sortir de sa classe (535)
Den teilweise phraseologischen Ausdrücken des Ausgangstextes kommt durchweg das Merkmal ‛nach oben gerichtet’ zu; die französischen Entsprechungen geben das nur zum Teil wieder, ein Phänomen, das auch in (3b) die Bedeutungsreduktion (und damit die geringere Markiertheit der Imageverletzung) ausmacht.
Zu den problematischen Fällen gehören für den Übersetzer ebenfalls fremdsprachige Elemente, z.B. einzelne Ausdrücke, Redewendungen, geflügelte Worte, Zitate. Wie soll der jeweilige Codeswitching-Effekt übertragen werden? Hierzu sei abschließend noch folgender Beleg aus Irrungen, Wirrungen angeführt:
1 (a) [Serge:] „[…] Aber Scherz beiseite, Freund, eines ist Ernst in der Sache: Rienäcker ärgert mich. Was hat er gegen die reizende kleine Frau. Weißt du’s?“(b) [Pitt:] „Ja.“(c) [Serge:] „Nun?“(d) [Pitt:] „She is rather a little silly. Oder wenn du’s deutsch hören willst: sie dalbert ein bißchen. Jedenfalls ihm zuviel.“ (Irrungen, Wirrungen XVIII, 131f.)
In dem zitierten Auschnitt geht es um eine Einschätzung der neuen Lebensgefährtin Botho von Rienäckers: Während Serge eine positive Meinung vertritt, äußert Pitt ein eher skeptisches Urteil, wie es in der despektierlichen Äußerung (4d) zum Ausdruck kommt. Mit dieser eindeutig negativen Bewertung setzt letzterer auch sein eigenes Image aufs Spiel, trotz der zunächst abmildernden englischen Formulierung. Indem er jedoch anschließend seine Einschätzung bekräftigt („wenn du’s deutsch hören willst…“), wird schließlich jeder Zweifel beseitigt, eine Eindeutigkeit, die in dieser Form in der Übersetzung nicht besteht (s. Abb. 6):
Abb. 6: Selbstdarstellung und Imagegefährdung
Es erstaunt, die Formulierung „wenn du’s deutsch hören willst“ (im Sinne von: ‛um es ganz deutlich zu sagen’) wörtlich übertragen und mit der französischen Aussage „elle bêtifie un peu“ kombiniert zu finden; hier dürfte eine Fehlinterpretation des Übersetzers vorliegen, was dann auch das Imagegefährdende der betreffenden Äußerung fraglich macht. Dagegen ist die Wiedergabe des Regionalismus dalbern (‛sich albern, kindisch verhalten’) nur begrenzt möglich, bêtifier entspricht allerdings dem semantischen Kern.
4. Fazit
Die besprochenen Beispiele beleuchten schlaglichtartig die semantisch-pragmatische Komplexität vieler Dialoge in den Fontane-Romanen. Dies dürfte einerseits mit dem Bemühen Fontanes zusammenhängen, die gesprochene Sprache möglichst wirklichkeitsgetreu nachzuempfinden. Andererseits sorgt das Bestreben, ebenso die soziale Milieu-Zugehörigkeit, bestimmte regionale Unterschiede, verschiedene Bildungsniveaus und überhaupt die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts einzubeziehen, für eine starke Ausdifferenzierung des Sprachverhaltens der beteiligten Protagonisten.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Ausprägung verbaler Höflichkeit zu sehen. Die obigen Ausführungen sind keineswegs ein Beleg für die These, Höflichkeit sei prinzipiell unübersetzbar. Sie zeigen aber gleichwohl, wie sinnvoll es möglicherweise ist, Höflichkeitsaspekte relativ zu speziellen Handlungsbereichen zu untersuchen und sie von vornherein mehreren Textbildungsebenen zuzuordnen. Als zielführend erweist sich in dem Zusammenhang, grundsätzlich zwischen Haupt- und Zusatzhandlungen zu unterscheiden: Die Signalisierung von Höflichkeit geschieht häufig in Form einer Modifikation übergeordneter Handlungen wie MITTEILEN, AUFFORDERN oder BEWERTEN und kann die Ebenen der Selbstdarstellung, Beziehungsgestaltung, Kommunikationsmodalität und der Text- oder Ablauforganisation betreffen. Und genau hier dürfte das zentrale Problem für die Übersetzung von als höflich wahrgenommenen Äußerungen liegen. Es ist vielfach schwierig oder gar unmöglich, in der Zielsprache Äquivalente zu finden, die nicht nur die gegebene Haupthandlung übertragen, sondern auch den jeweils mitgemeinten Zusatzhandlungen entsprechen. Dies zu veranschaulichen, sollte das Ziel des vorliegenden Beitrags sein.
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Thaler,