Jasmin Salfinger

Teufels Träume


Скачать книгу

Decke des Bettes und wartete darauf das Emilia die Kleidungsstücke anlegte. Da diese aber nicht reagierte, zwängte sie sie eigenhändig in die hübsche Bluse und den schwarzen Rock. Dann musste sie gehen als zwei Wachmänner - zumindest sahen sie mit ihren Uniformen so aus, sie aufforderten den Raum zu verlassen. Zuvor drückte sie ihrer Tochter noch rasch einen Kuss auf die Stirn.

      „Aufstehen!“ befahl man ihr.

      Emilia stand auf.

      „Folge uns!“ befahl man ihr.

      Emilia schritt hinaus.

      „Vorwärts!“ befahl man ihr.

      Emilia ging los, immer den breitschultrigen Männern in Uniform hinterher.

      Sie gingen eine Treppe hinauf, an vielen Fenstern vorbei und Emilia sah hinaus auf einen tristen Betonplatz, in dessen Mitte ein einzelner, einsamer Baum eingepflanzt worden war.

      Das nächste was sie wahrnahm war wie sie in einem Auto saß, und dann, dass sie auf einem Stuhl in einem großen, prächtigen Saal Platz nahm.

      Augen, hunderte Paare von Augen starrten sie an. Der Saal war gefüllt mit einer Menge von Menschen und jeder Blick war auf sie gerichtet, als wäre sie eine besonders abscheuliche Kreatur einer Freak-Show.

      Sie flüsterten und tuschelten, doch in Emilias Ohren wurde es zu einem stumpfen Brummen. Der Stuhl auf dem sie saß befand sich auf einem Podest hinter einem Pult. Rechts von ihr befand sich ein noch höheres Podest, auf dem auch jemand saß. Die Menschen vor ihr saßen in vielen Reihen hinter einander wie in einer Kirche und sahen auf die Podeste.

      Ein Mann stand auf und begann zu sprechen. Wieder ein Anzugträger. Ein anderer fiel ihm ab und zu ins Wort und unterbrach seine Sätze mit heftigen Widersprüchen. Er drehte sich herum und gestikulierte zu einer Reihe von zwölf Personen, die seitlich von den Podesten saßen.

      „Melica Salveter!“ fiel der Name.

      In Emilias Kopf pochte etwas, versuchte an die Oberfläche zu gelangen.

      Der Mann deutete auf eine Tafel, Fotos waren darauf… von einem rothaarigen Mädchen, die Lieder geschlossen als würde sie schlafen. Ihre Lippen waren blau angelaufen.

      Emilias Augen waren Schreck geweitet, als sie die Bilder sah. Ihr Inneres wollte heraus und sie zwingen sich allem zu stellen und nicht mehr dumpf vor sich hinzustarren.

      „Sie hat sich jeglicher Befragung entzogen, weigert sich auch nur irgendwelche Antworten zu geben! Dieses Mädchen will uns hier nur ein geistig verwirrtes Ding vorspielen, damit sie nicht gestehen muss was sie getan hat! Damit sie nicht gestehen muss, dass sie ihre beste Freundin kaltblütig getötet hat. Das sie auf frischer Tat dabei ertappt wurde, wie SIE Melica Salveter ermordet hatte!“

      „NEIN!“ rief Emilia. Der letzte Satz des Staatsanwaltes war zu ihr durchgedrungen, hatte die Scheibe die sie von der Außenwelt getrennt hatte, mit einem Faustschlag zerschmettert und sie schlagartig zurück in die Realität geholt. Die Welt bekam jetzt wieder klare Konturen.

      Sie saß in einem großen Gerichtssaal, rechts von ihr saß der Richter, links von ihr die Geschworenen und vor ihr viele, viele Menschen die sie verurteilend anstarrten.

      In der ersten Reihe erkannte sie ihre Eltern und ihre Schwester Sophia (die einzigen besorgten Gesichter in dem großen Saal).

      Der Mann der schon bei ihr im Raum gewesen war, der mit den grauen Haaren, war offensichtlich ihr Rechtsanwalt, saß an einem Tisch und beobachtete sie wachsam.

      Der Staatsanwalt hatte aufgehört zu sprechen und drehte sich vollends zu Emilia herum.

      „Ach, Miss Schwarz, sie sind ja doch kein stummer Fisch.“ sagte er zuckersüß und gleichzeitig giftig. Er wirkte wie ein schleimiger, aalglatter Mensch. Unsympathisch.

      „Nun, was haben sie zu ihrer Verteidigung vor zu bringen?“

      Emilia blieben die Worte im Hals stecken als sie an dem Staatsanwalt vorbeischaute und dort auf dem Tisch, als gegnerische Partei von Emilia, Mels Vater sah.

      Dr. Michael Salveter. Wie oft schon hatte Emilia diesen Mann gesehen, der Mann der immer so freundlich, gütig und höflich war. Er, der immer nette Worte auf den Lippen hatte und sie mit sanftem Blick ansah.

      Der Blick war verschwunden… tiefe Trauer, Leid und unbändiger Zorn waren an seine Stelle getreten. Er verurteilte sie, er gab ihr die Schuld. Er dachte hier den Mörder seiner Tochter vor sich zu haben.

      „Miss Schwarz?“

      „D-Das ist eine Lüge… ich habe Melica nicht ermordet!“ brachte sie endlich hervor, nachdem sie sich von diesen vorwerfenden Augen hatte losreißen können. Alles war wieder da, ihr Verstand war wieder scharf. Vor ihrem inneren Auge spielten sich alle Ereignisse der letzten Woche in rasender Geschwindigkeit noch einmal ab. mit ihnen kam auch eine Wucht an Schmerz, genau davor hatte sie sich so lange gedrückt. Der Schmerz war aber auch begleitet von Unverständnis. Sie konnte sich nicht erklären, was in jener Nacht mit Melica geschehen war. Das was sie gesehen hatte… diese roten blutrünstigen Augen… was zum Teufel war das gewesen?

      Stille trat in dem Saal ein, man hätte eine Stecknadel fallen hören können.

      „Eine Lüge? Ach so? Die Augenzeugen, die sie beobachteten, wie sie blutbeschmiert über ihr hockten, haben alle gelogen? Nun denn, dann erzählen sie uns doch was ihrer Ansicht nach in jener Nacht geschehen ist… Miss Schwarz.“ forderte er sie mit unverhohlenem Unglauben auf. Emilia öffnete den Mund, klappte ihn jedoch wieder zu, während der Staatsanwalt sie ungeduldig musterte.

      Was sollte sie sagen? Sorry ich war es nicht, ein mir unbekanntes Schattenmonster hat sie zerfleischt?!

      Innerlich zuckte sie selbst über ihre makabren Ausdrucksweiße zusammen.

      „Ich weiß nicht wie ich-“ stockte sie. Sie brauchte eine kurze Pause in der sie ihre Gedanken sammeln konnte. Wie sollte sie sich ausdrücken ohne als komplett geistig gestört zu wirken? Sollte sie einfach von dem Monster erzählen? Würde man ihr Glauben schenken? Aber selbst wenn, wie erklärte sie die Tatsache, dass sie dort gewesen war, das sie wusste was geschehen würde, das Mel dort in dieser verdammten Gasse sein würde. Sie konnte es sich ja selbst kaum erklären. Ja sie hatte davon geträumt und weiß der Himmel wieso, irgendetwas hatte sie dazu bewegt ihr Bett zu verlassen und nach Mel zu suchen. Aber sie konnte hier kaum, in einem Gerichtssaal, mit Geschworenen, mit Staatsanwälten, Publikum und Richtern erzählen, sie hätte eine Vorsehung gehabt, in der sie Mel in einer dunklen Gasse gesehen hatte. Das wäre so ziemlich der sicherste Weg in die Klapsmühle. Emilia kam ein anderer Gedanke: Was hatte Mel in jener Nacht dort eigentlich gemacht? Wieso war sie auf dem Industriegelände gewesen? Was in aller Welt war hier nur los?

      Stopp, jetzt musste sie erstmals ihre Unschuld beweisen! Emilia richtete sich auf, während aller Augen auf sie gerichtet waren und streifte fahrig das Haar aus dem Gesicht. Bevor sie jedoch zu sprechen ansetzte schoss ein anderer Gedanke in ihren Kopf.

      Das Monster! Was wenn es gerade diesen Moment durch die Straßen tobte und unzählige weitere Menschen mit seinen Pranken massakrierte? Sie musste die Menschen warnen. Just in diesem Moment fiel ihr ein, wie sie ihre Unschuld beweisen konnte. Die Pranken des Monsters! Die Klauen, die waren Beweis genug. Emilia konnte sich lebhaft daran erinnern, was für tiefe Furchen sie in dem Holz hinterlassen hatten, als es über die Dächer verschwunden war. Außerdem… es hatte diese Klauen doch auch in Melicas Körper geschlagen… hatte das den keine brauchbaren Spuren hinterlassen? Die Polizisten mussten doch festgestellt haben, dass kein Mädchen diese tiefen Risse in Melicas Brust hinterlassen haben konnte!?

      „Was soll das Miss Schwarz?“ unterbrach der schmierige Staatsanwalt ihren Gedankengang. Emilia hasste es wie er ihren Namen aussprach. „Wollen sie sagen, dass sie uns nicht erklären können was geschehen ist mit Melica Salveter, oder besser gesagt, dass ihnen keine plausible Ausrede einfällt um nicht des Mordes an ihr schuldig gesprochen zu werden!“ schleuderte er ihr ins Gesicht. Kleine Spucke-Tröpfchen flogen aus seinem aufgerissenen Mund und Emilia zuckte angewidert zusammen.

      „Nein