Z. Bär

Ina


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auf Seran verbracht hat. Im besten Fall würden sie dich dahin zurück schicken wo du hergekommen bist. Also hierher! – Um Seran zu verlassen und zu überleben brauchst du einen besseren Plan als: irgendetwas wird sich schon ergeben. Und wieso willst du Seran überhaupt verlassen?! Du hattest diesen Wunsch nicht als du bei Neven gelebt hast. Oder? Du willst es erst seit vier Jahren! Weißt du weshalb?! – Weil du seit dem keine Entscheidungen mehr treffen konntest. Aber jetzt kannst du wieder entscheiden“, er schob sich eine Gabel voll Gemüse in den Mund, kaute genüsslich darauf herum und sprach mit halb vollem Mund weiter: „Sicher, Nilia hat entschieden, dass du dem Militär Dienst zu leisten hast. Aber es ist deine Entscheidung wie du diesen Dienst leistest!“ Er machte eine kurze Pause, nahm einen Schluck Wasser und fuhr dann fort: „Hier weißt du, was du hast. Hier hast du gute Chancen, bessere als sonst irgendwo. Ich möchte nur, dass du darüber nachdenkst. Und wenn du das getan hast, und Seran immer noch verlassen willst, dann werde ich dich dabei unterstützen. – Aber ob du willst oder nicht, du wirst noch einige Jahre hier sein. Nütze diese Zeit. Versuch nicht unauffällig zu sein. Mach etwas aus deinen Möglichkeiten, nütze Nilia’s Gunst und deine Talente. Verschwende nicht die nächsten Jahre deines Lebens.“ Ina schüttelte ihren Kopf. - Schon der Gedanke daran, in den Militärdienst einzutreten war ihr zuwider. „Wenn du es nicht für dich selbst tun willst, dann tu es für mich und für Neven. Ich möchte nicht, dass du eines Morgens aufwachst und bereust nichts aus deinen Chancen gemacht zu haben. Und er möchte das mit Sicherheit auch nicht.“ Dass er Neven ins Spiel brachte war hinterhältig. Kilven konnte nicht wissen was Neven wollte. Er liess seinen Blick einen Moment auf ihrem Gesicht ruhen, als keine Reaktion von ihr kam, nahm er einen Schluck Wasser und ass weiter.

       Ina beobachtete ihn, wusste nicht was sie sagen sollte. Er brachte Dinge vor, über die sie vorher noch nie nachgedacht hatte und die sie teils sehr trafen. Kilven hatte sich sehr viele Gedanken über sie gemacht. – Irgendwie überraschte es Ina. Mit dem was er sagte, hatte er nicht gänzlich Unrecht. „Was würdest du tun wenn du an meiner Stelle wärst?“ Fragte sie schliesslich nach langem. Kilven hob seinen Blick: „Weiss ich nicht. – Eine Halb-Tuma auf Seran, eine schöne Kindheit bei einem Seraner der zu einem Verräter wurde, danach ein Leben in einem schönen Haus, das für dich mehr Gefängnis als sonst etwas war und wohl noch immer ist. – Niemand kann dir sagen, was er an deiner Stelle tun würde. – Ich habe es einfacher. Ein Junge von der Strasse. Das alles ist das Beste was mir je passiert ist. Ich weiss nicht ob ich den Rest meines Lebens dem Militär geben will. Aber bis ich es weiss, werde ich alles daran setzen es zu was zu bringen.“ Ina biss sich auf die Lippen. „Die einzige Frage, die du dir selbst beantworten musst, ist ob du woanders glücklicher werden kannst als du es hier sein könntest.“ Als sie hier seien könnte? Hier? „Was glaubst du?“

       „Ich glaube, du könntest hier ein schönes Leben haben. Und wenn du aufhören würdest Nilia zu hassen, dann würdest du gut mit ihm klar kommen“, er war unbarmherzig ehrlich. Zumindest ehrlich aus seinem Standpunkt. „Ich hasse Nilia nicht“, wirkte Ina verteidigend ein. „Dann verachtest du ihn eben nur“, Kilven's Antwort liess keine einzige Sekunde auf sich warten.

       „Darf ich ihnen noch etwas bringen?“ Ina winkte dem Kellner schnell ab. „Wieso verachtest du ihn?“ Kilven hatte erkannt, dass er einen Punkt getroffen hatte. Ihre Augen trafen einander. „Weil er mir mein Leben genommen hat!“ Kilven legte seine Gabel hin: „Nein. - Er hat dir dein Leben nicht genommen. Die Sklavenhändler die den Transporter überfallen und deine Eltern getötet haben, haben es dir genommen und Neven hat es dir ein zweites Mal genommen, als er ohne dich gegangen ist. Nilia hat dir eine Chance gegeben. Zwar mit Einschränkungen die du dir nicht gewohnt warst. Aber ein Leben. Hättest du lieber auf der Strasse gelebt?!“ Er betrachtete sie kurz: „Ich glaube, du bist in Wirklichkeit wütend weil Neven dich zurückgelassen hat.“ Ina legte ihr Besteck in den Teller. Sie hatte keinen Appetit mehr und wollte auch nicht weiter mit Kilven über dieses Thema sprechen. Er wusste nicht wie es war. Was alles geschehen war. Und scheinbar hatte er eine weitaus höhere Meinung von Nilia als sie selbst. Kilven ass genüsslich weiter. „Sprichst du nicht mehr mit mir?“ Ina drehte ihr Glas in den Händen: „Ich denke nach.“ Er neigte seinen Kopf: „Kann ich dir behilflich sein?“ Sie schob das Glas weiter in den Tisch hinein: „Nein. Für heute hast du mir genug an den Kopf geworfen.“ Er richtete seinen Oberkörper auf: „Wenn du eine Frage hast, du weißt wo du die Antwort bekommst.“ Nicht bei ihm! Kilven schien es in ihrem Gesicht zu lesen: „Ina, ich...“ Sie hob ihre Hand: „Ich will nichts mehr hören.“ Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte seine Arme. „Es war nicht meine Absicht dich zu verletzen“, seine Augen untermauerten diese Aussage. „Ich weiss. Und doch hast Du es getan“, dabei löste sie sich von seinem Blick, der sie beinahe zerriss. „Du kannst alles was ich dir gesagt habe ignorieren wenn du willst. – Ich wollte nur, dass du einmal einen anderen Blickwinkel hörst“, dabei legte er seine Hand auf ihre, die neben ihrem Glas lag. „Ich habe nicht vor, deine Meinung und Ansicht zu ignorieren. Vielleicht werde ich darüber nachdenken.“

       Sie verbrachten noch einen stillen Nachmittag zusammen, ehe sie zurückkehrten. Im Eingangsbereich begegneten sie Map. „Ihr seid spät“, es klang beinahe wie ein Vorwurf. „Das ist meine Schuld, ich schwelgte in Erinnerungen und konnte mich fast nicht von der Strasse trennen“, bei dieser Aussage von Kilven lächelte Map wieder. Sie gingen in die Küche, weil Ina nicht daran Interessiert war, in dem Speisesaal zu essen. Wie so oft auf der Rekrutenschule, assen sie im stehen. „Deine Uniformen wurden geliefert. Sie sind in deinem Zimmer.“ Kilven stand dicht neben Ina und gab ihr einen kleinen Schubs. „Danke Map“, brachte sie mit halb vollem Mund heraus. „General Nilia erwartet euch in zwei Stunden vor Ort. Ihr solltet nicht zu spät kommen.“

       „Wir treffen uns in fünfundvierzig Minuten beim Eingang.“ Sie ging hoch in ihr Zimmer. Dort standen drei Kisten voll gepackt mit Uniformen. Die Uniform die sie benötigte hatte Map bereits auf dem Bett zurechtgelegt. Das Jackett zog sie noch nicht an, sie wollte sich erst frisieren. Als sie vor dem Spiegel sass und versuchte ihre Haare irgendwie zusammenzustecken trat Map in das Zimmer. Sie nahm ihr die Haarklammern aus den Händen und fing an ihre Haare nach hinten zu ziehen. Es dauerte kaum zwei Minuten bis sie fertig war. Danach half sie ihr das Jackett anzuziehen. „Es hatten nicht alle Uniformen im Schrank Platz“, meldete sich Map gleichgültig zu Wort. Ina war erstaunt, dass das nicht alle Uniformen waren. „Ich werde die restlichen morgen wegräumen.“

       „Und wohin?“ Wollte Ina wissen.

       „Wahrscheinlich in eines der Gästezimmer. – Wenn die blauen Flecken an deinem Hals nicht wären, würdest du perfekt aussehen.“ Ina streckte den Kopf nach oben und betrachtete ihren Hals. Es sah furchtbar aus. „Was bedrückt dich?“ Ina sah zu ihr. Sie wunderte sich darüber, dass Map das erkannte. „Ist es so offensichtlich?“ Map richtete den Kragen: „Nein. Aber ich kenne dich gut genug um es zu sehen. Willst du darüber sprechen?“ Ina setzte sich auf das Bett: „Ich bin mir nicht sicher.“

       „Ich werde da sein, wenn du darüber sprechen möchtest.“ Map stand da und wartete auf eine Reaktion von Ina, die ihr zeigte ob sie gehen oder bleiben sollte. „Glaubst du, ich bin daran schuld, dass es mir hier nicht gefällt?“ Map senkte ihren Blick. Es schien, als wüsste sie die Antwort darauf, sie aber nicht aussprechen wollte. Schliesslich setzte sie sich neben Ina. „Glaubst du, ich bin undankbar?“ Ina sah wie ein hilfloses, verzweifeltes Kind zu Map hoch, deren Kopf etwas weiter oben als ihr eigener war. Map atmete tief durch: „Ich glaube, wir alle sind selbst für unser Glück verantwortlich. Wir müssen unseren Beitrag leisten. Ohne den können wir nicht erwarten glücklich oder zufrieden zu sein. – Ich glaube, dir hat es hier nie gefallen, weil du dich mit den Veränderungen die dir das Leben hier beschert hat, nicht abgefunden hast“, Map sprach langsam, formulierte ihre Antwort sehr vorsichtig: „Aber du warst noch ein Kind. Zu jung um das alles einfach so zu verkraften. Man hat zu viel von dir erwartet. Und was geschehen ist bevor General Nilia dich hergebracht hat -“ Sie verstummte einen Moment: „Es sind nun drei – nein schon vier Jahre vergangen. Deine ganze Situation hat sich verändert und du bist älter und reifer geworden. General Nilia trägt dir dein Verhalten von früher nicht nach. Du kannst es jetzt besser machen.“ Ina wirkte abwesend, aber sie hörte aufmerksam zu. „Du bist nicht undankbar. Ich glaube, du weißt genau was du General Nilia zu verdanken hast. Aber du hast dich bisher