmen demokratischer Gesellschaften – nicht »objektiven Interessen«, »höheren Instanzen«, dem »Zeitgeist« oder anderen Größen übertragen kann. Diese Haltungen unterscheiden sich in dem Selbstverständnis, das sie der Psychologin als Wissenschaftlerin vermitteln, in den Prinzipien, die für sie als Forscherin leitend sind, in den Methoden, die nahegelegt werden oder im Stil der wissenschaftlichen Texte. Die wichtigsten dieser wissenschaftstheoretischen Konzepte werden im Folgenden skizziert:
Kritischer Rationalismus
Kritische Theorie
Grounded Theory
Feminismus
Konstruktivismus.
Kritischer Rationalismus
Der Kritische Rationalismus ist zweifelsohne die vorherrschende Wissenschaftsauffassung in der gegenwärtigen Psychologie. Er entwickelte sich im zwanzigsten Jahrhundert aus Ansätzen, die bestrebt waren, die Psychologie aus der Philosophie herauszulösen (siehe Abschnitt 2.1.), und die (elitäre) philosophische Wesensschau durch die (demokratische) transparente, nachvollziehbare Beobachtung ersetzen wollten.
Die kritische Rationalistin orientiert sich an einer Haltung, wie sie innerhalb der Naturwissenschaften propagiert wird: die der distanzierten, methodisch kontrollierten, theoriegeleiteten Beobachtung von Untersuchungsobjekten (klassischerweise im Laborexperiment). Ziel ist die Ermittlung von Erkenntnissen in Form gesetzesmäßiger Aussagen oder allgemeiner Tendenzen, die in allgemeiner Form einen Zusammenhang formulieren (»wenn ..., dann ...«). Handlungsleitende Prinzipien sind:
die logisch stringente Ableitung von Fragestellungen bzw. Hypothesen aus Theorien;
der Einsatz von Untersuchungsverfahren, die strengen Gütestandards entsprechen;
das Postulat der Wertfreiheit der Erkenntnis, d. h. die strikte Konzentration auf objektbezogene Aussagen und das Vermeiden nicht disziplinär bezogener, z. B. politischer, gesellschaftlicher, pädagogischer, etc. Bewertungen der Erkenntnisse.
Kritische Theorie
Die Kritische Theorie hat sich aus marxistischen Grundüberlegungen heraus entwickelt und versucht, diese Überlegungen auf Verhältnisse der Gegenwart zu beziehen. Eine klassische Untersuchung ist die Studie zur Autoritären Persönlichkeit von Theodor W. Adorno (1995).
Die Anhängerin der Kritischen Theorie begreift sich als Wissenschaftlerin, die dazu beitragen will, den Einfluss gesellschaftlicher Strukturen, insbesondere gesellschaftlicher Widersprüche, auf das Bewusstsein und das Verhalten von Menschen bewusst zu machen und dadurch zur Aufhebung dieser Widersprüche beizutragen. Im strikten Gegensatz zur kritischen Rationalistin betrachtet sie ihre Tätigkeit als politische, nämlich in emanzipatorischer Absicht. Sie versteht sich als Aufklärerin.
Die kritische Theorie setzt in der Psychologie bei der subjektiven Erfahrung gesellschaftlicher Widersprüche an und versucht, die psychologischen Auswirkungen solcher Widersprüche zu bestimmen. Sie bevorzugt den Einsatz qualitativer Verfahren wie z. B. Tiefeninterviews und Gruppendiskussionsverfahren, mit denen sie subjektive Spuren solcher Widersprüche aufzudecken hofft.
Grounded Theory
Die Grounded Theory wurde im Rahmen der verstehenden Soziologie entwickelt, die die Untersuchung der elementaren Strukturen des Alltagslebens zum Programm gemacht hat. Von der Soziologie aus hat sie sich mittlerweile auch in die Psychologie ausgebreitet (z. B. Breuer 1996).
Die Anhängerin der Grounded Theory begreift sich als Forscherin, die die Lebenswirklichkeit von Menschen aus deren Perspektive erkennen möchte. Sie sieht ihre Aufgabe darin, subjektive Sichtweisen von Menschen zu rekonstruieren und verständlich zu machen und zu zeigen, wie Menschen ihrer Existenz Sinn verleihen. Ziel ist ein vertieftes Verstehen fremder Perspektiven. Sie versteht sich als Wissenschaftlerin, die für ihre Forschung eine enge Beziehung zu den untersuchten Menschen entwickeln muss, um diese verstehen zu können. Diese Haltung wird am prägnantesten durch die Ethnographin verkörpert. Der vertiefte Kontakt zu den Untersuchungspersonen ist schon deswegen wichtig, weil die Forscherin nur auf dieser Grundlage Charakteristika der Perspektiven und Sichtweisen ermitteln und als wissenschaftlich leitende Fragestellungen formulieren und verfolgen kann. Die Hypothesenbildung erfolgt also, wie man auch sagt, empirisch geleitet. Das Vorgehen ist qualitativ; es erfolgt in Feldforschung mit Hilfe von Interviewtechniken (v. a. narrativen Interviews) und mit Beobachtungs- und Dokumentenanalysen (v. a. Gesprächsanalysen, vgl. Deppermann 2008).
Feminismus
Der Feminismus ist eine Wissenschaftsströmung, die sich im Zuge der Emanzipationsbewegung entwickelt und sich mittlerweile in allen sozialwissenschaftlichen Disziplinen positioniert hat. Großen Einfluss in der Psychologie hatte die Arbeit von Gilligan (1993).
Die