Stefan G. Rohr

Das Kontingent


Скачать книгу

… Was denn machen?“ ich bin immer noch vollkommen arglos.

      Fredo hat einen roten Kopf. „Hallo Jupiter, hier Erde. Wie lang ist eigentlich Deine Leitung? Was kann man wohl aus Banknotenpapier machen … häh?“

      „Geld!“ antworte ich wie ein Erstklässler.

      „Jetzt bist Du bei mir.“ Fredo scheint erleichtert. „Und mit viel Papier kann man viel Geld herstellen. Das hier könnten Millionen werden. Unfassbar!“

      „Gut, dass Du im Konjunktiv sprichst, denn ich denke, dass so etwas eine Menge Ärger einbringen kann.“ Meine Befürchtung möchte ich nicht weiter konkretisieren. Ich kenne Fredo und seine Späßchen. Mir drängt sich zudem eine ganz andere Frage auf: „Aber davon einmal abgesehen, wie kommt das hierher? Was hat denn Kalli damit am Hut gehabt?“ Ich überlege kurz selbst. „Wenn das wirklich echt ist, dann ist hier doch was faul.“

      „Es ist totsicher echt.“ Fredos Grinsen wird nicht geringer. „Und Ruprecht würde jetzt sagen: höchst strafwürdig. Fauler geht also nicht. Das `Woher´ und `Wieso´ müssen wir noch herausfinden.“

      Das `strafwürdig´ hat mich wachgerüttelt. „Wir sollten am besten gleich die Polizei verständigen …“

      „Bist Du besoffen? Ganz sicher nicht!“ Fredo legt den Bogen auf den Tisch. „Was glaubst Du, was die hier veranstalten? Da sitzen wir erst einmal in U-Haft und die Kumpel dort knobeln, wer von uns mit wem zum Duschen geht.“

      „Aber wir sind völlig unschuldig!“ verteidige ich mich sofort.

      Fredo denkt weiter: „Und bettelarm! Zudem jetzt auch noch hoch verschuldet. Seit gestern Abend weißt Du das. Und es gibt keinen unter uns, der nicht sofort verdächtigt würde, sich seine Portokasse damit etwas auffrischen zu wollen.“

      „Wir müssen sofort mit Ruprecht reden.“ werfe ich aufgeregt ein.

      „Ja, auch mit Ruprecht. Wir müssen jetzt aber alle in den Kriegsrat einladen. Das hat nämlich Dimension, das Ganze!“ Fredo wartet erst gar nicht mehr auf meine Antwort sondern ist schon dabei, die Druckerei zu verlassen. Er hat den Papierbogen eingerollt und sich unter den Arm geklemmt.

      Ich stehe noch wie ein Trottel da und kann mich kaum rühren. Fredo schaut zurück zu mir: „Und? Worauf wartest Du jetzt noch? Komm endlich!“

      Ehe ich mich versehe, stolpere ich hinter ihm her. Auf halben Weg nach oben stoppt Fredo plötzlich, drückt mir die Papierrolle in die Hand und zeigt mit dem Kopf, ich solle schon vorgehen, die anderen zusammentrommeln. Er wendet sich um und geht noch einmal zurück zur Druckerei.

      Aufgeregt habe ich alle zusammengeholt. Willi, Fritz und Ruprecht sitzen um den Tisch in meinem Wohnzimmer und wir glotzen auf unseren Fund. Fredo ist auch schon wieder da. Marta ist gottlob nicht bei uns. Ich denke, dass wäre zu viel auf einmal für sie. Julius ist auch noch in der Firma. Ich habe unsere Entdeckung kurz rekapituliert. Vorsichtig fühlen alle an dem Papier, streichen darüber und nacheinander wird der Bogen umhergereicht und gegen das Licht betrachtet.

      Fredo hat verschiedene Geldscheine auf den Tisch gelegt und auch ich packe dazu, was ich habe. Wir haben einige Zehner, Zwanziger und drei Fünfziger. Ruprecht nimmt die Scheine und hält jede einzelne Sorte zusammen mit dem Bogen gegen das Licht. Nach einigen Versuchen kommt er zu dem Schluss: es sind offensichtlich Fünfzig-Euro-Scheine, die mit diesem Papier hergestellt werden sollten.

      „Fünfzig-Euro-Scheine!“ rufen alle aus einem Munde. Und wir schauen wieder auf das Papier.

      Ruprecht hat sich meine Lupe vom Regal geholt und äugt wie ein Insektenforscher auf das Papier und auf die drei Fünfziger auf dem Tisch. Er schaut lange und intensiv. Beugt sich immer wieder ganz nah herunter und schmatzt dabei, als esse er gerade ein Konfekt. Dann nimmt er die Lupe herunter und lässt sich in den Sessel zurückfallen.

      „Kinder“, beginnt er gewohnt gesalbt, „das hier vor uns ist mit größter Wahrscheinlichkeit Papier für die Herstellung von Fünfzig-Euro-Scheinen. Und ich meine damit: echtes Papier!“ Er schaut in die Runde, prüfend, was er für Wirkung erzeugt hat.

      „Und, “ fährt er fort, „das Papier hat sowohl den silbernen Sicherheitsstreifen sowie das Wasserzeichen. Jeder Fälscher würde uns jetzt die Füße küssen, so echt ist es! Wenn ich richtig gezählt habe, ist auf jedem Bogen Platz für fünfzig Banknoten.“

      Willi ist knallrot und hat offensichtlich mit seinem Blutdruck zu kämpfen: „Wie um Alles auf der Welt, kommt so etwas in Kallis Druckerei?“

      „Das gilt es heraus zu bekommen. Ansonsten wird das wohl sein Geheimnis bleiben.“ Fredo hält einen Zettel in die Luft. „Ich habe vorhin noch einmal nachgeschaut. Den Paletten Zettel habe ich gefunden. Auf diesem steht aber leider nichts wirklich Verwertbares. Nur, dass die Palette von der italienischen Notenbank geliefert wurde und die Lieferung genau 45.605 Bogen umfasst. Für mich ein Beleg dafür, dass außer Zweifel steht: es handelt sich um echtes Banknotenpapier. Nach dem Datum wurde die Palette im April 2001 geliefert. Wenn ich mich recht entsinne, muss das kurz vor der Herausgabe des Euros als neue Währung gewesen sein.“

      „Der alte Schurke wollte Falschgeld drucken …“ Fritz macht ein süffisantes Gesicht und hält den Zeigefinger, wie ein drohender Lehrer. „Glaubt mir, der hatte es drauf. Der hätte mit diesem echten Papier die besten Blüten hergestellt, die die Welt jemals gesehen hat. Und dann noch zu einer Zeit, als niemand so richtig wusste, wie die neuen Scheinchen eigentlich aussehen und wie man die echten von den falschen unterscheidet. Das war ganz schön frech!“

      „Ja, aber er hat es ganz offensichtlich nicht getan.“ kontere ich spontan.

      „Er wäre sonst auch entweder im Knast gelandet oder hätte uns schöne Ansichtskarten aus Honolulu geschickt.“ Unterstützt mich Ruprecht. „Geldfälscher im großen Stil wohnen wohl kaum in einem alten, heruntergekommenen Mietshaus. Sie haben auch keine hohen Schulden und arbeiten, bis sie tot umfallen.“

      Wir lassen diese Erkenntnis kurz auf uns wirken. Dazu gab es kaum etwas zu erwidern. Nach einigen Sekunden der Stille meldet sich Ruprecht aber wieder zu Wort: „Wir sollten es verbrennen! Das ist der sicherste Weg und keiner wird blöde Fragen stellen. Selbst wenn einem von uns die Zeit zu bunt wird und er meint, er müsse sich mit dem Staatsanwalt näher unterhalten, wären die Beweise schon einmal vernichtet.“

      Im Raume macht sich allgemeines Gemurmel breit. Ruprecht hat sicher Recht. Er weiß als Jurist am besten, was in einer solchen Sache zu tun ist. Und wer von uns möchte schon gerne gesiebte Luft mit Schatten atmen.

      In diesem Moment vernehmen wir ein kurzes Klopfen und die Wohnungstür geht auf. Sodann steht unsere Marta im Raum. Es scheint, dass ihr weiblicher Spürsinn sie genau in diesem Moment zu uns geführt hat. Ihr Gesicht aber zeigt keine Spur von Verdacht oder Argwohn. Es ist vielmehr der mütterliche Instinkt, der sie geleitet hat. Ein wenig so, wie es uns in der Kindheit so oft geschehen verfolgte, dass just in dem Moment, wo wir die elterliche Aufsicht am wenigsten gebrauchen konnten, diese in Reinkultur und epischer Breite, wie aus dem Nichts kommend, plötzlich zugegen war.

      Marta lächelt und trällert uns zu: „Hier seid Ihr also.“ Ihr ausgedrücktes Staunen aber ist irgendwie aufgesetzt. „Es war so ruhig und ich dachte, ich schau mal nach meinen Jungs.“ Ihr Lächeln ist noch breiter geworden.

      Wir machen den Eindruck einer Horde Kinder, die gerade mit geklauten Kaugummis in der Tasche an der Ladenkasse vorbeimarschieren und gequält den Anschein absoluter Unschuld vortäuschen.

      Willi ist knallrot und leuchtet: „Marta!“ ruft er. „Na so was …“

      Marta runzelt jetzt die Stirn und schaut jetzt einen nach dem anderen mit dem Blick einer strengen Gouvernante an. Sie benötigt keine drei Sekunden, dann ist ihr klar: hier stimmt etwas nicht.

      „Raus mit der Sprache!“ befiehlt sie sofort und so energisch, dass uns der Schrecken in unseren Gesichtern steht. „Was habt ihr jetzt schon wieder angestellt?“

      Es ist ausweglos. Wer Marta kennt, der weiß, jetzt käme man nicht mehr vom Haken. Fredo