Z. Bär

Ina


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Map geriet leicht ins Schwanken, als sie den Betrag sah, der abgebucht wurde. „Wollen sie warten, bis wir alle Uniformen eingepackt haben? Wir können sie ihnen auch zustellen.“ Wie praktisch. „Zustellen“, Ina hatte nicht vor, unzählige Packete zu tragen. „Sehr gerne. Sie werden in etwa drei Stunden abgeliefert.“

      Auf dem grossen Platz vor dem Gebäude hielten sie Ausschau nach Kilven und den Wachen die sie begleitet hatten. Es war schwer sie unter all den wartenden Leuten auszumachen. Schliesslich deutete Map mit ihrem Kopf auf die Mitte des Platzes und ging los. Kilven stand wie ein richtiger Soldat da. Er strahlte eine solche Selbstsicherheit aus, dass man glauben konnte, er wäre nie etwas anderes als ein Soldat gewesen. Er trug bereits eine neue Uniform, die ihm weitaus besser stand, als die abgetragene Rekrutenkleidung. Als er die beiden kommen sah, stellte er sich in Pose, damit sie ihn bestaunen konnten. Er genoss seinen neuen Aufzug rundum. „Wo sind deine Uniformen?“

       „Werden geliefert. Und deine?“ Er sah neben sich auf den Boden. Dort stand ein Packet. „Nur das?“ Fragte Ina skeptisch. „Ich habe alles was ich brauche“. er hob sein Packet hoch und sie machten sich quer über den Platz auf den Weg zu der U-Bahn. „Seid ihr hungrig?“ Wollte Map wissen. Kilven schien erst jetzt zu bemerken, dass er in der Tat hungrig war. „Wir werden in der Stadt etwas essen.“ Map schien Ina's Antwort nicht sonderlich zu zusagen: „Wann werdet ihr Zuhause sein?“

       „Gegen Abend“, oder noch später, sprach sie jedoch nicht aus. „Dann werde ich Brajram bescheid geben, dass er euch etwas kocht“, Map strich ihr Kleid glatt und blickte auf den Boden vor ihren Füssen. Bei der U-Bahn nahm Map Kilven das Packet ab und verabschiedete sich von ihm. Sie warteten noch, bis Map und einer der Wachen die Schranken passiert hatten und gingen danach in Richtung Stadt, gefolgt von dem anderen Wachposten. „Und was nun?“ Fragte Kilven mit erwartungsvollem Ton. „Worauf hast du Lust?“

       „Ich weiss nicht. Was tut man denn in der Stadt, wenn man kein Bettler ist?“

       „Uns wird schon was einfallen.“

       „Ich weiss nicht was ich hier essen soll“, die Karte in seinen Händen hatte er schon mehr als einmal komplett durchgelesen. „Was du willst“, Ina hatte sich längst für ein Gericht entschieden. Tat aber so, als ob sie auch noch suchen würde, um ihn nicht unnötig unter Druck zu setzen. „Das ist ja das Problem. Ich weiss nicht was ich will, weil ich das alles nicht kenne“, Kilven's Flüstern hatte etwas zerreissendes an sich. Ina formte ein überraschtes: „Oh“, mit ihrem Mund. Es reichte kaum über den kleinen Tisch zu seinen Ohren. „Wollen wir nicht auf den Markt gehen und dort etwas essen?“ Er klang ein wenig verzweifelt. Ina begriff seine Frage. Er fühlte sich unwohl. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie in einem Restaurant gegessen. Und jetzt, noch dazu in einem für die bessere Gesellschaft. Er fühlte sich deplaziert. Obwohl er in das Bild passte. In seiner neuen Uniform erkannte man keineswegs, dass er von der Strasse kam. „Nein. Früher oder später musst du deine Tischmanieren unter Beweis stellen. Übe sie lieber jetzt“, war Ina's unbarmherzige Antwort auf sein Verlangen. Der Seraner der sie bediente war seit Jahren dort angestellt und erinnerte sich noch an Ina. Sein Auftreten war dementsprechend offen und entgegenkommend.

       „Es ist schön sie nach so langer Zeit wieder zu sehen Miss Ina.“

       Sie lachte ihm herzlich entgegen: „Dasselbe gilt für sie.“

       „Herzlichen Dank. Darf ich ihre Bestellung aufnehmen?“ Sie orderte die Empfehlung und zwei Gläser Talila.

       „Und für sie Sir?“

       „Dasselbe“, kurz und ohne zu wissen was es überhaupt war. Doch Kilven vertraute ihr scheinbar bei dieser Angelegenheit. Ihr Kellner nickte und ging in die Küche. Kilven neigte sich halb über den Tisch: „Woher kennt er dich?“

       „Ich war früher oft hier“, sie blieb zurück gelehnt und sah sich interessiert unter den Anwesenden um. „Mit Neven?“ Diese Frage war noch leiser gestellt, als ob sie eine Intrige schmieden würden. Beschäftige es ihn so sehr? Vielleicht hätte sie sich doch für ein anderes Lokal entscheiden sollen. Aber sie antwortete mit einem kurzen: „Ja.“ Er schwieg einige Sekunden, lehnte sich dann erneut vor und fragte mit flüsternder Stimme: „Weißt du schon, wo du mit der Suche anfängst?“ Ina zog ihre Augenbrauen zusammen: „Ich werde ihn nicht suchen.“ Kilven lehnte sich mit geöffnetem Mund zurück und suchte nach etwas in ihrem Gesicht. „Aber ich dachte du willst zu ihm?“ Bohrte er nach einigen Sekunden nach. „Ja. Aber das seranische Militär hat ihn Monatelang gesucht und nicht gefunden. Ich habe weder die Zeit noch die Mittel die dem Militär zur Verfügung standen. – Ich würde ihn nie finden. Wenn die Zeit da ist, wird er mit mir Kontakt aufnehmen“, sie sprach in normaler Lautstärke, als ob sie sich über das Wetter unterhalten würden. Wenn sie eines gelernt hatte, dann dass man die Aufmerksamkeit auf sich zog wenn man flüsterte. Kilven hatte das noch nicht erkannt und flüsterte nach wie vor: „Dann wirst du einfach warten?“ Ina klopfte mit ihren Fingern auf der Tischplatte: „Ich warte seit vier Jahren.“ Er nickte nachdenklich. „Und was glaubst du, wie lange es noch dauern wird?“ Vielleicht noch einmal vier Jahre. Vielleicht nur noch einige Monate. Woher sollte sie das auch wissen? „Ich weiss es nicht“, aber sie hoffte, dass es nicht mehr lange dauern würde. Bisher gab es keine Gelegenheit, dass Neven mit ihr hätte Kontakt aufnehmen können. Doch nun, da sie nicht mehr auf der Rekrutenschule war und bald ihren Dienst antreten würde, würde Neven mit Sicherheit eine Möglichkeit finden. „Und was willst du bis dahin tun?“

       Ihr Gespräch wurde durch den Kellner unterbrochen: „Zwei Mal die Empfehlung für das junge Paar.“ Kilven lehnte sich zurück, sodass die Teller serviert werden konnten. „Und? Was wirst du bis dahin tun?“ Fragte er erneut, da sie ihm nicht geantwortet hatte. „Nicht auffallen und Nilia keinen Grund geben mir zu Misstrauen“, wenn Ina Glück hatte, würde Nilia sie auf ein Schiff schicken das irgendwo an den Grenzen patrouillierte. „Nicht auffallen?! Das dürfte unmöglich sein.“ Sie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Du fällst auf, sobald du einen Raum betrittst. – Und ausserdem, alle Seraner versuchen irgendwie aufzufallen, sich von der Masse abzuheben. Du hast alles was sich eine vernünftige Seranerin wünscht und willst unauffällig sein? Sag das bloss niemandem. Man würde dich für verrückt erklären“, er schnitt sich ein grosses Stück Fleisch ab und schob es in den Mund. Ina war neugierig was er meinte: „Was habe ich denn, was sich jede Seranerin wünscht? - Ausser meiner blassen Haut und meinem zierlichen Erscheinungsbild?“ Dieses zierliche Erscheinungsbild wurde ihr auf der Rekrutenschule von beinahe jedem Ausbilder vorgehalten und als Grund genannt wenn sie einen Kampf verlor oder in irgendeiner Übung nicht gut genug abschloss. Er legte seinen Kopf etwas zur Seite, kniff die Augen leicht zusammen und stellte fest: „ Du weißt es wirklich nicht, oder?“

       „Was?“ Dabei nahm sie ihre Gabel zur Hand und drehte ein Stück Gemüse um. „Es ist dein Aussehen“, erwiderte er kurz. Ihr Aussehen? Also ihr zierliches Erscheinungsbild. Ina zog eine Augenbraue hoch.

       „Dein Aussehen, deine grünen Augen, deine Bewegungen, dein Verhalten, deine Art zu sprechen, einfach alles an dir. – Mir ist noch kein Seraner begegnet der dich nicht anziehend findet.“ Sie schüttelte ihren Kopf: „Sie finden mich anziehend weil Nilia mein Gönner ist.“ Genau so würde auch Kilven in Zukunft für jede Seranerin anziehend sein. Nun schüttelte Kilven den Kopf: „Nein. Natürlich ist das ein weiterer Punkt der für dich spricht. Aber du hast eine bezaubernde Art an dir. Du könntest jeden um den Finger wickeln wenn du wolltest. Und zusammen mit deiner Ausbildung. – Du könntest es weit bringen.“ Er irrte sich. Sie war zur Hälfte eine Tuma. Niemand der halbwegs bei Verstand war, würde eine Tuma fördern. „Deshalb verstehe ich auch nicht, weshalb du Seran verlassen willst. Was willst du tun?“ Ina nahm einen Schluck Wasser und überlegte dabei was sie auf seine Frage Antworten sollte. Denn sie wusste es nicht. Sie hatte keine Ahnung was sie tun wollte, wenn sie Seran jemals verlassen könnte. „Ich weiss es nicht. Aber irgendetwas wird sich schon ergeben“, sie zerteilte das Fleisch in kleine Stücke. „Genau! Irgendetwas!“ Ina sah ihn erstaunt an. Diesen Ton war sie sich von ihm nicht gewöhnt. Kilven zermatschte das Gemüse in seinem Teller und fuhr fort: „Ina, ich sage dir das als Freund, als Bruder. Ich habe mir viele Gedanken gemacht. Ich möchte nicht, dass du gehst. Aber abgesehen davon solltest du darüber nachdenken was du tun willst, wenn es soweit ist. Wovon