betrachtet.
2.2.2. Teilgebiete der Psychologie
Wenngleich eine klare Trennung zwischen Teilgebieten nicht immer möglich ist, kann eine entsprechende Aufteilung ein Mindestmaß an Orientierung bieten und so einen weiteren Einstieg in die Psychologie erleichtern. Bei der Aufteilung der einzelnen Gebiete kann unterschieden werden in solche, deren Bearbeitung relativ unabhängig von der gesellschaftlichen Situation erfolgt (Grundprinzipien des Lernens können beispielsweise unabhängig von den sozialen Bezügen der Menschen außerhalb der menschlichen Gesellschaft an Ratten oder Tauben untersucht werden) und in solche Gebiete, deren Bearbeitung in Abhängigkeit von konkreten gesellschaftlichen Situationen geschieht (beispielsweise lassen sich die Wirkungen von Fließbandarbeit nur untersuchen und sind nur ein Problem, wenn Fließbandarbeit existiert). Zuweilen werden diese unterschiedlichen Gebiete auch als Grundlagen- bzw. Anwendungsbereiche bezeichnet.
In diesem Sinne sind Grundlagengebiete: Allgemeine Psychologie einschließlich Forschungsmethodik, Differenzielle Psychologie, Entwicklungspsychologie und Sozialpsychologie. Anwendungsgebiete sind z. B.: Arbeits- und Organisationspsychologie, Klinische Psychologie oder Pädagogische Psychologie.
Grundlagen
Die Allgemeine Psychologie hat das zum Forschungsgegenstand, was für alle Individuen zutrifft. Sie sucht nach allgemeinen Prinzipien, Regeln oder Gesetzmäßigkeiten psychischer Prozesse. Ihre wichtigsten Forschungsfelder sind Wahrnehmung, Lernen, Gedächtnis, Denken, Motivation und Emotion. Die Entwicklung von Forschungsmethoden kann ebenfalls dem Aufgabenbereich der Allgemeinen Psychologie zugeordnet werden.
Die Differenzielle Psychologie kann als Gegenstück zur Allgemeinen Psychologie beschrieben werden. Sie untersucht die Unterschiede zwischen Personen und versucht, diese zu erklären. Ein damit zusammenhängendes Arbeitsgebiet ist die psychologische Diagnostik.
Die Entwicklungspsychologie beschreibt und erklärt die Entwicklung von Menschen. Sie fragt danach, wie einzelne Funktionen (z. B. das Denken), Merkmale der Person (z. B. die Intelligenz) oder einzelne Verhaltensaspekte (z. B. hilfreiches Verhalten) sich im Laufe des Lebens verändern. Eine häufige Beschreibungsform ist die nach Lebensabschnitten. So entsteht eine Psychologie des Kleinkindes, des Kindes, des Jugendlichen, des Erwachsenen und des alten Menschen.
Die Sozialpsychologie hat das Verhalten und Erleben von Personen in ihren sozialen Beziehungen zum Gegenstand. Sie fragt nach der gegenseitigen Beeinflussung der Menschen untereinander.
Anwendungen
Die Arbeits- und Organisationspsychologie beschäftigt sich mit allen Fragen des Arbeits- und Berufslebens (z. B. Berufseignung oder optimale Gestaltung des Arbeitsplatzes) sowie den Einflüssen von Strukturen und Organisationsformen in Betrieben und Behörden auf den Einzelnen.
Die Pädagogische Psychologie umfasst den Problembereich des Erziehens und Unterrichtens in Familien und Institutionen.
Die Klinische Psychologie ist dasjenige Teilgebiet, das sich mit den Störungen des Verhaltens und Erlebens befasst. Sie wird beispielsweise in der Arbeit von Psychotherapeuten, Ehe- oder Familienberatern sichtbar.
Solche Teilgebietsnennungen sind nun keine klaren unveränderlichen Beschreibungen. Die Teilgebiete stehen miteinander in Beziehung; die Übergänge sind fließend. So kann etwa eine allgemeinpsychologische Fragestellung durchaus entwicklungspsychologisch bearbeitet werden (z. B. das Denken: wie entwickelt es sich etwa von Geburt bis zur Einschulung?). Die praktischen Probleme der Erziehungsberatung können beispielsweise zum Bereich der Pädagogischen und der Klinischen Psychologie gezählt werden. Innerhalb der Arbeits- und Organisationspsychologie gibt es eindeutig pädagogisch-psychologische Fragestellungen (z. B. die der beruflichen Weiterbildung, Umschulung oder Rehabilitation).
Psychologie ist veränderlich. Mit ihren Teilgebieten verhält es sich nicht anders. Sie verändern sich, tauchen auf oder verschwinden wieder. Von »Charakterkunde« spricht kaum noch jemand in der Psychologie. Biopsychologie ist ein relativ neues, aufstrebendes Fach, das nach den biologischen Grundlagen des Verhaltens und Erlebens sucht. In der Pädagogischen Psychologie etwa nahmen, mit zurückgehenden Schüler- und Lehrerzahlen, die Forschungsaktivitäten im Bereich der Schule ab, während die Zunahme alter Menschen in unserer Gesellschaft die Frage nach einer pädagogischen Betreuung drängend werden lässt. Es entsteht eine Gerontopsychologie. Eine Öko-Psychologie, die nach den Konsequenzen des Umweltgebrauchs und Missbrauchs für menschliches Verhalten und Erleben fragt, scheint sich vorerst nur zögernd zu entwickeln.
Kurz: Psychologie ist eine dynamische Wissenschaft und kein geschlossenes System. Dies ist durchaus etwas Faszinierendes, wenn man bereit ist, lange Zeit die Unsicherheit zu ertragen, nicht genau zu wissen, was Psychologie »eigentlich« ist.
2.3. Psychologische Erkenntnis: Weichenstellungen im Erkenntnisprozess
Jeder Mensch gewinnt im Laufe seiner Biographie Lebenserfahrung über andere Menschen, erwirbt Wissen über deren Charakter, findet Erklärungen ihres Verhaltens und entwickelt know-how der Beeinflussung anderer Menschen. Ein solches Erfahrungswissen findet sich zu allen Zeiten; es ist heutzutage gespeist auch von psychologischen Ratgebern in Buchform, von Fernsehmagazinen oder Wochenendseminaren. In einem gewissen Sinne ist jeder Mensch ein handlungspraktisch (mehr oder weniger) erfolgreicher Psychologe. Von einem solchen alltagspraktisch gewonnenen Erfahrungswissen über andere Menschen unterscheidet sich das psychologische Wissen einer Psychologin vor allem dadurch, dass diese ihre Erkenntnisse in einen ausgebauten Theoriezusammenhang einbindet und aus diesem heraus begründen kann, dass sie ihre Erkenntnisse methodisch kontrolliert und in nachvollziehbarer Weise gewinnt – und dadurch, dass sie in einem gesellschaftlichen Kontext als Psychologin tätig ist, in dem ihr und ihrem Wissen ein bestimmter Status und eine bestimmte Reputation verliehen ist. Im Unterschied zu alltagspraktischer Erkenntnis über andere Menschen, die durchaus »aus dem Bauch heraus« zustande kommen kann, muss die Psychologin ihre Erkenntnis strengen Begründungs- und Rechtfertigungsanforderungen unterwerfen. Damit wird psychologische Erkenntnis nicht wahrer, richtiger oder besser als alltagspraktische Erkenntnis. Sie wird aber zur Erkenntnis mit besonderer Verfahrensqualität. Wodurch diese besondere Qualität zustande kommt, soll im folgenden mit der Erläuterung des typischen Forschungsablaufs gezeigt werden.
Erkenntnis als Problemlösen
Eine ausführliche Darstellung gibt Breuer (1991). Dabei wird für diese Darstellung die Erkenntnistätigkeit als Problemlöse-Prozess betrachtet. Jede Erkenntnis beginnt mit der Wahrnehmung eines Problems – dies ist in der Entdeckungszusammenhang Psychologie nicht anders als in anderen Wissenschaften. Dieses Problem kann die Psychologin im Rahmen ihrer systematischen Forschungstätigkeit erkennen (»Die Vorbildfunktion von Boygroups auf Kinder russischer Migranten zwischen 10 und 13 Jahren ist noch nicht untersucht.«), dieses Problem kann sie aufgrund ihrer persönlichen Biographie umtreiben (»Was wissen wir eigentlich über die Entstehungsbedingungen von Homosexualität?«) oder es kann von Auftraggebern an sie herangetragen werden (»Wie können wir das Arbeitsklima in unserem Unternehmen verbessern?«). Diese Phase wird auch als Entdeckungszusammenhang bezeichnet.
Begründungszusammenhang
An diese Phase schließt die Problemformulierung an. Bei der Problemformulierung erfolgt eine kritische Weichenstellung im Erkenntnisprozess. Je nach Wahl der Begrifflichkeit und des theoretischen Hintergrunds erhält das Problem an dieser Stelle eine spezifische Kontur oder »Handschrift«. Wahl der Theorien Die Entscheidung für das gewählte Vokabular bzw. die gewählte Theorie ist daher begründungspflichtig. Diese Phase wird auch als Begründungszusammenhang bezeichnet. Diese Begründung kann allerdings immer nur bis zu einer gewissen »Tiefe« gegeben werden. »Darunter« liegt die besondere Forscherindividualität, die in ihrer Subjektivität durch das Problem angesprochen und »zum Klingen« gebracht wird. Diese Subjektivität der Forscherin ist notwendige Bedingung von Erkenntnistätigkeit (Devereux 1998). Für die Lösung eines Problems liefern unterschiedliche Theorien unterschiedliche Perspektiven. Sie geben an, in welcher Richtung die Lösung gesucht werden könnte und welche Folgen dann wahrscheinlich wären. Diejenige, die viele Theorien kennt, wird viele Perspektiven einnehmen können. Sie wird fähig sein, »ihr« Problem facettenreich zu analysieren. Je mehr Perspektiven sie einzunehmen vermag,