haben das Recht …“) spricht ebenfalls klar für die Interpretation des Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV als subjektives Recht. Dieses Recht erstreckt sich auf Eingriffe in den Selbstverwaltungsbereich bzw. in den Bereich der Körperschaftsangelegenheiten. Eingriffe dürfen nicht in den Kernbereich eingreifen und müssen, um gerechtfertigt zu sein, in verhältnismäßiger Weise einem legitimen Zweck dienen.
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Der Bestand einer Hochschule oder einer Hochschuleinrichtung (z.B. Fakultät, Forschungsinstitut) ist von Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV prinzipiell genauso wenig geschützt wie von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG[65]. Auch die Feststellung des BVerfG, jedenfalls eine Zusammenlegung oder Auflösung ganzer Hochschulen bedürfe – weil damit erhebliche Folgen für die dort tätigen Wissenschaftler und Studierenden verbunden seien – einer parlamentsgesetzlichen Grundlage,[66] lässt sich auf die bayerische Verfassungslage übertragen. Weil die Bayerische Verfassung im Gegensatz zum Grundgesetz ein explizite Garantie der akademischen Selbstverwaltung enthält, stellt sich aber die Frage, ob aus dieser Garantie eine Pflicht folgt, vor entsprechenden staatlichen Entscheidungen die betroffenen Einrichtungen anzuhören (s. auch oben Rn. 143[67]. Zu berücksichtigen ist dabei zum einen, dass Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV als Verfassungsnorm im Gesetzgebungsverfahren ohnehin zu beachten ist. Zum anderen ist auch auf der Ebene des bayerischen Verfassungsrechts der Vergleich zwischen akademischer und kommunaler Selbstverwaltung (auf diesen stützt die wohl h. Lit. die Anhörungspflicht gegenüber den Hochschulen) nicht unproblematisch.[68] Die kommunale Selbstverwaltung hat örtlichen Bezug (alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft), die akademische Selbstverwaltung sachlichen (Forschung und Lehre); die Kommunen sind ein Element der mittelbaren Staatsverwaltung ohne Grundrechtsbezug, die staatlichen Hochschulen dienen gerade der Verwirklichung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit. Letztlich kann die Frage, ob es eine verfassungsrechtliche Pflicht gibt, die Hochschulen vor ihrer Fusion oder Auflösung anzuhören, aber hier dahinstehen, da eine solche Anhörung in der Praxis nahezu immer stattfinden wird. Das Fusions-/Auflösungsgesetz muss im Übrigen den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Art. 108 Abs. 1 BV, Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 166 Abs. 2 und 3 BV entsprechen, insbesondere verhältnismäßig sein.[69]
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Anders ist die Rechtslage bei staatlichen Maßnahmen, die zwar den Bestand von Hochschuleinrichtungen unangetastet lassen, die Bedingungen für freie Forschung und Lehre an der Hochschule jedoch unmittelbar betreffen, wie insbesondere die Auflösung von Studiengängen.[70] In diesen Fällen ist wegen der Wissenschaftsrelevanz dieser Strukturentscheidungen die Hochschule bzw. die betroffene Einrichtung (z.B. die Fakultät, die das Lehrangebot in dem aufzulösenden Studiengang sicherstellt) anzuhören.[71] Da es sich um belastende Verwaltungsentscheidungen handelt, folgt das Anhörungsrecht aus dem Gedanken des Art. 28 BayVwVfG. Da die Initiative zur Auflösung von Studiengängen oder gar Hochschuleinrichtungen in der Praxis in aller Regel von der Hochschule selbst ausgeht oder als Maßnahme der Rechtsaufsicht verfügt wird (bei der ohnehin anzuhören ist), hat auch insoweit das Anhörungsrecht vorwiegend theoretische Bedeutung.
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Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV garantiert ausdrücklich eine studentische Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung, soweit es um Angelegenheiten der Studenten geht. Dieses Mitwirkungsrecht bezieht sich nur auf Fragen des Studiums und damit zusammenhängende Bereiche (z.B. Stipendienwesen, Verwendung von Studiengebühren, Bibliotheksangelegenheiten sowie Errichtung und Betrieb von Selbsthilfeeinrichtungen). Nicht erfasst ist der Bereich der Forschung. Gemessen an der grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn Studierende auch in Fragen der Lehre und des Prüfungswesens sowie in Berufungsangelegenheiten zumindest angehört werden.[72] Ob Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV den Studierenden in diesen Bereichen einen Anspruch auf Beteiligung garantiert, ist jedoch zweifelhaft. Die Formulierung „ihre Angelegenheiten“ spricht dafür, dass ein solcher Anspruch höchstens besteht, soweit es um Fragen geht, die die Studierenden spezifisch, nicht nur als eine von mehreren Hochschulgruppen betreffen. In keinem Fall wird von Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV ein allgemein politisches Mandat von Studentenvertretungen garantiert.[73] Dies folgt bereits aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 138 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BV. Eine bestimmte Form der studentischen Mitwirkung (etwa durch verfasste Studierendenschaften) garantiert Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV ebenfalls nicht,[74] die Mitwirkung muss aber effektiv sein. Die generelle Beschränkung auf Anhörungsrechte wäre daher unzulässig. Grundrechtsdogmatisch gesehen ist Art. 138 Abs. 2 S. 2 BV ebenfalls eine Einrichtungsgarantie.
bb) Verhältnis des Art. 138 Abs. 2 BV zu Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
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Nach Art. 31 GG verdrängt Bundesrecht Landesrecht, d.h. soweit Landesrecht dem Bundesrecht widerspricht, ist es im konkreten Konfliktfall nicht anwendbar. Demgegenüber bestimmt Art. 142 GG, dass ungeachtet des Art. 31 GG landesverfassungsrechtliche Regelungen in Kraft bleiben, soweit sie in Übereinstimmung mit Art. 1 bis 18 GG Grundrechte gewähren.
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Die Gewährleistung der akademischen Selbstverwaltung in Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV kann zumindest ihrem materiellen Gehalt nach als grundrechtliche Bestimmung angesehen werden. Dies spricht dafür, auf sie vorrangig Art. 142 GG anzuwenden. Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV befindet sich auch inhaltlich in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG[75]. Das BVerfG hat zwar, wie dargelegt, festgestellt, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht zur Hochschulorganisation nach dem Selbstverwaltungsmodell zwingt. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass es den Ländern verwehrt wäre, die akademische Selbstverwaltung in ihren Verfassungen zu verankern. Die individuelle Wissenschaftsfreiheit wird dadurch nicht eingeschränkt. Zum einen hat die Grundrechtsposition der Hochschulen generell und damit auch die akademische Selbstverwaltung im Verhältnis zur individuellen Wissenschaftsfreiheit nur eine dienende Funktion (s.u. Rn. 164 ff.). Freie Forschung und Lehre sind zum anderen in einer Hochschule mit Selbstverwaltungsrecht wohl sogar leichter ausübbar als in einer Hochschule ohne ein solches Recht.
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Selbst wenn man dem wegen der systematischen Stellung des Art. 138 BV außerhalb des Grundrechtsteils der Bayerischen Verfassung nicht folgen und stattdessen auf Art. 31 GG abstellen will, ergibt sich nichts anderes. Art. 31 GG setzt ebenfalls einen Normwiderspruch voraus, der zwischen Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV und Art. 5 Abs. 3 GG jedoch wie gezeigt, nicht vorliegt. Ebenso wenig lässt sich ein solcher Widerspruch im Verhältnis zwischen einfachem Bundesrecht und Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV begründen. Mit der im Zuge der Föderalismusreform 2006 geplanten (bisher aber nicht umgesetzten) Abschaffung des HRG würde auf Bundesebene zwar keine Norm mehr existieren, die (wie § 58 Abs. 1 S. 3 HRG), den Hochschulen ein Selbstverwaltungsrecht explizit zuerkennt. Dem Bundesrecht lässt sich aber auch dann nicht entnehmen, dass ein solches Recht ausgeschlossen sein soll.[76]
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Fraglich ist, in welchem Umfang Beschränkungen der individuellen Wissenschaftsfreiheit, die der Ausgestaltung der akademischen Selbstverwaltung dienen, verfassungsrechtlich zulässig sind. Auf der landesverfassungsrechtlichen Ebene ist die Zulässigkeit relativ unproblematisch: Zwar ist das Grundrecht aus Art. 108 BV mangels geschriebener Grundrechtsschranken nur durch kollidierendes Verfassungsrecht einschränkbar. Solches kollidierende Verfassungsrecht findet sich jedoch in Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV. Problematischer ist insoweit das Verhältnis zwischen Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV und (dem wie Art. 108 BV vorbehaltlosen) Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Folgt man dem BVerfG darin, dass sich eine Garantie der akademischen Selbstverwaltung dem Grundgesetz nicht entnehmen lässt, stellt sich die Frage, ob ein vorbehaltloses Grundrecht des Grundgesetzes (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) gestützt auf eine Bestimmung der Landesverfassung (Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV) beschränkt werden kann. Im vorliegenden Fall ist dies zu bejahen: Das BVerfG hat anerkannt, dass der Hochschulgesetzgeber die Organisation der Hochschulen nach dem Selbstverwaltungsmodell ausgestalten darf.[77] Das Gericht sieht also offenbar Regelungen, die der Ausgestaltung der akademischen Selbstverwaltung