Stefan G. Rohr

Das Kontingent


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Derlei ist der Russen-Mafia oder der sizilianischen Camorra überlassen. Wenn wir also wirklich – ich meine rein theoretisch und … natürlich nur spielerisch – dann irgendwann vor einigen Blütenbündeln sitzen, dann wird das nur ein sehr kleines Volumen ausmachen können.“

      Das verstehen wir gerade nicht und schauen Ruprecht fragend an.

      Er wird ob unsers Unverständnisses ein wenig ungeduldig: „Ja überlegt doch: Wir können doch nicht eine große Summe, sagen wir mal, nur für unser Gedankenspiel, fünf Millionen, auf das Papier bringen und dann zur Volks- und Raiffeisenbank hereinspazieren, frei nach dem Motto: Können Sie das mal bitte in Hunderter wechseln? Ich sage Euch, ich war einmal mit der Anwaltskammer bei der Kripo eingeladen und da haben wir auch einen Vortrag über Falschgeld gehört. Was glaubt Ihr eigentlich, was da alles zu beachten ist, damit so was im Alltag durchgeht, man nicht gleich in der nächsten U-Bahn verhaftet wird?“

      Fritz kontert mit Logik: „Wir aber haben doch echtes Papier, mit Silberstreifen und Wasserzeichen. Der Rest kann doch nicht so schwierig sein. Vielleicht genügt da ja schon wirklich ein einigermaßen guter Farbkopierer.“

      Fredo versucht auf den Punkt zu kommen: „Was Ruprecht da sagt, ist schon völlig richtig. Unser Ausgangsmaterial ist zwar echt, alles was drauf muss, ist natürlich ein nicht so mal eben gemacht. Das wird nur mit einer Menge Kopfzerbrechen zu schaffen sein.“

      „Und da sind noch diese Hologramme“ sage ich und bin stolz, dass mir das gerade in den Kopf gekommen ist.

      Fredo war noch nicht fertig: „Was Ruprecht noch meint, ist die Tatsache, dass wir ja nicht massenweise mit Falschgeld um uns schmeißen können. Immerhin lauern dabei eine Menge Gefahren und wir gehören auch nicht zu einem albanischen Gangster-Kartell. Wenn wir also in irgendeiner Weise etwas Verwendbares herstellen, dann kann es – Ruprecht hat`s gesagt – zunächst nur ein bescheidenes Sümmchen sein. Nur eine unscheinbare Kleinmenge kann real unter die Leute gebracht werden. Und das dann auch nur mit aller Vorsicht.“

      In meinem Kopf schwirrt es bereits. Ich versuche mit den Füßen wieder auf den Boden zu kommen: „Ich brauche auch keine vollen Geldspeicher.“ sage ich ganz ruhig. „Ich meine, es ist ja ein Spaß hier, aber wenn wir diesen so weiterspinnen, dann denke ich, dass wir alle – sagen wir mal: mit einer kleinen monatlichen Spritze – zufrieden sein würden, so, dass wir es ein wenig besser haben.“

      „Ja, und Julius?“ schaut Willi reihum. „Ihm müssen wir doch auch helfen!“

      „Langsam, langsam. Ihr schießt ja schon jetzt über das Ziel hinaus!“ Ruprecht wird wieder etwas leiser. „Das ist genau das, was wir jetzt nicht gebrauchen können. Klar ist doch nur, dass wir morgen nicht hundert Millionen fertig haben und uns darin wälzen können.“ Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Zudem ist da etwas, was unseren Vortrieb erheblich ausbremst: die technischen Fragen. Oder kann hier jemand von Euch drucken? Ist hier ein Experte unter uns?“

      „Und Marta!“ sagt Fredo. „Das Ganze unbemerkt hinter ihrem Rücken zu machen, wird das Schwierigste an dem ganzen Vorhaben werden.“

      Das sitzt wie ein Peitschenhieb. Marta hatten wir gerade völlig vergessen. Mit ihr ist das alles nicht zu machen. Eher würde sie sterben, als bei einer derartigen Aktion mitzumachen. Noch nicht einmal wegsehen und uns machen lassen, würde ihr in den Sinn kommen.

      „Wir suchen einfach einen Käufer, der uns das Papier zu einem fairen Preis abnimmt.“ Willi ist über seine eigene Idee erfreut.

      Ruprecht schäumt: „Klasse! Wir gehen auf die Reeperbahn und sprechen jeden an, der nach mindestens zehn Jahren Zuchthaus aussieht. Den fragen wir dann: Möchten Sie vielleicht eine Palette Banknotenpapier kaufen? Oder wir stellen uns mit einem Megaphon auf die Straße: Heute frisches Banknotenpapier. Alles im Sonderangebot.“ Ruprecht ist jetzt fast noch mehr erregt. „ Wenn wir dann drei Mal aufs Maul bekommen haben, klickt beim vierten die Hamburger Acht um unsere Handgelenke und wir logieren ein paar Jahre frei auf Staatskosten. Wir können aber auch richtiges Pech haben und haben damit ein paar Profi-Gangster der organisierten Kriminalität angelockt, die schon für viel weniger einen Mord begangen haben. Mensch! Wir sitzen da auf einem riesigen Berg, mit dem mehr als hundert Millionen hergestellt werden könnte.“

      So schön diese Aussichten auch sein mögen, richtig schön sind sie dann auch wieder nicht. Das leuchtet uns jetzt ein.

      Fredo spricht jetzt aus, was uns allen gerade klar geworden ist: „Entweder, wir machen da selbst etwas draus, oder wir vergessen das alles wieder ganz schnell.“

      Wir ordern noch einmal Bier und auch ein paar Wodkas kommen hinzu. Der Ernst ist bald gewichen und wir lachen laut und jeder von uns hat begonnen, seine Fantasie zum Besten zu geben. Mit der gebotenen Vorsicht tauschen wir nacheinander immer blödere Gedanken aus, wie wir mit einem Bündel von falschen Scheinen in der Tasche die Kohle unter die Leute bringen könnten. Selbst Ruprecht hat eine Idee und meint, es wäre moralisch durchaus verträglich, wenn er in das Gerichtsgebäude gehen würde, an allen seinen wartenden Ex-Kollegen vorbei, sich an der Gerichtskasse anstellt und dann ganz frech bittet, ihm zwei Fünfziger in einen Hunderter zu wechseln. Das würde ja auch niemand wirklich schädigen. Die Gerichtskasse ist ein Bankschalter der Hansestadt Hamburg. Die gibt so viel Geld für Unsinn aus, dass es nur gerecht wäre, wenn er ab und an einmal zur Geldwäsche vorstellig würde. Einmal wöchentlich und er hätte im Monat vierhundert Euro netto mehr in der Tasche. Das wäre schon mal ein Anfang.

      Willi gab etwas zum Besten, was seinem aufkommenden Hunger gerecht wurde. Er könnte sich vorstellen, täglich ein paar Pizza-Services anzurufen und sich etwas zu essen in Haus liefern zu lassen. Das würde ihn zum einen satt machen, zum anderen hätte er mit mindestens 35 Euro Wechselgeld auf den Fünfziger zu rechnen. Zwei- bis dreimal die Woche würden dann auch die vierhundert im Monat einbringen und er könnte mit Ruprecht gleichziehen.

      Fredo war spitzfindiger. Er würde am Mittwoch und Samstag immer wieder verschiedene Lottoschalter anlaufen und dort seine Tippscheine abgeben. Einerseits könnte er das so steuern, dass er immer einen guten Batzen Wechselgeld dabei macht, zum anderen bestünde ja eine gute Chance auf einen tatsächlichen Lotteriegewinn. Wir sollten uns mal vorstellen, dass er damit einen Sechser mit Zusatzzahl macht. Und da die Lottoeinnahmen ohnehin weitgehend vom Staat abgezogen werden, ist er damit mindestens ebenso honorig, wie Ruprecht mit seiner Gerichtskasse.

      Mir selbst will einfach nichts Gescheites einfallen und ich gebe auf, darüber nachzudenken. Wir haben jetzt schon alle reichlich getankt und es wird Zeit für uns, dass wir nach Hause gehen. Es ist inzwischen Abend geworden und es regnet mal wieder. Einen Schirm hat keiner von uns mit. Wir schlagen die Kragen hoch und gehen schnellen Schrittes durch das berühmte Hamburger Schietwetter.

      Marta sitzt derweil zuhause auf ihrem Klavierhocker und sortiert ihre Notenhefte für die in den nächsten Tagen anstehenden Unterrichtsstunden. Ihr bleibt es nicht verborgen, dass die einlaufende Mannschaft wieder einmal ganz gut getankt hat. Unsere Schritte sind entsprechend laut und auch stimmlich sind die Zügel locker. Marta schmunzelt. Gut, dass die Männer es immer schaffen, sich ein kleines Stückchen heile Welt zu bewahren. Es reichen ein paar Quadratmeter in einer stickigen Spelunke, und sie sind ebenso glücklich, wie Matrosen beim langersehnten Landgang.

      Marta steht auf und schaut noch einmal aus dem Fenster, hinunter in den Hof. Der Regen ist noch einmal stärker geworden und dicke Tropfen prasseln an die geschlossenen Scheiben. Morgen möchte sie wieder auf den Friedhof, das Grab von Kalli besuchen. Sicher muss sie dort ein wenig Ordnung herstellen, denn ihre Blumen werden ganz bestimmt schon verwelkt sein. Außerdem wird ihr die Ruhe guttun und sie hat dadurch ein wenig Abwechslung. Am Nachmittag wird sie dann noch eine Stunde geben. Eine neue Schülerin, Anfängerin aus der Elbchaussee. Sie wird nicht merken, dass das Klavier unbedingt gestimmt werden muss.

      6

      Das kühle, helle Gebäude strahlt eine gewisse Überlegenheit aus. Vielleicht besonders wegen seiner klaren Strukturen und geraden Linien, einer Architektur, wie sie durch alle Zeiten hinweg dem Betrachter Respekt abgewonnen hat. Seine wechselhafte Geschichte aber sieht man dem monumentalen