und offenbar universellen Phänomens1 der Bildung komplexer Prädikate vom Typ Verb+Partikel beitragen. Hierzu verwende ich zum einen grammatiktheoretische, zum anderen etymologischeetymologisch Methoden.
Es ist zu beobachten, dass PartikelverbenPartikelverb (fortan Ptk-Vn) in mehrfacher Hinsicht an der Schnittstelle zwischen Morphologie und SyntaxSyntax zu stehen scheinen. Obgleich syntaktisch trennbartrennbar, haben sie eine mit lexikalisch-semantischen Mitteln beschreibbare komplexe Bedeutung, die in vielen Fällen nicht logisch dekomponierbar ist. Dies lässt sich anhand deutscher Beispiele leicht demonstrieren:
(1) | a. | Der Zug kam pünktlich in Bern an. |
b. | Sie kamen in dieser Sache überein. | |
(2) | a. | an.kommen: [+Bewegung, +telisch, …]; ≠ [[ an’]] + [[ komm’]] |
b. | überein.kommen: [–Bewegung, +telisch …]2; ≠ [[ über’]] + [[ ein’]] + [[ komm’]] |
Somit werden sie oft als lexikalische Einheiten analysiert, was sich durch ihre Transparenz für Wortbildungsprozesse zu bestätigen scheint. Die NominalisierungNominalisierung ist augenscheinlich sogar bei syntaktisch transparenten Ptk-Vn möglich, deren Verbpartikel (fortan V-Ptk) für syntaktische Prozesse wie Vorfeldbesetzung, W-Skopus oder separate Modifizierung zugänglich ist.
(3) | a. | ?Her wollten sie dann doch nicht kommen.3 |
b. | Woher/ Von dort her seid Ihr alle gekommen? | |
c. | Herkunft |
Gegen dieses Beispiel ist freilich sogleich einzuwenden, dass die Bedeutungsinterpretation des entsprechenden Substantivs durch Idiomatisierung stark eingeschränkt ist.
(4) | Woher kommst Du gerade? – #Meine Herkunft ist Wuppertal. |
Viele als Partikelverbnominalisierung zu erkennende Bildungen sind demotiviert:
(5) | a. | Auskunft, Zukunft, %Hinkunft (% = auf Varietäten beschränkt; hier: ein Austriazismus, der Ähnliches wie ‚Zukunft‘ denotiert), |
b. | nicht parallel zu auskommen, (hin)zukommen, hinkommen |
Zudem werden Ptk-Vn mit komm(en) eher als Infinitivbildungen nominalisiert, wenn sie dekomponierbar sind:
(6) | a. | Viel weiter sind wir leider nicht gekommen. |
b. | Ein Weiterkommen/*eine Weiterkunft war schwer. |
Um in Fällen wie diesem eine Regelmäßigkeit zu erkennen, ist nicht nur der zunächst hypothetische (aber durch die Lemmata in etymologischenetymologisch Lexika wie Kluge 2011 völlig bestätigte) Schluss naheliegend, dass die nicht mehr produktive Nominalbildung %+kunft nur bei älteren und wohl daher oft nicht mehr logisch transparenten Ptk-Vn konserviert ist, sondern auch, dass die NominalisierungNominalisierung mit syntaktisch eigenständigen „V-Ptkn“ vorzugsweise in Form von Zusammenrückung mit dem InfinitivInfinitiv vor sich geht.
Die typische Ptk-V-Konstruktion schlage ich als syntaktisch komplexes Prädikatsyntaktisch komplexes Prädikat zu beschreiben vor. Ihre Bedeutung ist nur aufgrund von Idiomatisierung intransparent. Ich werde zunächst einen kurzen Überblick über die Diskussion der Kategorie von V-Ptkn in der Forschung geben und für deren Status als selbständigen Kopf im Verbalkomplex argumentieren. Diese Annahme soll erklären, warum Ptk-Vn für manche syntaktische Operationen, jedoch nicht für alle zugänglich sind. Danach werde ich, ausgehend von Beobachtungen, die Stiebels/Wunderlich (1994) bei ihrer Argumentation für den Wortgliedstatus der V-Ptkn anstellen, augenscheinliche NominalisierungenNominalisierung von Ptk-Vn mit dem Basisverb komm- diskutieren und schließlich dafür argumentieren, dass komplexe Nomen mit EntsprechungenEntsprechung in Ptk-Vn keinen Nachweis für die lexikalische Partikelverbbildung darstellen, da sie generell unabhängig von einer verbalen Basis gebildet werden können.
2 VerbpartikelnVerbpartikel im DeutschenDeutsch
2.1 Das Problem der Kategorisierung
Wer mit der einschlägigen Forschung vertraut ist, kennt natürlich die Besonderheit der Grammatik von Ptk-Vn, die zu Uneinigkeit darüber geführt hat, ob diese syntaktisch oder lexikalisch gebildet würden. Sind V-Ptkn Wortglieder, selbständige Köpfe im Verbalkomplex oder gar syntaktische Konstituenten/Phrasen?
Während ein verbales PRÄFIXPräfix (fortan Pfx) stets unbetont und niemals abtrennbar ist, tragen V-PTKN einen WortakzentWortakzent und sind abtrennbar, was sich z.B. in Verbzweitsätzen zeigt, wo sie nicht beim Finitum nach der ersten Konstituente stehen, also der linken Klammer im Topologischen Feldermodell, oder auch C° im generativen Phrasenstrukturmodell.
(7) | a. | er’reichen (Der Apostroph markiert die darauf folgende betonte Silbe.) |
b. | Der FC Bayern er’reichte am Ende fast alle seine Ziele. | |
(8) | a. | ’durch.reichen1 |
b. | Den HSV reichte man in fast bis ans Tabellenende durch. |
Bei der Partizip-Perfekt-Bildung gehen V-Ptkn dem Pfx ge- voran, mit dem andere Präverben in der Regel sogar inkompatibel sind (cf. 9c).
(9) | a. | Sie haben das Parkett blank.gebohnert. | (PartikelverbPartikelverb) |
b. | Sie hat ihn dadurch bloß.gestellt. | (PartikelverbPartikelverb) | |
c. | Sie haben das Parkett zerbohnert/ *gezerbohnert/ *zergebohnert. | (Präfixverb) |
Auch der Infinitivpartikel zu gehen V-Ptkn im Gegensatz zu sonstigen Präverben voran.
(10) | a. | Sie wurden gebeten, das Parkett blank.zu.bohnern/ *zu blankbohnern. | (PartikelverbPartikelverb) |
b. | Sie wurde davor gewarnt, ihn bloß.zu.stellen/ *zu bloßstellen. | (PartikelverbPartikelverb) | |
c. | Sie wurden gebeten, das Parkett zu zerbohnern/ *zerzubohnern. | (Präfixverb) |
Weitere Argumente für die Selbständigkeit von V-Ptkn sind, dass man sie oft separat modifizieren kann – in Bsp. (11) ist es eindeutig kennen, auf das sich das Adverbial bezieht – und die Vorfeldbesetzung, die zumindest unter geeigneten Bedingungen augenscheinlich möglich ist.
(11) | weil sie ihn dadurch etwas besser kennen.lernen konnten | ||
(12) | a. | Auf geht die Sonne im Osten, aber unter geht sie im Westen. | (Lüdeling 2001: 53) |
b. | Sehr nahe ging dem Prinzen der Verlust seines Kanarienvogels. | (ibd. 54) |
Folgende Kriterien werden in der Forschung gewöhnlich für die Vorfeldfähigkeit angeführt:
(13) | Kriterien für die Vorfeldbesetzung durch Prädikatelemente | |
a. | diskurssemantische Markiertheit | |
b. | semantische Transparenz/ Dekomponierbarkeit des Prädikats | |
c. | Phrasenstatus |
Als diskurssemantische Faktoren werden in der Literatur vor allem Kontrast und Fokussierung genannt (cf. Müller 2002: 276f.; Zeller 2003: 4f.; Heine et al. 2010: 46–49).
(14) | a. | Die Tür ist erst auf- und dann wieder zu.gegangen. |
b. | Auf ging die Tür, zu aber das Fenster. |
Dass diese allein jedoch für die Vorfeldbesetzung alleine nicht ausreichen, zeigt sich an folgenden Beispielen:
(15) | a. | Sie haben ihm das Diplom erst an- und dann wieder ab.erkannt. |
b. | *Ab- haben sie ihm zwar das Diplom erkannt, an- aber seine Mühen. | |
(16) | a. | Sie haben alle Eier aus- und alle Luftballons auf.geblasen. |
b. | *Aus- haben sie alle Eier und auf- alle Luftballons geblasen. |
Soll der Satz nicht zumindest markiert sein, müssen nach der Separierung beide Teile der Verbindung interpretierbar sein, weshalb bei Beispielen wie den folgenden keine Vorfeldbesetzung durch die Partikel möglich scheint.
(17) | a. | *An ist der Zug erst spät gekommen, obwohl er rechtzeitig weg.kam | (an ist desemantisiert) |
b. | *Ganz zusammen hat sich die Menge im Hof gerottet. | (rott- ist synchron kein VERBUM SIMPLEX) |
Was den Phrasenstatus betrifft,