Das wissenschaftliche Personalrecht, seit 1978 niedergelegt im Hochschullehrergesetz,[139] wurde wie auch das BayHSchG erst 1989 an das veränderte HRG angepasst.[140] Dabei erfolgte vor allem eine Aufwertung des Wissenschaftlichen Assistenten und ein Wegfall der C-2-Professuren an Universitäten.
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In diese Zeit fiel auch eine weitere Universitätsneugründung, nämlich der als Einrichtung bereits seit 1973 bestehenden und 1981 vom Freistaat anerkannten Hochschule der Bundeswehr in München. Sie wurde 1985 zur Universität in der Form der Gesamthochschule, an der seit 2001 durch eine Änderung des BayHSchG auch zivile Studenten ausgebildet werden. Außerdem erkannte der Freistaat mehrere nichtstaatliche Hochschulen an.[141]
aa) Änderungen des HRG (1998/2002) und Reföderalisierung
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Im August 1998 hat die CDU/CSU/FDP-Koalition im Bund eine erneute, umfassende und alsbald in das bayerische Hochschulrecht umgesetzte[142] Reform des Hochschulrahmengesetzes beschlossen, die vor allem auf eine Rücknahme der bundesrechtlichen Regelungsdichte, insbesondere im Organisationsrecht, gerichtet war.[143] Durch das Reformgesetz gelangte auch erstmals unter der Zielvorgabe einer stärkeren Leistungsorientierung der Universitäten die verpflichtende Evaluation von Forschung und Lehre in das Hochschulrahmenrecht,[144] ebenso die probeweise Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen.[145] Insgesamt wurde den Ländern ein deutlich weiterer Spielraum zur Gestaltung ihres Hochschulrechts eröffnet, der in der Folgezeit zu einer erheblich gestiegenen Formenvielfalt führte.
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Im Jahre 2002 erfolgte eine weitere grundlegende (fünfte) Änderung des HRG,[146] deren Herzstück die Einführung einer so genannten Juniorprofessur mit dem Ziel der Ablösung der Habilitation bildete. Ein insbesondere vom Freistaat Bayern gestellter Normenkontrollantrag führte indes vor dem Bundesverfassungsgericht zum Erfolg und damit zur Nichtigkeit des aufgrund seiner Undifferenziertheit und Unkenntnis gewachsener wissenschaftlicher Fächerkulturen verfehlten Änderungsgesetzes.[147] Das Bundesverfassungsgericht konnte hierbei auf die in seiner Altenpflege-Entscheidung[148] entwickelten Grundsätze rekurrieren. Den ohnehin strengen Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG, die diese Bestimmung durch die Verfassungsreform 1994 erhalten hatte und die durch den einengenden Charakter der Rahmengesetzgebung nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG (a.F.) noch an Schärfe gewannen, konnte die von der Bundesregierung nicht belastbar begründete HRG-Novelle nicht Stand halten. Damit beförderte das Bundesverfassungsgericht eine Reföderalisierung des Hochschulrechts, die, wiederum auch auf bayerische Initiative, durch die Entscheidung des Gerichts zum bundesrechtlichen Verbot der Studiengebühren und der flächendeckenden Einführung der sog. verfassten Studierendenschaft[149] bestätigt wurde.[150]
bb) Die landesgesetzlichen Hochschulorganisationsreformen
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Insgesamt begann für das deutsche Hochschulrecht mit der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert eine Phase des Umbruchs im Zeichen gewährleistungsstaatlicher Konzepte und des Neuen Steuerungsmodells (New Public Management)[151]. In der Folge kam es zu einer fortschreitenden Ökonomisierung und Umgestaltung der Hochschulorganisation, namentlich durch deutliche Stärkung der Leitungsorgane (Hierarchisierung) nach dem Vorbild von Wirtschaftsunternehmen („Vorstand“, „Aufsichtsrat“),[152] die oft mit Forderungen nach einer wirtschaftlicheren Arbeitsweise (Effizienz, Zielvereinbarungen, Controlling, etc.) und der Umsetzung gesamtstaatlicher Sparziele verknüpft war. Dabei stand vor allem die Einführung von Hochschulräten in der Kritik.[153]
cc) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum LHG Brandenburg
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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[154] zum Brandenburgischen Hochschulgesetz in der Fassung von 1999/2004[155] hat den in diese Richtung gehenden gesetzgeberischen Reformen aus bundesverfassungsrechtlicher Sicht sehr weit gehende Spielräume eröffnet und die Maßstäbe des Demokratieprinzips sowie vor allem der Garantie akademischer Selbstverwaltung auf bedenklich weitgehende Weise zurückgenommen (Leitbild der von konstitutionellen Bindungen nahezu befreiten und insoweit „entfesselten“ Hochschule[156]).
dd) Popularklage gegen Teile der bayerischen Hochschulorganisationsreform
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Das BayHSchG 2006[157] nahm mit dem zentralen Steuerungsinstrument der Zielvereinbarung (Art. 15 BayHSchG), der Hochschulentwicklungsplanung (Art. 14 BayHSchG), vor allem aber mit dem Ziel einer Hierarchisierung (Stärkung der Hochschulleitung) und einer Flexibilisierung der Finanzplanung die Empfehlungen der Expertenkommission „Wissenschaftsland Bayern 2020“ (sog. Mittelstraß-Kommission) vom März 2005 auf. Es sah außerdem die Einführung von Studiengebühren (Art. 71 BayHSchG a.F.)[158] und die – in anderen Bundesländern teils bereits vollzogene – rechtliche Verselbstständigung der Universitätsklinika vor. Die Hochschulräte wurden neu konzipiert und umfassen seitdem auch die gewählten Mitglieder des Senats (Art. 26 Abs. 1 Nr. 1 BayHSchG). Schließlich gab eine Öffnungsklausel den Hochschulen, die bereits durch ihre Grundordnung mit Abweichungen vom gesetzlichen Grundtypus experimentieren können, die Möglichkeit zur Erprobung neuer Konzepte in eigener Regie nach Maßgabe einer Rechtsverordnung (Art. 106 Abs. 2 BayHSchG).[159]
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Verfassungsrechtliche Streitpunkte bildeten dabei vornehmlich die Wahl der Hochschulleitung durch den Hochschulrat (Art. 21 Abs. 1 S. 1, Art. 26 Abs. 1 S. 1 BayHSchG) sowie die Übertragung der Kompetenz, Berufungsvorschläge aufzustellen, auf den Präsidenten der Hochschule (Art. 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 11 BayHSchG i.V.m. Art. 18 Abs. 5 S. 1 bis 3 BayHSchPG). Als verfassungsrechtlich prekär stellt es sich insbesondere dar, dass der Hochschulrat zwar mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet wurde, jedoch nur unzureichend legitimiert ist, da er lediglich hälftig (damals: 8 von 16 Mitglieder [heute: 10 von 20, eigentlich 11 von 20, jedoch hat die Frauenbeauftragte kein Stimmrecht]) mit Vertretern der Hochschule besetzt ist, davon (nur) 5 Hochschullehrer neben drei Vertretern der unterschiedlichen Gruppen (Art. 26 Abs. 1, Art. 25 Abs. 1 S. 1 BayHSchG). Die rechtswissenschaftlichen Fakultäten der bayerischen Universitäten haben daher im Dezember 2006 Popularklage (Art. 98 S. 4 BV) gegen die genannten Neuregelungen erhoben.[160] Der BayVerfGH hat die Popularklage jedoch als unbegründet abgewiesen und sich hierbei vor allem auf die Betonung des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers zurückgezogen[161] und erklärt, der Gesetzgeber sei bei seiner Ermessensbetätigung weder an bestehende noch an überkommene Organisationsmodelle gebunden, sondern vielmehr berechtigt, das Hochschulrecht heutigen gesellschaftlichen und wissenschafts-soziologischen Gegebenheiten anzupassen. Insbesondere die Etablierung eines hälftig extern besetzten Hochschulrates sei zulässig; in diesem müssten die Hochschullehrer keine strukturelle Mehrheit haben, da die Zuständigkeiten des Gremiums (Art. 26 Abs. 5 BayHSchG) keine unmittelbare Relevanz für die Forschungs- und Lehrfreiheit des einzelnen Wissenschaftlers hätten. Der BayVerfGH hat aber in den Gründen seiner Entscheidung immerhin vorsichtig zu erkennen gegeben, dass die Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers mit der bayerischen Hochschulorganisationsreform 2006 weitgehend ausgeschöpft wurden, was mit dazu beigetragen haben dürfte, eine – von Teilen der bayerischen Hochschulpolitik befürwortete – noch „progressivere“ Reformgesetzgebung seitdem auszubremsen.[162] Verfassungsrechtsdogmatisch enttäuscht das Urteil jedoch in weiten Teilen und erweist sich auf erstaunliche Weise unitarisch (nahezu „blinde“ Anlehnung an das „BbgHG-Urteil“ des BVerfG[163]) und kraftlos.[164] Der BayVerfGH hat es dagegen insbesondere versäumt, die traditionsbeladene institutionelle Selbstverwaltungsgarantie des Art. 138 Abs. 2 BV mit Leben zu erfüllen. Stattdessen zog er es – kaum im Sinne der Mütter und Väter der Bayerischen Verfassung sowie einer überzeugenden systematischen Auslegung (die den Selbststand jeder Norm zu wahren hat) – vor, Art. 138 Abs. 2 BV interpretatorisch zu