zum Computer wiederum an Grenzen gestoßen (man denke an die Rolle von Emotionen und von genetischen Einflüssen).
Neue technische Geräte und Analyseverfahren bieten in der Hirnforschung bisher unbekannte Zugangsweisen.
Die Forschungs- und Anwendungsbereiche der Psychologie in Deutschland vom Ende des vorletzten Jahrhunderts bis heute lassen sich gut nachvollziehen anhand der Berichte, die die jeweiligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Psychologie »Zur Lage der Psychologie« im zweijährigen Turnus anlässlich der Kongresse der Gesellschaft vorlegen. Begonnen hat diese Tradition Carl F. Graumann im Jahre 1970 (Graumann 1973, S. 19 – 37).
Zunächst hat sich die Zahl der Psychologischen Institute deutlich erhöht: von 18 im Jahre 1961 auf 49 im Jahre 2013; die Anzahl der Professoren stieg in diesem Zeitraum von 17 auf 719, die der Studierenden von 2500 auf 44 000.
Bemerkenswert ist die Steigerung des Frauenanteils unter den Studierenden auf 82 % (2010), geschuldet z. T. der NC-Regelung als Zugangsvoraussetzung. Bei Promotionen (68,2 %) und Habilitationen (45,2 %) wird der Effekt wieder nivelliert. (Frensch 2013)
Eine zeitgeschichtliche Besonderheit stellte die Vereinigung Deutschlands dar. In der Psychologie wurde, wie in vielen anderen akademischen Disziplinen, die Forschungs- und Ausbildungsrichtung der Bundesrepublik exportiert. Eigenständige Traditionen der DDR, auf die hier nicht eingegangen werden kann, (Bredenkamp 1993, S. 17f.; Sprung/Sprung 1999, S. 135; Ettrich 2005) wurden abgelöst.
2.2. Was ist eigentlich Psychologie?
2.2.1. Eine Annäherung
Spätestens nach der geschichtlichen Beschreibung der Psychologie wird bei manchem Leser oder mancher Leserin eine Frage (wieder) auftauchen, die bisher zurückgestellt wurde: »Was ist Psychologie eigentlich für eine Wissenschaft?« Leider ist die Antwort nicht so selbstverständlich wie die Frage.
Eine mögliche Antwort könnte aus dem geschichtlichen Rückblick gewonnen werden. Dieser zeigt jedoch, dass der Gegenstand der Psychologie zu keiner Zeit einheitlich war. Das, was Psychologie als Wissenschaft ist, war stets von den vorherrschenden Menschenbildern abhängig. Diese verändern sich im Laufe der gesellschaftlich-geschichtlichen Entwicklung. Die Antwort müsste lauten: Psychologie selbst ist veränderlich und lässt sich nicht festlegen.
Man könnte eine Antwort aber auch durch das Studium anerkannter Lehrbücher für Psychologen (z. B. Schönpflug 2006, Gerrig/Zimbardo 2008) finden. Schließlich müssen Psychologen selbst doch wissen, was Psychologie ist oder sein soll. Psychologie ist dann einfach das, was in anerkannten Lehrbüchern steht.
Für jemanden, der gerade beginnt, sich in ein neues Wissensgebiet einzuarbeiten, klingen diese beiden Antworten wohl nicht sehr ermutigend. Vollends zynisch muss es dem Laien vorkommen, wenn ihm mit Hinweis auf sein »falsches« Verständnis von Wissenschaft die Antwort einfach verweigert wird (z. B. Groeben/Westmeyer 1981, S. 13).
Allgemeine Definition
Im Sinne einer Annäherung ist eine vorläufige, allgemeine Charakterisierung sinnvoll, um einen Einstieg in eine genauere Beschäftigung mit dem Wissenschaftsgebiet Psychologie zu erleichtern:
Psychologie versteht sich als Wissenschaft, die alle Phänomene des Erlebens und Handelns von Menschen zu beschreiben, zu erklären, zu verstehen und zu beeinflussen sucht.
Psychologie versteht sich primär als empirische Wissenschaft, d. h. als eine Wissenschaft, die ihre Erkenntnisse auf der Grundlage systematisch gewonnener Erfahrungen formuliert.
Dies ist eine sehr allgemeine Charakterisierung. Diese Zielsetzung kann je nach dem speziellen Wissenschaftsverständnis und Tätigkeitsbereich unterschiedlich akzentuiert sein. So kann der Schwerpunkt psychologischer Tätigkeit auf
Akzentuierungen
der möglichst differenzierten Beschreibung des psychischen Geschehens bzw. sozialen Verhaltens,
dem Erklären von Verhaltensweisen,
dem Verstehen von Verhaltensweisen,
dem Erstellen von Prognosen zukünftigen Verhaltens,
dem Entwickeln von Maßnahmen der Veränderung
liegen.
Erinnern wir uns noch einmal an die Aufgaben der Alltagstheorien. Mit Hilfe seiner Alltagstheorien orientiert sich das Individuum in sozialen Situationen, schätzt die weitere Entwicklung ab und handelt dementsprechend.
Man kann nun leicht erkennen, dass die Aufgaben des Alltags und die der Wissenschaft sich entsprechen. So gesehen, gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Alltagstheorien und den Theorien in der Wissenschaft. Der Unterschied liegt eher im methodischen Vorgehen und im Geltungsbereich.
Je nachdem, welcher der dargestellten Aufgabenbereiche schwerpunktmäßig bearbeitet wird, lassen sich drei Typen psychologisch-wissenschaftlicher Forschung unterscheiden:
Forschungstypen
Beschreibende (deskriptive) Forschung: Wie sieht Realität aus?
Hypothesen-(Theorien-)prüfende Forschung: Warum ist das so?
Wirkungs-(Entwicklungs-)Forschung: Wie kann sie verändert werden?
beschreibend
Die deskriptive Forschung ist Grundlage jeglicher psychologischen Forschung überhaupt. Ohne sie kann es keine hypothesenprüfende Forschung und auch keine Entwicklungsforschung geben. Wir müssen jedoch feststellen, dass wir in vielen Bereichen der sozialen Realität über Beschreibungen nicht hinausgekommen sind, ja, dass wir häufig nicht einmal über genügend differenzierte Beschreibungen verfügen.
hypothesenprüfend
In der hypothesenprüfenden Forschung wird versucht, diejenigen Regeln zu entdecken, mit deren Hilfe wir die beschriebene Realität erklären könnten. Nicht ganz korrekt lässt sich dieser Typ von Forschung als Grundlagenforschung bezeichnen. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen neigen manchmal dazu, die hypothesenprüfende Forschung als die wissenschaftliche Tätigkeit überhaupt zu bewerten. Aufgestellte Theorien müssen sich bewähren und zumindest potentiell zur Realitätsbewältigung beitragen. Sonst werden sie für die soziale Realität bedeutungslos.
anwendend/entwickelnd
Die Entwicklungsforschung dagegen wird nicht selten von Berufspraktikern hoch geschätzt. Sie unterliegen dem Druck, kurzfristig konkrete Aufgaben erledigen zu müssen. Dazu erwarten sie konkrete Hilfe und vergessen allzu leicht, dass Entwicklungsforschung ohne hypothesenprüfende Forschung langfristig nicht möglich ist. Sie erschöpfte sich sonst in »blindem« Aktionismus.
Tagtäglich kommen wir als Einzelpersonen in unserer sozialen Welt nur zurecht, weil wir uns orientieren, Entwicklungen abschätzen und dementsprechend handeln. In gleicher Weise wird die Psychologie als Wissenschaft nur dann im Dienste der Menschen stehen, wenn im aktiven Forschungsprozess alle drei Forschungstypen gefördert werden. Es besteht somit keinerlei Veranlassung, die beschriebenen Forschungstypen unterschiedlich zu bewerten. Jeder ist, auf seine Art, gleichermaßen notwendig und legitim.
Mit was beschäftigt sich die Psychologie nun aber