gesundheitliches Problem von Kind an in einer Neigung zur Verstopfung bestand. Infolgedessen bemühte sie sich sehr um eine stark ballaststoffreiche Ernährung, zu der Grundnahrungsmittel wie das skandinavische Kleieknäckebrot zum Frühstück, Grünkohlsalat zum Mittagessen, rohe Karotten mit Hummus als Imbiss und ballaststoffreiches Getreide mit Beeren zum Abendessen gehörten. Ihre ballaststoffreiche Ernährung wirkte Wunder und sorgte für regelmäßigen Stuhlgang, ihr Darm entleerte sich täglich, oft sogar mehrmals, leicht und vollständig.
Nach einer kurzen Krankheit aufgrund eines Magen-Darm-Infekts vor etwa zwei Jahren kam es bei Sasha jedoch plötzlich zu einem sichtbaren Blähbauch sowie Übelkeitsgefühlen nach dem Essen – und in zunehmendem Maße konnten sie auch von Erbrechen begleitet sein. Zwei bis drei Wochen lang konnte sie sich völlig normal fühlen, doch dann flackerten die Beschwerden wieder auf; es kam vor, dass sie sich bis zu viermal in der Woche nach dem Abendessen übergeben musste. Sasha ging zu einem Gastroenterologen, der eine Gastroskopie, eine endoskopische Untersuchung des Magens und der Speiseröhre, und eine Koloskopie, eine endoskopische Untersuchung des Dickdarms machte – beide waren ohne Befund. Ein zweiter Gastroenterologe führte einen Atemtest durch, um eine bakterielle Überwucherung auszuschließen (s. Kapitel 8), er war ebenfalls negativ, doch sie bekam trotzdem Antibiotika und sollte sich FODMAP-arm ernähren (s. Kapitel 13). (FODMAP, soviel schon vorab, steht für fermentable oligo-, di- and monosaccharides and polyols, zu Deutsch fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole, was etwa vergärbare Mehrfach-, Zweifach- und Einfachzucker sowie mehrwertige Alkohole bedeutet; Anm. d. Übers.). Nichts davon veränderte auch nur das Geringste, und die Blähbeschwerden, die Übelkeit und das regelmäßige Erbrechen hielten an.
Ein dritter Gastroenterologe diagnostizierte einen Reflux und verschrieb ihr einen Protonenpumpenhemmer (PPI). Das Medikament verbesserte die Schwere ihrer Übelkeit spürbar und senkte die Häufigkeit des Erbrechens, doch die Blähbeschwerden blieben bestehen, und Sasha übergab sich noch immer einmal pro Woche nach dem Abendessen. Sie begann, ihre Nahrungsmittel und Symptome mithilfe einer App zu verfolgen und landete schließlich in meiner Praxis.
Ich bat Sasha, mir ihre Ernährungstagebücher von der Zeit an zu zeigen, als die Blähbeschwerden und das Erbrechen am schlimmsten waren und es kristallisierte sich ein klares Muster heraus. An ihren schlechten Tagen hatte sie mit großer Wahrscheinlichkeit entweder einen Salat zu Mittag oder ein umfangreicheres/fettreicheres Mittagessen und/oder eine Zwischenmahlzeit innerhalb von vier Stunden nach einer Mahlzeit zu sich genommen. Es spielte nicht immer eine Rolle, was sie an ihren schlechten Tagen am Abend aß, obwohl es schien, dass auf umfangreichere und fettreichere Abendessen ausnahmslos schwerere Blähbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen folgten.
In mir regte sich der Verdacht, dass Sashas Magen sich zu langsam entleeren könnte und sowohl ihre gesunden, ballaststoffreichen sowie die schonenderen, fettreichen Mittagsmahlzeiten dazu führten, dass ihr ohnehin träger Magen sich noch langsamer entleerte. (Erinnern Sie sich, wovon in diesem Kapitel bereits die Rede war – sowohl Fette als auch Ballaststoffe verlangsamen die Geschwindigkeit der Magenentleerung). Infolgedessen schien es, als würde sie jedes Mal eine Blähattacke dieses „Nahrungsbabys“ bekommen und von einer Übelkeitswelle heimgesucht werden, wenn sie einen Nachmittagsimbiss zu früh zu sich nahm – noch bevor das Mittagessen den Magen passiert hatte – oder jedes Mal, wenn das Mittagessen für ihren Magen schwer zu verflüssigen war.
Sashas Arzt veranlasste einen gastrischen Entleerungs-Scan, der bestätigte, dass sie tatsächlich an einer Gastroparese litt. Ich empfahl eine Sanfte Ernährung für den Gastrointestinaltrakt mit mäßigen Mengen von Ballaststoffen (s. Kapitel 12) und ermunterte sie dazu, kein rohes Gemüse, keine Kleiekräcker und mit Ballaststoffen angereicherte Getreideprodukte mehr zu essen. Ich empfahl drei fettarme Mahlzeiten und eine Zwischenmahlzeit pro Tag, zwischen denen jeweils vier Stunden liegen sollten. Ich animierte Sasha dazu, die meisten Ballaststoffe über reifes Obst ohne Schale, Vollgetreideprodukte von weicherer Konsistenz (wie Instant-Haferflocken oder Naturreis) und gekochtes Gemüse oder Gemüsesuppen zuzuführen.
Sasha ging es hinsichtlich des Blähbauchs, der Übelkeit und des Erbrechens mit der Sanften Ernährung für den Gastrointestinaltrakt viel besser und sie konnte ihre Symptome oft wochenlang unter Kontrolle halten, vorausgesetzt, dass sie selbst die Kontrolle über ihre Mahlzeiten hatte. (Wenn sie auf Reisen war, war das schwieriger.) Doch schon sehr bald begann sich ihr alter Erzfeind – die Verstopfung – wieder unangenehm bemerkbar zu machen. Weniger Ballaststoffe und weniger grobkörnige Nahrung besserten ihre Blähbeschwerden und die Übelkeit, führten jedoch zu Stuhlträgheit; Sasha hatte nun nur jeden zweiten Tag Stuhlgang. An den Tagen dazwischen gingen sehr viel mehr Winde ab. Die Bedürfnisse ihres oberen und ihres unteren Verdauungstrakts standen zueinander in Konkurrenz und herauszufinden, wie man beiden gerecht werden konnte, würde ein wahrer Balanceakt werden.
Sashas Gastroenterologe und ich arbeiteten weiter mit ihr an einem Gleichgewicht ohne Beschwerden. Ihr Arzt verordnete ihr Magnesium in verschiedenen Formen und Dosierungen als mildes Abführmittel (s. Kapitel 7 und 14), bis er herausfand, welches am besten wirkte, und ich unterstützte sie darin, die Arten von Obst und Gemüse zu sich zu nehmen, die wegen ihrer abführenden Wirkung für eine superschnelle Passage sorgten, wie etwa mit Pflaumensaft angereicherte Smoothies, Salate aus gekochten Roten Beten und Gemüseburger mit pürierter Avocado. Wie viele Menschen, die mit einem chronischen Magen-Darm-Leiden zu tun haben, muss Sasha vorausplanen, damit passende Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe sie ihre Symptome unter Kontrolle halten kann.
Ab und zu ist Sasha von ihren Einschränkungen frustriert und beschließt, sich alles zu gönnen, was sie essen möchte, damit sie sich wieder „normal“ fühlen kann. Wenn sie das macht, bezahlt sie es teuer mit Blähbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen. Doch meistens hält sie sich an ihren Plan und es geht ihr gut. Ihr Arzt hat ihr Prokinetika angeboten, die ihr mehr Spielraum bei der Auswahl ihrer Ernährung geben könnten, doch im Augenblick, sagt Sasha, würde sie lieber versuchen, allein durch die Ernährung mit ihren Symptomen zurechtzukommen. Wenn sich das einmal ändert, weiß sie, dass sie ein paar medikamentöse Alternativen hat, mit denen sie es versuchen kann.
Dyssynergie im Bereich von Abdomen und Zwerchfell (APD, von engl. abdomino-phrenic dyssynergia)
Dyssynergie ist ein allgemeiner Begriff, der eine Störung des Zusammenwirkens zusammengehörender Funktionseinheiten, etwa von Muskelbewegungen eventuell aufgrund fehlerhafter Nervensignale, beschreibt. Es gibt verschiedene Arten von Dyssynergie, die sich auf das Verdauungssystem auswirken können. Eine davon verursacht sehr typische Blähbeschwerden, die vom Magen ausgehen (und eigentlich auch vom Dünndarm). Sie wird im englischsprachigen Raum als abdomino-phrenic dyssynergia, etwa Abdomino-phrenische Dyssynergie bezeichnet, und wir nennen sie ab jetzt APD.
Ist Ihr Magen leer, hat er etwa die Größe einer Faust. Doch der Magen kann sich erstaunlich ausdehnen und eine sehr große Menge an Nahrung, etwa das Volumen von einem Liter, auf einmal aufnehmen. Da der gefüllte Magen in der Bauchhöhle immer größer wird, muss sich ein Muskel, das Zwerchfell (Diaphragma), das direkt über der Bauchhöhle liegt, heben, um Platz für den sich ausdehnenden Magen zu machen. Aus demselben Grund sollen sich auch die Muskeln der Bauchwand etwas entspannen.
Im Falle einer APD hebt sich das Zwerchfell nicht wie vorgesehen; es kann sich sogar genau dann nach unten in die Bauchhöhle schieben, wenn Magen und Dünndarm sich mit Nahrung zu füllen beginnen und Platz brauchen, um sich auszudehnen. Gleichzeitig beginnen sich die Muskeln, die die Bauchdecke stützen, übermäßig zu entspannen. Sie essen zum Beispiel vielleicht gerade eine Kleinigkeit – sagen wir, einen Müsliriegel – und die Muskeln der Bauchwand dehnen sich so stark aus, wie Sie es beim Verzehr einer kompletten Feiertagsmahlzeit erwarten würden. Infolgedessen drücken der mit Nahrung gefüllte Magen und der Dünndarm nach außen gegen die Bauchwand, die sich