Z. Bär

Ina


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schmunzelte: „Die Sonnenaufgänge von Terus? - Dann hast du Ina auf diese Idee gebracht?“ Kilven blickte Ina von der Seite an: „Wir wollen gemeinsam gehen. Ich, Ina und drei andere Rekruten.“ Nilia zuckte mit seiner Oberlippe: „Nein.“ Dann verabschiedete er sich. Kaum war Nilia zu Tür hinaus, griff Kilven nach Ina’s Glas und leerte es in einem Zug. Er war so gierig, dass ihm der Wein am Mundwinkel herunter lief. Ina schenkte ihm nach und nahm sich selbst ein neues Glas: „Wieso hast du mir das nie gesagt?“ Fragte sie mit vorwurfsvoller Stimme. Mit vollem Mund antwortet er: „Spielt es eine Rolle?“

      „Ja!“ War ihre kurze und bestimmte Antwort. „Eben. Deshalb habe ich es dir nicht gesagt. Du hättest mir nicht vertraut“, er sah nicht einmal von seinem Teller auf. „Glaubst du etwa, dass ich dir jetzt vertraue?!“ Ihre Wut war nicht zu überhören. „Ja. Und wenn du nicht mehr wütend bist wirst du mir Recht geben“, er sagte alles mit solcher Zuversicht und Selbstverständlichkeit, dass sie ihm hätte die Augen auskratzen können. Er hatte mit allem was er sagte recht. Sie hätte ihm niemals vertraut, wenn sie gewusst hätte, dass Nilia sein Gönner ist. Er wäre niemals ihr bester Freund geworden und doch fühlte sie sich verraten. Doch vor allem ärgerte sie sich über sich selbst. Drei Jahre und sie hatte nicht die geringste Ahnung davon.

      Sein Teller war leer. Er leerte noch einmal das Glas Wein und sah sie dann mit einem breiten Grinsen an. Sie zog ihre Hand auf und gab ihm eine hallende Ohrfeige: „Dafür, dass du mich drei Jahre lang belogen hast.“ Kilven starrte zu ihr, bewegte seinen Kiefer um sicherzugehen, dass alles noch ganz war und meinte schlicht: „Aber ich habe recht.“ „Ich werde das nie vergessen“, ihre grünen Augen funkelten ihm wütend entgegen. „Das solltest du auch nicht. Aber ich habe dich nicht belogen. Ich habe es bloss nie erwähnt“, er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und sah sich in dem Raum um: „So lebt man also wenn man reich ist? – So hast du immer gelebt?“ Seine Frage war nicht Vorwurfsvoll, es war eher so, dass er jetzt verstand weshalb sie die Rekrutenschule so sehr gehasst hatte. „Nicht immer. Neven’s Einkommen war nicht so hoch wie das von Nilia. Aber ich hatte jeden Tag drei Mahlzeiten und abends ein warmes Bett.“ Kilven nickte beeindruckt, lehnte sich zurück und sagte selbstzufrieden: „Das werde ich von jetzt an auch haben.“ Ina liess ihn einige Sekunden in seinen Träumen schwelgen: „Komm, wir suchen ein Zimmer für dich.“ Als sie aufstanden umarmte er sie. Er roch nach Schweiss, Erde und etwas anderem, was ihre Nase reizte. Mit seiner dreckigen Hand drückte er ihren Kopf an seine Schulter. „Was hast Du so lange gemacht?“ Obwohl sie ihn eigentlich nicht danach fragen wollte, wurde sie von ihrer Neugier überrumpelt. „Bin gestürzt und hab mein Bein verletzt. - Ilean musste mich fast tragen“, flüsterte er in ihre Haare und zog danach ihren Duft in seine Lungen. - Er hatte mit Ilean das bessere Los gezogen als sie mit Lenit. Nach langem löste sie die Umarmung und ging zu seiner Tasche die noch schlimmer aussah als ihre eigene, packte sie und warf sie sich über die Schulter. Kilven stand neben ihr und legte seinen Arm über ihre Schulter als sie wieder gerade stand. Er hätte gut alleine gehen können, fand es aber amüsant sich an ihr abzustützen. Alle Gästezimmer waren auf dem Flur in dem Ina’s Zimmer war. Sie gingen den ganzen Weg schweigend. Kilven war damit beschäftigt alles genau zu studieren und kam kaum aus dem Staunen heraus. So ein Haus hatte er noch nie von innen gesehen und es überstieg wohl bei weitem seine Vorstellungen davon. Als sie an Ina’s Zimmer vorbeigingen kam Map aus dem Zimmer das direkt daneben lag. Sie staunte darüber, dass sich ein junger Mann auf einer noch jüngeren Frau abstütze die bereits seine Tasche trug. Ina lachte Map an und ging in das Zimmer hinein. Sie liess die Tasche fallen und stellte Kilven in der Mitte des Zimmers ab. „Ich werde ein Bad einlassen“, sagte Map mit der üblichen Distanzierung die sie Gästen immer entgegen brachte. „Ein Bad?“ Fragte Kilven verblüfft. Map drehte sich zu ihm und betrachtete ihn mit einer Art Geringschätzung. Ina antwortete, da Map es nicht tat: „Ja. Das erste in deinem Leben.“ Eigentlich hatte sie es als Scherz gemeint. Doch ihr wurde bewusst, dass es wirklich so war. Ina zog ihm die Jacke aus und legte sie auf seine Tasche. Als sie sich umdrehte war er auf dem Weg zum Bett. „Wage es bloss nicht dich in diesen Kleidern auf das Bett zu legen!“ Er blieb sofort wie eingefroren stehen: „Wieso?“ Dabei drehte er sich zu ihr, sah aber an ihr vorbei zu Map, die gerade das Zimmer verliess. „Weil es sauber ist.“ Sie ging zu ihm und öffnete die Knöpfe seines Hemdes wie es Map Stunden zuvor bei ihr getan hatte. „Nicht so hastig meine Liebe. Ich würde es gerne etwas langsamer angehen.“ Ina musste lachen. Drehte ihn um und zog ihm das Hemd aus. Sein Rücken wies einige Narben auf. Die meisten davon stammten nicht von der Rekrutenschule sondern von der Strasse. Er hatte keine leichte Kindheit. Im Vergleich zu ihm, hatte sie ein traumhaftes Leben. Sie setzte ihn auf einen Stuhl und zog ihm die Stiefel aus. Sein Gesicht verzog sich vor Schmerzen. „Wurde das Bein behandelt?“ Er legte seinen Kopf nach hinten: „Oh ja“, seufzte er. „Und?“ Bohrte Ina nach. „Soll nicht jammern.“ Sie nickte verständlich. Das war die standard Antwort auf alle Verletzungen. „Hier, dann kannst du deine Hosen ausziehen.“ Dabei reichte sie ihm einen Morgenmantel. Kilven hielt das Kleidungsstück vor sich hoch: „Nun, dafür brauche ich nicht unbedingt diesen Mantel.“

      „Doch. Erst den Mantel anziehen und dann die Hosen ausziehen.“ Er lachte sie wie ein verzogener Junge an: „Sicher, dass du es in dieser Reihenfolge haben willst?“ Obwohl sie ernst bleiben wollte, musste sie lachten. Als ihr seine Hosen an den Kopf flogen wusste sie, dass er fertig war und sie sich wieder umdrehen konnte. Er sah merkwürdig aus, in diesem weissen Morgenmantel, barfuss, ohne die gewohnte Uniform. Sie gingen gemeinsam in das Badezimmer. Map legte wieder einige Tücher zurecht und erkundigte sich danach, ob Kilven noch weitere Dinge zu seinem Wohl benötigte. Danach verliess sie die beiden. „Steig rein.“ Kilven sah beeindruckt auf die Badewanne: „Da haben wir beide Platz.“ Damit hatte er Recht. Doch das wäre etwas eigenartig gewesen. „Ich habe heute schon gebadet.“ Ohne Vorwarnung zog er seinen Bademantel aus und stieg hinein: „Dann eben ein anderes Mal – Aber du weißt nicht was du verpasst“, er lehnte sich zurück und schloss seine Augen. Ina legte ihm einen Waschlappen auf den Rand des Beckens, als er sie am Handgelenk packte, ihr in die Augen sah und mit vollkommen ernster Stimme sagte: „Es tut mir leid.“ Sie sah ihn verblüfft an. Damit hatte sie nicht gerechnet. Ihre Stimmbänder versagten. Ihre Augen erfassten seine dunklen Augen. Gerne hätte sie ihm gesagt, dass sie es verstand. Dass sie es ihm nicht nachtrug – aber sie konnte nicht. Er griff mit seiner anderen Hand hinter ihren Kopf und zog sie zu sich. Ihre Arme glitten um seinen Oberkörper und zogen ihn fest an sich. Ihr war egal, dass sie dabei vollkommen nass wurde. Er hielt seinen Mund direkt an ihr Ohr und flüsterte: „Ich wusste einfach nicht wie ich es hätte sagen können. Am Anfang spielte es keine Rolle, dann fürchtete ich du würdest dich von mir abwenden und plötzlich war es zu spät. – Es tut mir leid. Ich wollte dich niemals belügen.“ Sein Gewissen sprach aus ihm und sie selbst hatte Mühe ihre Tränen zurückzuhalten. Er drückte sie fester an sich: „Ich“, jetzt fehlten auch ihm die Worte. Ina fasste sich: „Ich weiss. Es ist in Ordnung.“ Ein Seufzen der Erleichterung ging durch seinen Körper. Sie verharrten einen Moment in dieser Position, keiner von ihnen wollte die Umarmung lösen, beide genossen es zu sehr. „Es ist nicht zu spät rein zu kommen“, sagte er mit einem herausfordernden Unterton. Ina griff nach dem Lappen auf dem Beckenrand und presste ihn ihm ins Gesicht: „Wasch dich. Ich werde etwas für dein Bein holen.“ Sie ging in die Küche die im ersten Untergeschoss des Hauses lag. Dort wurde das Verbandsmaterial aufbewahrt. Als sie ankam war Map daran einige Salben und einen Verband bereit zu legen. Ihre mütterlichen Gesichtszüge lächelten Ina entgegen: „Du kennst diesen jungen Mann gut“, es war eher eine Feststellung als eine Frage. „Er hat mir geholfen die Rekrutenschule zu überstehen“, gab Ina bedeutungslos zurück. „Geholfen? Oder war er der Grund?“ Oh, Map sah mehr als andere. „Geholfen.“ Map nickte vielsagend: „Woher stammt er?“ Ina ignorierte den aufblitzenden Schimmer in Map's Augen, der soviel bedeutete wie: ich weiss, dass da mehr ist. „Von der Strasse.“ Map nickte anerkennend, hob das Tablett mit den Salben und Verbänden und wollte zur Tür hinausgehen die von Ina versperrt war: „Dein Tag war lang genug.“ Sie schürzte ihre Lippen: „Dafür bin ich doch hier.“ Ina nahm ihr das Tablett aus den Händen: „Gute Nacht Map.“

      Kilven war immer noch in der Badewanne als Ina zurückkam. Er war eingenickt. Immerhin hatte er sich vorher gewaschen. Seine Haare waren wieder schwarz und in seinem Gesicht klebte kein Dreck mehr. „Kilven“, flüsterte