1946 gelang, die Genehmigung für die Wiederaufnahme der Vorlesungen an der Universität München zu erhalten. Die Auf- und Ausbaumaßnahmen an den universitären Anlagen zogen sich dagegen noch bis in die sechziger Jahre hin. Anders gestaltete sich die Lage an der Universität Erlangen, die von Zerstörungen weitgehend verschont geblieben war. Sie nahm schon zum Wintersemester 1945/46, ebenfalls nach einer umfassenden Überprüfung des Lehrkörpers, ihren Lehrbetrieb wieder auf.
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Impulse und Regelungen für das Hochschulrecht gingen schon bald von bundesdeutschen Gremien aus, vor allem von der 1948 eingerichteten Kultusministerkonferenz (KMK), von der 1949 gegründeten Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK) und dem 1957 entstandenen Wissenschaftsrat. Es setzte sich im Wesentlichen eine Wiederbelebung des Humboldtschen Universitätskonzepts[91] und eine Kontinuität zu den Strukturen vor 1933 durch.[92] Die Universitäten blieben selbstverwaltende Institutionen zwischen Anstalt und Körperschaft des öffentlichen Rechts.[93] Die Leitung der Hochschule folgte weiterhin dem Konzept der Ordinarienuniversität. Die Hochschulpolitik lag nun wieder in der Hand der Länder, auch wenn sich der Bund schon seit den fünfziger Jahren an der Förderung des Hochschulbaus und der Forschungs- und Ausbildungsförderung („Honnefer Modell“) beteiligte.
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Die Verfassung des Freistaats Bayern von 1946 setzte wichtige hochschulrechtliche Akzente, indem sie – noch vor dem Grundgesetz von 1949 (Art. 5 Abs. 3 GG)[94] – die Freiheit der Wissenschaft (Art. 108 BV) garantierte, den Staat zur Bereitstellung universitärer Ausbildungsmöglichkeiten verpflichtete (Art. 118 Abs. 2 BV) und der universitären Selbstverwaltung Verfassungsfestigkeit verlieh (Art. 138 Abs. 2 BV).
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Mit der Hochschule für Politik München wurde 1950 eine Neugründung genehmigt, die zunächst als eingetragener Verein das Interesse für politische Fragestellungen aufgreifen und breiteren Schichten politische Bildung und demokratisches Bewusstsein vermitteln sollte. Im Jahre 1970[95] wurde sie als „institutionell selbstständige Einrichtung“ der Universität München angegliedert und erhielt 1981[96] den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Seit 1. Dezember 2014 ist Träger der „Bavarian School of Public Policy“ die TU München.
b) Universitätsgründungen und -umbildungen der siebziger Jahre
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Seit den sechziger Jahren war ein kontinuierliches Ansteigen der Studentenzahlen zu verzeichnen. Der Schwerpunkt rechtlicher Auseinandersetzungen um die Entwicklung bayerischer Hochschulen lag daher im Zulassungsrecht. Der wachsenden Nachfrage nach Studienplätzen, hervorgerufen vor allem durch eine zunehmende Bedeutung akademischer Ausbildungswege für das Berufsleben, konnte nur über wenige Jahre im Wege des Kapazitätenausbaus begegnet werden. Der Gesetzgeber sah sich daher gezwungen, die Zulassung zum Studium einzuschränken, wenn auch zunächst nur für einzelne Gruppen. Die Nichtzulassung Berufstätiger mit akademischem Abschluss wurde Auslöser der ersten Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zum Zulassungsrecht.[97] Der Gerichtshof stellte fest, dass Art. 128 BV kein subjektives Recht auf die gewünschte Ausbildung verleihe. Im Falle eines Bewerberüberhangs sei aber eine sachliche Auswahl unter den Bewerbern geboten, was bei der Zurückstellung von Bewerbern, die ein Studium bereits durchlaufen hätten, prinzipiell der Fall sei. Die Regelungsbefugnis des Staatsministeriums betreffend das Zulassungsrecht bejahte das Gericht und nahm dabei erstmals eingehend zur Zwitterstellung der Universität zwischen Selbstverwaltungskörperschaft und staatlicher Anstalt Stellung.[98]
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Gleichzeitig versuchte die Landesregierung, dem Studienplatzmangel durch die Gründung neuer Universitäten abzuhelfen. Dahinter standen auch strukturpolitische Motive. Einerseits sollte die erhebliche ökonomische Relevanz einer Hochschule segensreiche Entwicklungen für die Wirtschaft in den strukturschwachen Regionen des Landes herbeiführen, andererseits sollte die Regionalisierung die Bildungschancen auch in geographischen Randlagen erhöhen. Außerdem boten die neuen Universitäten die Möglichkeit zur Erprobung innovativer, experimenteller Studienkonzepte. Vom Leitbild der universitas litterarum verabschiedete man sich dabei zwangsläufig. Die Neugründungswelle spiegelt eine gesamtdeutsche Entwicklung wieder, die allerdings in Bayern, wo allein sechs der bis zur Wiedervereinigung neu gegründeten fünfzehn westdeutschen Universitäten entstanden, besonders forciert wurde.
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Durch das Gesetz über die Errichtung einer vierten Landesuniversität[99] fiel der mehrmals knapp verpasste[100] Startschuss für die Universität Regensburg. Die neue Alma Mater nahm im Wintersemester 1967/68 ihren Lehrbetrieb auf. Ihr wurde 1972 die Pädagogische Hochschule Regensburg eingegliedert. 1969 trat das Gesetz über die Errichtung der Universität Augsburg[101] in Kraft. Die Universität konnte aufgrund des seinerzeit bereits fortgeschrittenen Standes der Planungen[102] bereits im Oktober 1970 eröffnet werden. Eine Eingliederung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Dillingen[103] erfolgte 1971, während die Pädagogische Hochschule Augsburg der Universität München als Theologische bzw. Erziehungswissenschaftliche Fakultät angegliedert wurde. Die Gründung der Augsburger Universität wurde zugleich Gegenstand einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs,[104] in der dieser die im Wege einer Rechtsverordnung des Kultusministeriums im Vorgriff auf das Bayerische Hochschulgesetz erlassene Universitätsverfassung bestätigte. Zum Reformmodell wurde Augsburg durch die bundesweit erstmalige Einführung der einstufigen Juristenausbildung (1971–1984/85). Das Gesetz über die Errichtung einer Universität Bayreuth aus dem Jahr 1971[105] führte zur Grundsteinlegung im März 1974 und der Aufnahme des Lehrbetriebs zum Wintersemester 1975/76, nachdem sich Bayreuth bereits 1969 als Hochschulstandort beworben hatte. Bereits 1972 trat das Gesetz über die Errichtung der Gesamthochschule Bamberg[106] in Kraft, durch das die Philosophisch-Theologische Hochschule, die Pädagogische Hochschule und die höhere Fachschule für Sozialwesen zusammengelegt wurden. Damit hatte auch der Freistaat zunächst das Konzept der Gesamthochschule umgesetzt, von dem er sich durch die Umbenennung in eine Universität 1979[107] indes wieder löste. Schließlich wurde 1972 die Errichtung einer Universität in Passau beschlossen.[108] Die Eröffnung erfolgte dort unter Eingliederung der Philosophisch-Theologischen Hochschule im Jahre 1978.
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In Eichstätt[109] war 1946 der Betrieb der Philosophisch-Theologischen Hochschule wieder aufgenommen und 1958 zusätzlich eine kirchliche Pädagogische Hochschule gegründet worden. Im Jahre 1972 erfolgte die Zusammenlegung beider Einrichtungen. Die neue Institution wurde zunächst als Gesamthochschule geführt, aber seit 1980 infolge der Trägerschaft einer kirchlichen Stiftung des öffentlichen Rechts als Katholische Universität Eichstätt bezeichnet. Die 1989/90 erfolgte Gründung einer betriebswissenschaftlichen Fakultät in Ingolstadt führte schließlich 2001 zur Umbenennung in „Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt“. Die Technische Hochschule in München, die 1967 bereits die Genehmigung zur Errichtung einer Medizinischen Fakultät erhalten hatte, wurde 1970, der gewachsenen Bedeutung und ihrem Fächerangebot entsprechend, in Technische Universität München umbenannt. Die Erlanger Universität erhielt 1961 die bisherige Nürnberger Handelshochschule als angegliederte Fakultät, 1966 eine eigene Technische Fakultät und schließlich 1972 durch Eingliederung der Pädagogischen Hochschule Nürnberg eine Pädagogische Fakultät. Auch in Würzburg wurde 1971 die örtliche Pädagogische Hochschule als Erziehungswissenschaftliche Fakultät in die Universität integriert. Die LMU erlebte schließlich ein sprunghaftes Wachstum, das sich vor allem in einem stetigen Anstieg der Zahl der Fakultäten und einer räumlichen Ausdehnung bis an die Stadtränder bemerkbar machte.
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Die Lehrerbildungsanstalten aus der Vorkriegszeit bestanden in Bayern zunächst fort, wurden aber 1958 den drei Landesuniversitäten zugeordnet. Die so entstandenen Pädagogischen Hochschulen wurden 1967 auch Gegenstand einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs,[110] der die Vereinbarkeit ihres konfessionellen Charakters (Art. 11 Abs. 1 S. 1 und Art. 12 Abs. 1 Lehrerbildungsgesetz) mit der Landesverfassung feststellte.