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Wortbildung im Deutschen


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dass Al-Qaida-Tochterorganisationen ihre Unterstützung und Solidarität ausdrücken, was zu der folgenden AkronymAkronym-gesättigten Überschrift führt:

(16)AQMI und AQAP für IS. (Telepolis, 16.09.2014)

      In deutschsprachigen Medien ist die Übernahme der aktuellen Selbstbezeichnung und die Verwendung des dazugehörigen AkronymsAkronym nach den oben beschriebenen Gebrauchsmustern dominant. Eine kleine Analyse von neun zufällig kompilierten Artikeln verschiedener Zeitungen (Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung, taz, Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Berner Zeitung, Der Standard) vom 16.11.20141 zeigt dies deutlich: IS tritt insgesamt 84 mal auf. In sieben der neun Überschriften wird ebenfalls das Akronym verwendet, dann aber in den ersten Zeilen der Artikel in Kontaktstellung zu der Vollform eingeführt. Interessanterweise tritt hier oftmals eine kategorisierende Beschreibung der OrganisationOrganisation in Form einer übergeordneten Nominalphrase hinzu. Bei den Beispielen handelt es sich jeweils um die ersten Sätze der Artikel:

(17)Die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat nach eigenen Angaben eine weitere westliche Geisel enthauptet. (Berner Zeitung)
(18)Die Dschihadistengruppe „Islamischer Staat“ (IS) hat nach eigenen Angaben den US-Bürger Peter Kassig enthauptet. (Der Spiegel)
(19)Mehr als einen Monat nach der Ermordung einer britischen Geisel hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Internet ein Video zur angeblichen Enthauptung des US-Bürgers Peter Kassig veröffentlicht. (Der Standard)
(20)Die USA haben die Enthauptung der US-Geisel Peter Kassig durch die Dschihadistengruppe „Islamischer Staat“ (IS) bestätigt. (Der Spiegel)

      Erneut zeigt sich ferner die Wortbildungsaffinität der AkronymeAkronym mit einer klaren Präferenz dazu, das Erstglied in Determinativkomposita zu stellen, wie die folgende Beispiele verdeutlichen:

       IS-Terroristen, IS-Kämpfern, IS-Extremisten, IS-Schergen, IS-Kriegsminister, IS-Henker, IS-Geiseln, IS-Propaganda, IS-Video, IS-Propagandavideo, IS-Provinzen, IS-Zahlung

      Die Produktivität von AkronymenAkronym zur Organisationsbenennung wird umso deutlicher in der Berichterstattung zu den Ereignissen im Kurdengebiet an der Grenze zwischen Türkei und Syrien. Bei den Kämpfen um Kobanê/Ain al-Arab werden als politische und militärische Konfliktparteien IS, PKK, PYD (beides kurdische Parteien), YPG, YPJ (beides kurdische Kampfverbände), FSA (Freie syrische Armee) und weitere genannt.

      5 Einige Hypothesen zu Organisationsakronymen

      Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bildung von KurzwörterKurzwort grundsätzlich hochproduktiv ist und die Wortbildungsresultate einen wichtigen Beitrag zur Lexikonerweiterung im DeutschenDeutsch darstellen. Vor allem der Typus der multisegmentalen Initialkurzwärter, hier als AkronymeAkronym behandelt, erfüllt verschiedene Ausdrucksbedürfnisse und trägt zu einer ökonomischen, kohäsiven und informationell dichten Textgestalt bei.

      In den hier vorgestellten Fällen ging es um militante islamistische Organisationen, die AkronymeAkronym auch aus der Eigenbenennungsperspektive verwenden, um damit neben dem bloßen Nominationsakt verschiedene Effekte zu erzielen. So dient AQ**AQ** als Label, das eine ideologische Zugehörigkeit ausdrückt und zugleich eine lokalspezifizierende Reihenerweiterung erlaubt. Die akronymischen Referenzialisierungen treten im medial vermittelten TerrorismusTerrorismus-Diskurs erst relativ spät und nur in bestimmten Segmenten des Spektrums der Publikationsmedien auf. Sie lassen sich außerdem zu diskursprägenden Metaphorisierungen von Al-Qaida als Franchise-Unternehmen, als eine Art ideologisch vereinter GmbH mit autonom operierenden und deshalb schwer zu bekämpfenden Filialen, in Beziehung setzen. Diese MetaphernMetapher liefern zusammen mit den akronymischen Referenzausdrücken einen besonderen Beitrag zur KonzeptualisierungKonzeptualisierung der terroristischen Akteure als strukturkomplexer, binnendifferenzierter Gesamtorganisation.

      Mit den multiplen IS-AkronymenAkronym werden in den verschiedenen Etappen der Namensgebung analoge, aber auch komplementäre Etikettierungen vollzogen; nach einer regionalen Erweiterung (von AQI zu ISIL/ISIS) wird eine De-Regionalisierung und Universalisierung (von ISIL/ISIS zu IS) angestrebt. Diese Selbstbenennungen treten auch im deutschsprachigen Mediendiskurs auf und wurden im Rahmen dieser Arbeit, in der arabisch-sprachige Texte nicht mit herangezogen werden konnten, allein aus der Fremdbenennungsperspektive behandelt. Zusätzlich zeigen sich auch semantische Kämpfe, die teilweise mittels pejorativen Alternativ-Akronymen (UIS) geführt werden.

      Im Hinblick auf die identifizierten Verwendungsweisen lässt sich zusammenfassen, dass diese AkronymeAkronym insofern einem mittlerweile relativ festen Textgebrauchsmuster unterliegen, als sie häufig in Überschriften auftauchen und je nach Konventionalitätsgrad dann zu Beginn des Fließtextes einmalig in Kontaktstellung zur Vollform eingeführt werden, um anschließend frei verwendet zu werden, wobei sie häufig auch zu KompositaKompositum zusammengesetzt werden. Dass KurzwörterKurzwort besonders als Namen für Institutionen und Organisationen Wortbildungsmöglichkeiten eröffnen, die die jeweiligen Vollformen nicht bieten, betont auch Steinhauer (2007: 152).

      Gerade AkronymeAkronym werden in auffälliger Weise dazu genutzt, um Gruppierungen zu benennen. Hinweise auf die Vielzahl von KurzwortKurzwort-Eigennamen, besonders für Personengruppen, finden sich auch bei Starke (1997: 93), Busse/Schneider (2007: 165), Grebovic (2007: 56–61) und Fleischer/Barz (2012: 285–286). Deutlich wird dies etwas durch einen Blick auf gängige Benennungsstrategien politischer Parteien (SP, SVP, FDP, CVP, etc.), Sportvereinen (YB, FCSG, GC, SCB etc.) oder Institutionen (SRF, SAC, FIFA, WHO, CERN etc.). Bei allen Unterschieden zwischen diesen Akronymen – etwa im Hinblick auf ihre Aussprache oder darauf, ob es sich um die gebräuchlicheren Bezeichnungen, wie bei Parteien, oder um Alternativbenennungen wie bei den Fußballclubs handelt – haben sie viele Gemeinsamkeiten. Ihre Denotate sind jeweils prototypisch kollektive oder auch korporative Akteure, also Gruppierungen von Personen, die sich ihrer Kollektivstrukturiertheit bewusst sind und die planmäßig und zielorientiert gemeinsam agieren.

      Es wird hier deshalb vorgeschlagen, diese Vorkommen als OrganisationsakronymeOrganisationsakronym begrifflich festzuhalten. Dieser hochproduktive Nominationstypus entspricht dann einer nicht-diskreten Teilmenge innerhalb der KurzwörterKurzwort einerseits und der Personengruppenbenennungen andererseits; d.h. die Organisationsakronyme unterscheiden sich nicht fundamental von anderen Kurzwörtern und Gruppennamen, zeigen aber viele auffällige Charakteristika bei der Benennung von kollektiven Akteuren aus Selbst- oder Fremdperspektive. Um die tatsächliche Eigenständigkeit in Form und Funktion dieses Typus eingehend bestimmen zu können, sind sicherlich noch weitere und weiterführende Untersuchungen notwendig.1Organisationsakronym

      Die Prävalenz der OrganisationsakronymeOrganisationsakronym erklärt sich aus verschiedenen kommunikativen Bedürfnissen. Aus der Perspektive der Fremdbenennung eignen sich AkronymeAkronym besonders gut zur Bezeichnung von Organisationen. Die ausdrucksseitig sehr kurzen Namensetiketten tragen zu einer ökonomischen, kohäsiven Textgestaltung, zu einer verdichteten Informationsstruktur und -vermittlung bei. Diese Charakteristika der KurzwörterKurzwort führen dazu, dass Textproduzenten sie häufig benutzen und sich so wiederum ihre Bekanntheit und die mediale Präsenz der so benannten OrganisationOrganisation verstärkt.

      In Selbstbenennungsakten ergeben AkronymeAkronym ein erwünscht prägnantes Label mit einer einfachen emblematischen Struktur, in der aber zugleich umfangreiche inhaltliche Angaben kondensiert sind. Mittels Akronymen lässt sich zwar prädikationsfrei referieren, zugleich können aber Bedeutungselemente der Vollformen entfaltet und sozusagen resignifiziert werden. Die oftmals syntaktisch komplexen, im KurzwortKurzwort univerbierten Ausgangsnamen sind ja nicht verloren. Vielmehr sind ihre Prädikationen und Attribuierungen sekundär präsent und können durch Rekurse hervorgehoben und neu aufgeladen werden. Beispielhaft findet dies statt, wenn in kritischen Diskursen danach gefragt wird, wofür das „S“ der SPD denn noch stehe, wenn diese keine sozialdemokratische, sondern nur noch neoliberale Politik betreibe, oder wenn christlich-konservative Kreise nicht mehr genug „C“ in der CDU sehen (cf. Der Spiegel, 27.02.2010).

      Die Mehrstufigkeit des Zeichens im Verhältnis von Vollformbedeutung und initialem AkronymAkronym-Bestandteil lässt sich