Grundrechtsbeschränkungen darstellen (z.B. weil die Mitglieder der Hochschule in sie eingewilligt haben)[78] oder damit, dass es sich um verfassungsgemäße Beschränkungen handelt. Es erscheint jedoch konstruiert, eine Einwilligung der Hochschulmitglieder bezogen auf alle gegenwärtigen und künftigen Regelungen der Selbstverwaltung durch den Gesetzgeber anzunehmen. Daher muss es sich um gerechtfertigte Beschränkungen handelt. Der Hochschulgesetzgeber darf, obwohl die Wissenschaftsfreiheit vorbehaltlos garantiert ist, also die akademische Selbstverwaltung ausgestalten. Hochschulgesetzgeber ist jedoch (und war auch als es die Rahmenkompetenz des Bundes nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a GG noch gab) in erster Linie der Landesgesetzgeber. Somit muss es auch dem Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich erlaubt sein, die akademische Selbstverwaltung zu regeln, ohne dass dem Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG entgegenstünde.
d) Die Hochschule als Grundrechtsträgerin und Grundrechtsverpflichtete
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Die (staatlichen) Hochschulen sind sowohl grundrechtsberechtigt als auch grundrechtsverpflichtet: Trotz ihres Charakters als juristische Person des öffentlichen Rechts kann die Hochschule Trägerin von Grundrechten, insbesondere der Wissenschaftsfreiheit sein. Die vom Schrifttum[79] und dem BayVerfGH anerkannte Grundrechtsberechtigung der Hochschule[80] dient dazu, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Wissenschaftsfreiheit vorwiegend an Hochschulen ausgeübt wird und deshalb dem Staat eher die Hochschule und als der einzelne Wissenschaftler gegenübertritt. Der Grundrechtsschutz des einzelnen Wissenschaftlers bedarf deshalb einer Abrundung durch den Grundrechtsschutz der Hochschule. Allerdings ist die Grundrechtsberechtigung der Hochschule auf das Außenverhältnis zum Staat beschränkt.[81] In keinem Fall darf die Hochschule sich für eine Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit des Einzelnen auf Grundrechte berufen. Anderenfalls könnte das Ziel, die Grundrechtsposition des einzelnen Wissenschaftlers durch eine Grundrechtsberechtigung der Hochschule zu stärken, verfehlt werden.[82] Dass die Grundrechtsträgerschaft der Hochschule auf das Außenverhältnis beschränkt ist, gilt im Übrigen auch für die subjektiv-rechtliche Seite der akademischen Selbstverwaltung i.S.d. Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV[83].
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Mit dieser Beschränkung einer Grundrechtsposition der Hochschule ist freilich nicht zugleich eine Grundrechtsträgerschaft der Fakultäten und ähnlicher Untergliederungen (auch unterhalb der Fakultätsebene)[84] ausgeschlossen. Diese ist zwar ebenfalls auf das Verhältnis zum Staat beschränkt. „Staat“ in diesem Sinne ist jedoch auch die Hochschulleitung und zwar erst recht dann, wenn sie im Zuge von Hochschulreformen im Verhältnis zur Ministerialverwaltung gestärkt und verselbstständigt wurde.[85] Sinn von Hochschulreformen kann nicht sein, durch Verschiebung der Verantwortungsteilung im Hochschulwesen zugunsten der Hochschulen den Grundrechtsschutz für freie Forschung und Lehre insgesamt zu schwächen. Von dieser Grundrechtsberechtigung der Untergliederungen der Hochschule sind die organschaftlichen Rechte dieser Einheiten zu unterscheiden. Diese können im Wege eines Hochschulverfassungsstreits (Spezialfall des verwaltungsrechtlichen Organstreits[86]) gegen andere teilrechtsfähige Rechtssubjekte innerhalb der Hochschule auch dann verteidigt werden, wenn nicht zugleich eine Grundrechtsbeeinträchtigung vorliegt.
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Beschränkt die Hochschule Rechte ihrer Mitglieder oder grundrechtsberechtigten Untergliederungen, ist sie, wie bereits angedeutet, aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung grundrechtsverpflichtet. Dasselbe gilt im Außenverhältnis z.B. bei Immatrikulationen oder gegenüber externen Doktoranden. Je stärker Aufgaben im Zuge von Hochschulreformen auf die Hochschulen verlagert werden, desto wichtiger wird für den einzelnen Wissenschaftler diese Grundrechtsverpflichtung der Hochschule.
e) Akademische Selbstverwaltung und demokratische Legitimation
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Da Hochschulen, insbesondere soweit sie gegenüber Studenten tätig werden, Staatsgewalt ausüben, bedarf ihr Handeln nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 S. 2 BV demokratischer Legitimation. Die Beziehung zwischen diesem Verfassungserfordernis und der funktionalen, insbesondere der akademischen Selbstverwaltung ist nicht unproblematisch:
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Demokratische Legitimation bedeutet, dass prinzipiell jede Einzelentscheidung der Verwaltung auf den Willen des Volkes bzw. des von diesem gewählten Parlaments zurückgeführt werden kann.[87] Dies setzt im Wesentlichen zweierlei voraus: Erstens muss die entscheidende Stelle an die Gesetze und damit an den in diesen verkörperten Volkswillen gebunden sein (sog. sachlich-inhaltliche Legitimation). Diese Gesetzesbindung ist nur dann effektiv, wenn jeder Einzelne, der Staatsgewalt ausübt, den Weisungen einer übergeordneten Stelle unterliegt, die ihrerseits – vermittelt über weitere Behörden – den Weisungen der dem Parlament verantwortlichen Regierung unterworfen ist. Zweitens muss der im konkreten Einzelfall Handelnde seine Handlungsbefugnis (vermittelt über verschiedene Ernennungsakte) im Wege einer ununterbrochenen Legitimationskette auf die Regierung zurückführen können, die ihrerseits durch das Parlament gewählt wird (sog. personell-organisatorische Legitimation)[88]. Beide Legitimationsformen können sich ergänzen und teilweise kompensieren. Notwendig ist jedoch stets, dass ein insgesamt hinreichendes Legitimationsniveau erreicht wird.[89] Dies ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn eine der Legitimationsformen vollständig fehlt.
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Die Legitimationskette reißt ab, wenn eine Staatsgewalt ausübende Stelle keinen Weisungen unterliegt. Weitgehende Weisungsfreiheit ist jedoch Charakteristikum der Selbstverwaltung. Selbstverwaltung und demokratische Legitimation scheinen daher unvereinbar. Beide Prinzipien sind jedoch zumindest auf der Ebene der bayerischen Verfassung (Art. 2 und z.B. Art. 138 Abs. 2 S. 1 BV), gleichrangige Verfassungsgüter, die in praktische Konkordanz zu bringen sind. Davon geht (für die grundgesetzliche Ebene) auch das BVerfG aus, erkennt an, dass durch Betroffenenpartizipation im Rahmen der Selbstverwaltung das Demokratieprinzip durchaus auch gestärkt werden kann und argumentiert im Übrigen einzelfallbezogen.[90] Letztlich dürfte dies verfassungsdogmatisch der einzig gangbare Weg sein.
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Verschiedentlich wurde versucht, Demokratieprinzip und funktionale Selbstverwaltung als mit einander in Einklang stehend zu begreifen.[91] Die hierfür angebotenen Lösungsansätze begegnen jedoch Bedenken:
Dies gilt zunächst für die Idee, die Selbstverwaltungsorgane seien durch die Mitglieder der Körperschaft (als „Verbandsvolk“) demokratisch legitimiert.[92] Dies verkennt zum einen, dass die Demokratie des Grundgesetzes vorrangig eine interessenneutrale parlamentarische und keine „Betroffenendemokratie“ ist. Zum anderen ist die Definition des Begriffs „Volk“ als Träger der Staatsgewalt Sache des Verfassungsgebers. Dass der Verfassungsgeber den Begriff so definiert hätte, dass auch „Verbandsvölker“ umfasst sind, lässt sich aus der Verfassung nicht zweifelsfrei herleiten.[93] Daher kann der Legitimation durch ein Verbandsvolk höchstens eine Ergänzungsfunktion zukommen. Ferner bleibt die „Verbandsvolklegitimation“ ohnehin defizitär, weil dadurch ein Handeln der Körperschaft gegenüber Außenstehenden (z.B. die Ablehnung einer Immatrikulation durch eine Hochschule) nicht legitimiert werden kann.
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Kluth argumentiert, die Organe und Amtswalter eines Trägers funktionaler Selbstverwaltung seien zwar nicht unmittelbar demokratisch legitimiert. Mit der Gründung einer Selbstverwaltungseinheit (durch das Parlament oder die parlamentarisch legitimierte Regierung) erhielten jedoch deren Mitglieder eine kollektive demokratische Legitimation, die sie auf die Organe und Amtswalter übertragen könnten. Dass auch die Legitimation von Kollektiven verfassungsgemäß sei, zeige das Beispiel der Listenwahl.[94] Dem ist entgegenzuhalten, dass eine solche Kollektivlegitimation zu schwach ist, um den Anforderungen des Demokratieprinzips genügen zu können, weil der Legitimationsakt nur ein einziges Mal stattfindet und nicht wie die Legitimation des Parlaments durch Wahlen ständig erneuert wird. Gegen den Vergleich mit der Listenwahl spricht, dass bei einer solchen nicht ein Kollektiv legitimiert wird, sondern