Nicole Heuer-Warmbold

nur Tod und Verderben


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dem schlecht beleuchteten Flur. „Wo hast du deinen Aufpasser gelassen?“

      „Lassan ist … auf dem Hof, bei den anderen Gardisten.“

      „Und der Kleine?“

      „Mit Janek und noch ein paar Jungen in irgendeiner Stube.“ Vage deutete Mara mit der Hand und ließ sie auf das wackelige Geländer fallen. „Alle sind irgendwo untergebracht.“

      „Gute Arbeit.“

      „Danke. Die Leute … sie möchten helfen, gern sogar, bloß … mitunter brauchen sie halt einen Anstoß.“

      „Von dir?“

      Mara zuckte nur die Achseln und sah ihn abwartend an.

      „Wirst du morgen … Sehe ich dich …“ Er fluchte unterdrückt, seine Haltung angespannt. „Verdammt, Mara, ich kann das nicht … Ich kann nicht gehen, ohne dich … Ohne ein … Verfluchte Scheiße, Mara, ich reite morgen in die Schlacht und ich …“

      „Ja.“ Rasch legte sie die Finger auf seinen Mund. „Bleibst du ... kommst du noch mit rauf?“

      „Was …“

      „Begleitest du mich bitte noch hoch, Eiron?“

      Er korrigierte sie nicht und folgte ihr wortlos die Treppe hinauf. Den engen, niedrigen Gang entlang zu der Dachkammer, die der Wirt Mara versprochen hatte: kaum hoch genug, um sich nicht den Kopf an den Dachbalken zu stoßen, und gerade einmal Platz für ein schmales Bett und einen kleinen Schemel, auf dem ein Becher, ein Krug mit Wasser und eine einsame Kerze standen.

      Mara wandte sich zu Ron um, wusste aber nichts zu sagen, zu viel, ihr Hals wie zugeschnürt. „Ich ...“ Sie verbiss sich das hilflose Lachen. „Tut mir leid, das ... ist ein bisschen eng für ...“

      „Zwei?“ Zärtlich schloss er sie in seine Arme. „Macht doch nichts, kein Grund ... Nicht weinen.“

      „Aber es ist schlimm“, schluchzte sie. „... richtig schlimm, alle, Davian, Reik, ich ertrag ... Ach, verdammt, und ich sollte endlich lernen, mich richtig abzuschirmen, ich ... Wie soll ich denn ...“

      „Mara“, unterbrach Ron sie, küsste die Tränen von ihrem Gesicht und zog sie mit sich herunter auf die enge Liege. „Wir könnten ja wenigstens die Schutzkleidung ablegen.“

      „Ja ...“, erwiderte sie. „Die auch. Du lässt mich aber nicht los!“

      „Ich liebe Herausforderungen“, murmelte Ron leise und fummelte dabei an den Verschlüssen der Schutzweste, dem Kettenhemd herum. „Und das kleine Wörtchen ‚auch‘. Hilfst du mir?“

      Rasch hatte Mara ihm aus der Schutzkleidung, den Arm und Beinschützern geholfen. „Dann musst du morgen ...“

      „Aye“, gierig küsste Ron sie auf den Mund. „Doch das ist morgen und noch sehr, sehr fern. Jetzt will ich dich wenigstens richtig im Arm halten können, dich spüren, nicht hartes Leder und kaltes Metall.“

      „Sag das doch ...“, sie zerrte sich noch Jacke und Hemd aus. „Weiter?“

      „Bis auf die Haut“, Ron zog sie eng an sich, seine Hände unter dem letzten Hemd, warm auf ihrem Leib. „Wirst du zurechtkommen, wenn ich ... wir ...“

      „Ja“, betätigte Mara brüsk und lehnte den Kopf an, strich mit den Fingerspitzen über die nackte, ein wenig kühle Haut seines Oberkörpers. „Ich gehe nach Samala Elis, nicht in die Schlacht. Ihr ...“

      „Wir werden kämpfen, Liebste“, sacht fuhr er durch ihr Haar. „... und zurückkehren.“

      „Sicher?“

      „Du bist die Zauberin, aber ... soweit es in meiner Macht steht, ja. Ich werde zu dir zurückkehren.“

      „Gut.“ Sie umfing seine Hand, drückte sie an ihre Lippen.

      Mühsam stemmte Mara sich hoch, als es zaghaft an der Tür klopfte. „Ja?“

      Die Tür wurde einen Spalt geöffnet, Vica schaute verlegen in die Kammer. „Ich … Herrin, ich bringe Euch heißen Tee und Haferbrei und …“

      „Oh …“ Noch immer verschlafen und fröstelnd angelte Mara nach einem Hemd in dem Durcheinander – ihr Durcheinander, Ron hatte seine Sachen natürlich mitgenommen, als er schließlich in der Früh gegangen war – auf dem Boden vor dem Bett und zog es rasch über. „Das ist nett, danke. Stell es irgendwo hin.“

      „Vielleicht … ähm, vielleicht auf den Schemel? Dann könnt Ihr …“ Vorsichtig trat Vica über Maras Ausrüstung hinweg, stellte die Schale auf den Schemel und reichte Mara ehrerbietig den Becher. „Bitte sehr.“

      „Ich danke dir. Sind schon viele wach?“

      „Ein paar, auch der Priester und der … der dunkelhäutige Zauberer. Und natürlich die Gardisten und Soldaten, ich soll Euch … Der Gardist mit der Narbe im Gesicht lässt Euch ausrichten, sie würden nach Sonnenaufgang aufbrechen.“

      Gerade einmal genug Zeit für einen Schluck Tee, fluchend stand Mara auf und schlüpfte in ihre Hose. „Ich komme. Den Haferbrei … esse ich dann unten.“

      „Aber Ihr …“

      „Was?“

      Vica zuckte zusammen und errötete. „Ich … ich könnte Euch helfen, oder nicht?“

      „Wobei? Beim Anlegen der Arm- und Beinschützer etwa?“

      „Nun, wenn Ihr mir sagt, was ich tun muss, ich könnte bestimmt …“

      „Das ist nicht nötig. Und auf die Schützer kann ich vorerst verzichten. Aber danke für das Angebot.“

      Vica knickste, den Blick verlegen gesenkt, wandte sich um und verschwand eilig, Mara hörte sie die Stiege hinunterpoltern.

      Sorgfältig zog Mara sich an, so lange würde Ron halt warten müssen, legte das Kettenhemd an und band den Schwertgürtel um. Die anderen Sachen konnte sie später holen, sie würden erst in einigen Stunden weiterziehen. Stieg die Treppe hinab und trat auf den dämmrigen Hof, den Teebecher in der Hand.

      Liz, Bahadir, Janek sowie einige der jüngeren Frauen, darunter Vica, standen schweigend nahe der Wirtshaustür, um die Männer zu verabschieden.

      Sie waren abmarschbereit, Gardisten wie Soldaten, zweiundfünfzig Mann. Bis auf Manik und zwei Fußsoldaten, deren Verletzungen sich entzündet hatten, würde Ron alle mit nach Osten zur ersten Schlacht des Krieges nehmen. Lassan, noch nicht wie die anderen zu Pferde, trat einige Schritte auf Mara zu und verbeugte sich respektvoll. „Herrin.“

      „Lassan. Ich wünsche Euch viel Erfolg.“

      „Ich danke Euch, Herrin. Es war mir eine Ehre, Euch begegnet zu sein, und …“ Er brach ab, blickte betreten zu Boden. „Ich wollte Euch lediglich helfen. Ich hoffe inständig, Ihr habt mein Verhalten nicht missverstanden, und … Wäre schön, wenn ich Euch noch einmal begegne.“

      Ron grüßte sie nach Art der Garde, das Gesicht kalt, unbewegt. „Keine Schutzweste?“

      „Brauche ich nicht mehr. Vielleicht ziehe ich sie nachher über, um nicht aus der Übung zu kommen.“

      „Hm, mach das. Ich …“

      „Sag Davian, es geht mir gut.“

      „Sonst noch was, soll ich ihm vielleicht auch noch …“

      „Nein.“ Verhalten schüttelte Mara den Kopf. „Pass auf dich auf, Ron.“

      „Pass du auf dich auf.“ Er nickte in Richtung ihres Leibes. „Pass gut auf dich auf. Ich will dich wieder sehen, Mara I’Gènaija.“

      Er gab das Kommando zum Abmarsch.

      (359. Tag)

      Kapitel 3 – Heimkehr

      Der