Группа авторов

Große Werke der Literatur XIV


Скачать книгу

Träumen schwer,

      Einwiegende Lüfte ziehen.

      Es reiche aber,

      Des dunkeln Lichtes voll,

      Mir einer den duftenden Becher,

      Damit ich ruhen möge; denn süß

      Wär unter Schatten der Schlummer.

      Nicht ist es gut,

      Seellos von sterblichen

      Gedanken zu sein. Doch gut

      Ist ein Gespräch und zu sagen

      Des Herzens Meinung, zu hören viel

      Von Tagen der Lieb,

      Und Taten, welche geschehen.

      Wo aber sind die Freunde? Bellarmin

      Mit dem Gefährten? Mancher

      Trägt Scheue, an die Quelle zu gehn;

      Es beginnet nämlich der Reichtum

      Im Meere. Sie,

      Wie Maler, bringen zusammen

      Das Schöne der Erd und verschmähn

      Den geflügelten Krieg nicht, und

      Zu wohnen einsam, jahrlang, unter

      Dem entlaubten Mast, wo nicht die Nacht durchglänzen

      Die Feiertage der Stadt,

      Und Saitenspiel und eingeborener Tanz nicht.

      Nun aber sind zu Indiern

      Die Männer gegangen,

      Dort an der luftigen Spitz

      An Traubenbergen, wo herab

      Die Dordogne kommt,

      Und zusammen mit der prächt’gen

      Garonne meerbreit

      Ausgehet der Strom. Es nehmet aber

      Und gibt Gedächtnis die See,

      Und die Lieb auch heftet fleißig die Augen,

      Was bleibet aber, stiften die Dichter.1

       I.

      In meinem Vortrag gehe ich von der elementaren hermeneutischen Maxime aus, dass ein Gedicht all das bedeutet, was es bedeuten kann. Sie wurde in Hölderlins Epoche entwickelt. Alles, was es bedeuten kann, heißt nicht alles Mögliche, sondern nur das in diesem Gedicht, bei diesem Autor und in seiner Zeit Mögliche.1

      Erschienen ist Andenken zuerst in Leo von Seckendorfs Musenalmanach für das Jahr 1808. Handschriftlich ist nur die Schlussstrophe überliefert. Entstanden ist das Gedicht wohl Ende 1802 oder im Frühjahr 1803. Hölderlin war psychisch krank. Aber wenigstens für den Herbst 1802 bezeugt sein Freund Isaak von Sinclair, er habe bei ihm „nie größere Geistes – u. Seelenkraft als damals“ gesehen.2

      Im ersten Überblick werden wir schon gewahr, dass das Gedicht nicht gereimt ist und die Zeilenlängen unregelmäßig sind. Fünf Strophen à 12 Zeilen, die letzte Strophe hat 11 Zeilen. Ein Versehen, oder fand es Hölderlin damit gut? Den Eindruck eines Gedichts erzeugen zuerst die Druckanordnung und die strophische Gruppierung des Textes. Der Rhythmus ist unregelmäßig, es kommt aber immer wieder zu rhythmischen Wiederholungen wie „Hingehet der Steg […] / Tief fällt der Bach“ oder „“Auf seidnen Boden, / Zur Märzenzeit“. Das Gedicht wird rhythmisch beendet mit dem metrischen Muster des Adoneus: „stiften die Dichter“. Dieses rhythmische Muster findet sich auch sonst: „unter den Winden“ z.B., „Schatten der Schlummer“, „bringen zusammen“. Eine rhythmische Spannung wird auch hervorgebracht durch die vielen Enjambements, ein poetisches Mittel, das Zeilenende und Zeilenübergang verbindet. Der Rhythmus ist intensiv, aber bei aller Variabilität und Spannung doch auch verhalten, unangestrengt. Dies liegt auch an der Übersichtlichkeit der syntaktischen Strukturen. Wiederholungen auch in der lautlichen Struktur: Sie wird immer wieder verdichtet durch Assonanzen und Alliterationen, durch eine Art Binnenreime also: „Geh aber nun und grüße / Die schöne Garonne, / Und die Gärten von Bourdeaux“ oder „Hingehet der Steg“ oder „… wächset ein Feigenbaum. / An Feiertagen gehen / Die braunen Frauen daselbst“ oder „einsam, jahrlang“, „stiften die Dichter“. Wiederholung und Variation also, eine solche rhythmische und lautliche Struktur – ist sie von dynamischer Kraft – erfahren wir als ästhetisch gelungen.

      Das Gedicht trägt den lapidaren Titel „Andenken“. Andenken bedeutet ein ‚Denken an‘ Vergangenes, eine Erinnerung an, aber im Unterschied zu Erinnerung ein konzentriertes, gesammeltes ‚Denken an‘, eine bewusstere, ‚andächtige‘ Handlung. Nicht einfach ein ‚Nicht-vergessen-haben‘, ‚Sich-wieder-Erinnern‘. Das Andenken kommt dem Denken nahe, aber der Gegenstand dieses Denkens ist vorgegeben, es ist Vergangenes. Das Andenken ist ein Andenken aus einer zeitlichen Distanz. Es gilt meist Verstorbenen. Mit Anzeigen in Zeitungen soll das trauernde Andenken oder Gedenken an eine Person öffentlich bekundet werden.

      Semantisch nahe ist Andenken auch dem Gedächtnis. Dieser Ausdruck kommt später im Gedicht vor. Abgeleitet ist er vom Partizip ‚gedacht‘ des Verbums ‚gedenken‘. Die Wörterbücher halten eine semantische Übereinstimmung von Andenken, Erinnern und Gedächtnis fest – wie z.B. in den Abendmahlsworten Lukas 22,19: „das tut zu meinem Gedächtnis“ – aber auch einen Unterschied: Gedächtnis kann auch das Erinnerungsvermögen bedeuten, ein ‚Gefäß‘ für das Erinnern, insofern auch für das Andenken. So nennen wir z.B. das Gedächtnis metaphorisch ein Sieb, reden wir von einem guten oder schlechten Gedächtnis. Der Ausdruck kann auch für eine lebhafte Vorstellung, eine Anschauung stehen. Ein Andenken kann auch ein Mittel des Andenkens bedeuten, dass man z.B. von einer Reise zurückbringt, ein Souvenir also.

      Der Titel heißt nicht ‚Ein Andenken‘ oder ‚Das Andenken‘, sondern nur lapidar „Andenken“. Als Leser erwarten wir daher, dass es über ein bestimmtes Andenken hinaus um das Andenken als solches, um die Handlung des Andenkens als solche geht.

      Der Nordost wehet,

      Der liebste unter den Winden

      Mir, weil er feurigen Geist

      Und gute Fahrt verheißet den Schiffern.

      Das Wehen des Nordostwindes wird festgestellt von einem lyrischen Subjekt, das sich in ein besonderes, emotionales, geradezu persönliches Verhältnis zu diesem Wind setzt. Er ist ihm der liebste. Dieses Subjekt artikuliert sich selbstsicher und gelassen. Wahrnehmbar wird die unmittelbare Instanz einer bestimmten Person. Sie nennt sich nicht mit Namen, sagt auch nicht ‚ich‘, wohl ‚mir‘, exponiert sich aber im ganzen Gedicht in ihrer Subjektivität. In dieser Artikulation folgen auf die Anrede an den Wind die Evokation von Erinnerungen an Bordeaux und die Landschaft um Bordeaux, der Ausdruck eigener Befindlichkeit und der eigenen Situation, Reflexionen, die ihren Ausgang von diesen Erinnerungen und der eigenen Situation nehmen, und am Ende eine selbstbewusste, sentenziöse Aussage.

      Warum ist der Nordost diesem Subjekt der liebste unter den Winden? Der Nordost weht nach Südwesten, also von der schwäbischen Heimat des Verfassers aus gesehen, wie man vorausgreifend folgern kann, in die Richtung, in der Bordeaux und das Meer liegen. Dieser Wind verheißt feurigen Geist, dies zuerst, und gute Fahrt den Schiffern. Feurigen Geist, das bedeutet metaphorisch Begeisterung, Wagemut, Leidenschaft. Die alte Metapher konnte übrigens um 1800 vor dem Hintergrund der Lehre vom sublimen, als Materie gedachten ‚Lebensgeist‘ auch noch wörtlich verstanden werden. Der feurige Geist oder das „Feuer vom Himmel“ ist das, was dem Brief an den Freund Böhlendorff vom 4. Dezember 1801 zufolge den abendländischen, nüchternen Deutschen mangelt. Im Rückblick auf seine Zeit in Bordeaux, auf die sich das Gedicht bezieht, schreibt Hölderlin in einem zweiten Brief an Böhlendorff, dass er in diesem südlichen Frankreich „das gewaltige Element, das Feuer des Himmels“ erfahren habe und die „Stille“ und das „Athletische“ der Menschen als Gegenreaktion auf dieses Feuer.3 Daher ist es gerade der Nordostwind, der „feurigen Geist“ verheißt.

      Eröffnet