J.P. Conrad

Frischfleisch


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Dean. »Kann ich ihm aber nicht verübeln. Ich hatte dir ja schon gesagt, dass er viel Stress gehabt hat, in letzter Zeit. Aber Kumpel ist Kumpel.« Er beugte sich etwas vor und drängte sein Gesicht grinsend in Robins Sichtfeld. »Ich will alles über sie wissen okay? Wie sie aussieht, ob sie einen Freund hat, und so weiter.«

      Robin schaute bereits wieder auf den noch mit Syntaxfehlern behafteten HTML-Code auf dem Monitor vor sich, als er antwortete:

      »Du scheinst es ja wirklich dringend nötig zu haben!«

      »Naja, über fünf Wochen kein Sex mehr. Da wird man halt ein bisschen hibbelig.«

      »Und wohl auch weniger wählerisch, was? Es könnte genauso gut eine siebzigjährige Oma sein, die in die Wohnung gezogen ist.«

      Dean verzog das Gesicht. »Quatsch! Welche siebzigjährige Oma zieht denn freiwillig in den obersten Stock? Es war doch die Dachwohnung, oder?«

      »Ja. Dean, bitte, ich muss hier fertig werden!« Robins Ton wurde bestimmter.

      Das Telefon klingelte und beide schwangen sich zur Tischmitte, um abzunehmen. Dean war schneller und grinste frech.

      »Zu langsam, alter Mann«, flüsterte er, die Hand über die Sprechmuschel haltend. Dann begrüßte er den Anrufer.

      Dem einseitigen Gespräch, das folgte, konnte Robin entnehmen, dass es einer ihrer Kunden war. Er wollte sich gerade wieder seiner Arbeit widmen, als es an der Wohnungstür läutete. Einen leisen Seufzer ausstoßend, sprang er auf. Als er die Tür öffnete, schaute er in das freundlich lächelnde Gesicht einer jungen, blonden und gut gebauten Frau. Sie trug eine Latzhose aus Jeansstoff, darunter ein weißes Shirt mit ausgefransten Ärmeln.

      »Ja?«

      »Hallo. Ich bin Jessica Walsh, ihre neue Nachbarin von ganz oben.« Sie deutete mit dem Finger zur Decke.

      »Hi. Robin Gibb.«

      Sie gaben sich die Hand. Jessica Walshs Händedruck war sanft und weich. Sie schaute ihn leicht verdutzt an.

      »Ja, ich weiß. Aber ich bin's nicht, wie man sieht«, entgegnete Robin locker. Er war belustigte Blicke und dumme Kommentare wegen seines Namens gewöhnt.

      Jessica Walsh lachte fröhlich. »Aha, ok. Ich wollte Sie eigentlich einladen, ganz spontan. Für heute Abend. Ich gebe eine kleine Einweihungsparty bei mir.«

      »Oh.«

      »Wenn Sie Lust haben, zu kommen? Gerne auch mit Begleitung. So ab sieben.«

      »Klingt gut. Ich komme gerne«, sagte Robin und überlegte, ob er es riskieren sollte, seinem Kumpel Dean davon zu erzählen.

      »Na, dann sieht man sich. Ich freue mich. Bis dann.«

      Sie machte kehrt und lief die Treppe mit sportlichen Schritten wieder hinauf. Robin sah ihr noch einen Moment gedankenversunken nach, wobei sein Blick an ihrem Po hängen blieb, der selbst durch die etwas zu weite Latzhose einen guten Eindruck machte. Dann schloss er die Tür.

      »War was?«, fragte ihn Dean, als er wieder das Büro betrat. Sein Freund hatte inzwischen das Telefonat beendet.

      Robin sah ihn grinsend an. »Ich habe gute Neuigkeiten für dich«, sagte er.

      Die Party

      »Danke nochmal für die Einladung«, sagte Mila, während Jessie die Tür hinter ihr schloss. Sie stellte fest, dass ihre Nachbarin sich umgezogen hatte: Mila trug nun weniger formelle Kleidung; eine Jeans und eine schwarze Bluse.

      »Ach, ich dachte mir, ich bringe das mit der Einweihungsfeier gleich hinter mich. Solange die meisten Sachen noch eingepackt sind, kann auch nichts kaputt gehen.« Jessie nahm das Tablett entgegen, auf dem unter Frischhaltefolie braune Muffins zu erkennen waren.

      »Danke, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen.«

      Mila winkte ab. »Die waren schnell gemacht. Außerdem hatte dein Vater ja darauf bestanden.« Sie sah an Jessie vorbei. »Wo ist er eigentlich?«

      Jessie stellte das Tablett auf den großen Esstisch an der Fensterfront neben die Pappbecher und die Getränkeflaschen.

      »Der Einbau des Sicherheitsschlosses hat ihn so verausgabt, dass es ihn nach Hause in sein Bett gezogen hat.« Sie trat an Mila heran und flüsterte: »Ist mir auch ganz recht so.«

      »Ich fand ihn sehr nett«, entgegnete Mila schulterzuckend, woraufhin Jessie mit den Augen rollte.

      »Nett, ja. Wenn man nicht seine Tochter ist, sicher. Was willst du trinken?«

      »Was hast du?«

      Jessie ging wieder zum Tisch. »Cola, Wasser, Bier. Eigentlich recht übersichtlich für eine Party.«

      »Dann nehme ich ein Bier.«

      »Setz dich doch, bitte.« Jessie deutete auf das mittlerweile von der Packfolie befreite Patchworksofa, das vor kurzem noch in ihrem Zimmer in Loughton gestanden hatte.

      »Ich bin wohl die erste, was?«, fragte Mila, während sie in die Polster sank.

      Jessie öffnete eine Bierflasche und gab sie ihrer Nachbarin. »Ja, aber hoffentlich nicht die einzige. Ich habe vorhin bei allen geklingelt und sie eingeladen. Mal sehen, wie spontan und flexibel meine neuen Nachbarn sind.«

      Mila machte ein erstauntes Gesicht. »Du hast auch Mister Forsythe eingeladen?«

      Jessie sah sie fragend an. »Forsythe war nochmal wer?«

      »Wohnt in Apartment drei, zweiter Stock.«

      »Nein, da hat niemand aufgemacht«, antwortete Jessie, nahm sich ebenfalls ein Bier und setzte sich dann zu Mila.

      Sie stießen an.

      »Auf gute Nachbarschaft!«

      »Auf gute Nachbarschaft.«

      Jessie trank einen großen Schluck des etwas zu warmen Biers. Dann fragte sie:

      »Was kannst du mir so über die Leute hier im Haus erzählen? Die meisten wirkten recht nett, als ich sie vorhin überfallen habe.«

      Mila strich sich eine ihrer schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Sind sie auch. Nett und hilfsbereit. Ist vielleicht ein Vorteil in einem nicht allzu großen Haus. Es ist nicht so furchtbar anonym.« Sie überlegte kurz. »Also im Hochparterre wohnt der Hausmeister, Mister Harris. Er wirkt manchmal etwas grantig, ist aber eigentlich ein ganz Lieber.« Sie beugte sich zu Jessie rüber. »Und wenn ich ihm seine Lieblingsmuffins mache, ist er wie Wachs in meinen Händen«, sagte sie flüsternd.

      Jessie verzog das Gesicht. »Echt jetzt? Wie?«

      »Ich meine, wenn mal was zu reparieren ist, was laut Mietvertrag eigentlich von mir zu zahlen ist, dann macht er das auch schon mal für ein paar Schokomuffins.«

      Jessie nickte verstehend und etwas erleichtert.

      Mila tippte ihr an die Schulter. »Was hast du denn gedacht?«, fragte sie amüsiert.

      Ihre neue Nachbarin zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Weiß ich doch nicht, was ihr hier im Haus so treibt.« Sie stelle ihre Flasche auf den Couchtisch. »So, okay. Wen gibt es da noch?«

      »Ach ja: Gegenüber von Mister Harris wohnt Kenneth Leigh. Ein Dauerstudent. Kriegt nichts gebacken und lebt überwiegend vom Geld seiner Eltern.«

      »Was studiert er?«

      Mila lachte. »Ich glaube, das weiß er selbst schon nicht mehr.«

      »Das war so ein blonder mit wuscheligen Haaren, oder?«

      »Ja, das ist Kenneth, der Friseurverweigerer.«

      Das Lachen der beiden Frauen hallte durch den noch recht leeren Raum.

      Es klingelte an der Tür und Jessie sprang auf.

      Bin gleich wieder da.« »Wenn man vom Teufel