Z. Bär

Ina


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berichten sobald ich einen Verdacht habe.“ In langsamem Schritt gingen sie über den Rasen. Kilven erwartete keine Antwort von ihr. „Ich habe ihm gesagt, dass du nie von Neven gesprochen hast. – Sei vorsichtig Ina. Du kannst hier niemandem vertrauen.“ Wie Recht er doch hatte. „Kann ich dir vertrauen?“ Fragte sie beiläufig. Sichtlich schockiert durch ihre Frage blieb er abrupt stehen und sah sie entsetzt an: „Natürlich.“ Ina drehte sich zu ihm um: „Wie lange noch?“ Er nahm Ihre Hände in seine und sah ihr tief in die Augen: „Ich hoffe wir können einander immer Vertrauen. Du und ich. Es sollte nichts geben das sich zwischen uns stellt. – Nichts.“ Beide wünschten sich so sehr, dass es immer so bleiben würde. Dass sie einander immer Vertrauen konnten. Aber es war Wunschdenken. Beide begannen einen neuen Abschnitt in ihrem Leben. Wohlmöglich war es nur eine Frage der Zeit, bis sich ein Keil zwischen sie schob. Sie hatte bereits an ihm gezweifelt. Und das schon am ersten Tag nach der Rekrutenschule. In diesem Haus war es schwer jemandem zu vertrauen. Beide fürchteten um ihre Freundschaft, um das was sie verband. „Irgendwann Kilven, irgendwann wird es nicht mehr so sein.“ Er drückte ihre Hände fester zusammen, dabei sah sie Angst in seinen Augen. „Ich werde für dich immer ein treuer Freund sein. – Mehr noch. – Du bist wie eine Schwester für mich. Und was ist stärker als Familie? Es wird immer so sein“, seine Augen bohrten sich durch ihre hindurch. „Und Nilia ist dann wohl dein Vater?“ Fragte sie mit sarkastischer Stimme. „Er ist mein Gönner. Genauso wie er dein Gönner ist. Für dich ist er nicht mehr und für mich auch nicht. – Wir beide sind miteinander verbunden. Er hat damit nichts zu tun. – Nur du und ich. Und unsere Freundschaft. – Vielleicht gibt es Momente, vielleicht sogar Tage oder Wochen in denen es uns schwer fällt einander loyal zu sein – Aber wir werden es sein Ina“, er liess ihren Blick nicht los, im Gegenteil, er sah ihr so tief in die Augen, dass sie das Gefühl hatte er würde in sie hineindringen. „Jeder braucht jemanden dem er ohne Einschränkung vertrauen kann. Jeder! Ich vertraue dir! Und es wird immer so sein. Du wirst mir immer vertrauen können, egal was passiert. Ich werde dir immer zur Seite stehen“, es war ein Schwur – Mehr als das – ein Gelübde. Er sprach ihr aus dem Herzen. „Wirst du zu mir stehen?“ Sie fragte sich, ob ihm klar war, was er sagte, was er ihr versprach und was er von ihr verlangte. Das Ausmass eines solchen Versprechens war kaum abzuschätzen. So etwas einfach nur dahinzusagen war leicht. Es zu versprechen war eine Sache, sein Wort danach zu halten eine ganz andere. Konnte sie es tun? Ihm ein solches Versprechen machen. Konnte sie es verantworten? Einhalten wenn es darauf ankam?

       „Ina?“ Sie sah in seine Augen, in sein Gesicht. Suchte etwas. Etwas das ihr sagte, dass sie es tun konnte. Etwas das ihr sagte, dass sie ihm immer vertrauen, sich immer auf ihn verlassen konnte. „Für immer. Ich schwöre es“, Tränen standen ihr in den Augen. „Von heute an sind wir einander verpflichtet“, er legte seine Hände um ihren Kopf und küsste sie auf den Mund. Es war ein langer Kuss. Zu lange, als dass er nur freundschaftlich gewesen wäre. Dann legte er seine Arme um sie, küsste sie auf die Wange und presste seinen Körper fest an ihren. „Für immer“, flüsterte er in ihr Ohr. Ina legte ihr Gesicht an seine Schulter, hielt ihn fest, schloss ihre Augen und hörte seinen rasenden Herzschlag.

      „Sie wartet wohl auf uns“, Kilven liess Ina los und deutete mit dem Kopf auf das Haus. Map stand oben an der Treppe und sah zu ihnen. „Sie will aufbrechen“, Ina wollte losgehen doch Kilven hielt sie am Arm zurück und wischte mit einem Finger eine Träne von ihrer Wange: „Jetzt können wir gehen.“ Map beobachtete das ganze von der Tür aus. Als sie bei ihr ankamen musterte sie Ina besorgt: „Ist alles in Ordnung?“ Dabei legte sie ihr die Hand auf die Schulter. „Ja, es geht mir gut“, antwortete Ina mit einem Nicken. Map warf Kilven einen bösen Blick zu, gab sich aber mit Ina’s Antwort zufrieden.

      Ihr Weg zur U-Bahn-Station führte sie an den vornehmen Häusern der besseren Gesellschaft vorbei. Jedes Haus war von einer Mauer umgeben die teilweise auch bewacht wurde. Hinter einigen Mauern wurden zusätzlich Bäume gepflanzt um neugierige Blicke abzuwenden. Andere Mauern, wurden so hoch gebaut, dass man die Bäume dahinter gar nicht sehen konnte. Die Wege waren mit Steinplatten gepflastert, und man achtete sorgsam darauf, dass in den Spalten kein Unkraut wucherte. Links und rechts des Weges waren im Abstand von etwa fünfundzwanzig Metern Bäume gepflanzt. An diesem schönen, relativ warmen Tag waren viele Seraner unterwegs. Vor allem ältere Frauen nutzten den Windfreien Tag um spazieren zu gehen und sich bei den Händlern einige Neuigkeiten abzuholen. Es gab nur wenige ausgewählte Händler, die das Recht hatten in dieser Gegend ihre Ware anzubieten. Nach einer kurzen Distanz sah Kilven zurück: „Wir werden verfolgt.“ Map lachte: „Das sind Wachen.“

       „Wozu?“ Fragte er. „Die Strassen sind unsicher. Die Kriminalität ist viel höher als früher“, gab ihm Map als Erklärung zurück. „Am helllichten Tag?“ Fragte Ina verblüfft. „Nein. Aber General Nilia ist vorsichtig.“

       „Ist es so schlimm oder benutzt er es nur als Vorwand?“ Ina bezweifelte, dass Map wirklich in Gefahr war. „Als Vorwand?“ Ina suchte ihren Augenkontakt: „Für die absolute Kontrolle.“ Map warf einen Blick zu Kilven und dann wieder auf den Boden vor ihren Füssen. „Ich vertraue ihm. Du kannst offen reden.“ Map dachte einen Moment nach und entschied offenbar, dass sie sprechen konnte: „Er ist General Nilia, er hat Feinde. Sie könnten versuchen ihn über sein Hauspersonal vergiften zu lassen.“

       „Dann hat er Wachposten für alle Bediensteten?“ Die Kosten dafür mussten enorm sein. Aber Map schüttelte den Kopf ein wenig: „Nein. Er lässt nur mich und Brajram bewachen. Alle anderen müssen sich einer Leibesvisitation unterziehen bevor sie das Haus betreten. Und sie arbeiten nicht länger als einhundert Tage für ihn.“ Deshalb kannte Ina also keinen der anderen Bediensteten. „Seit wann ist er so Paranoid?“

       „Ina!“ Map’s Stimme war streng. „Entschuldige. Aber was ist es denn sonst?“ Entgegnete sie ihr kühl. „Vor eineinhalb Jahren wurde Senator Serip von seinem Koch vergiftet“, erklärte ihr Map. „Davon habe ich gehört“, Ina war neugierig was es damit zu tun hatte, obwohl sie eine Vermutung hatte. „Serip hat immer General Nilia’s Ideen unterstützt. Sie waren gute Freunde.“ Natürlich fragte er sich danach wie lange es dauern würde, bis seine Feinde ihn vergiften wollen. Kilven hörte ihnen aufmerksam zu. Er wollte soviel wie möglich über Nilia erfahren ohne dabei neugierig zu wirken. Und doch stellte er eine Frage: „Wieso hundert Tage?“ Map überlegte, ob sie ihm antworten sollte und entschied sich es nicht zu tun. Also tat Ina es: „In zehn0 Tagen können sie nicht seine Gewohnheiten kennen lernen.“

       Sie erreichten die U-Bahn-Station welche jede Stadt von ganz Seran unterirdisch mit den anderen verband. Beim Eingang mussten sie ihre Karten auf eine dafür vorgesehene Fläche legen, paralell dazu wurde der Abdruck ihrer Finger gelesen. Ein leiser Pfiff war das Zeichen dafür, dass die Identifizierung und die Abbuchung der Kosten für den Transport auf der Karte erfolgt waren. Danach öffnete sich die Schranke und eine Person konnte passieren.

       Die Eingänge der U-Bahnen wurden rund um die Uhr bewacht um zu vermeiden, dass unbefugte sie benutzten oder Bettler dort übernachteten. Es führte eine lange Treppe hinunter, die sich dann in verschiedene Richtungen teilte. Sie nahmen die dritte von links. Am Ende der Treppe angekommen, schwebte gerade eine High-Speed-Bahn an. Diese Wagen funktionierten vollautomatisch und waren beinahe lautlos. Die Türen öffneten sich für etwa dreissig Sekunden ehe die Bahn weiter schwebte.

       Kilven setzte sich an das Fenster und sah hinaus. Obwohl es nichts zu sehen gab ausser der Steinverkleidung des Tunnels. Ina sass neben ihm und Map hatte sich ihnen gegenüber platziert. „Ist Madam Nilia noch wütend auf mich?“ Fragte Ina nach einigen Sekunden, da sie keine Lust hatte, die ganze Fahrt schweigend zu verbringen. „Nein.“

       „Aber ich habe gestern...“ Map unterbrach sie: „Er hat sie blossgestellt. Nicht du“, dann wandte auch sie ihren Blick zum Fenster hinaus. „Du weißt es?“ Sekundenlang ignorierte Map sie, bis Ina ihr einen leichten Stoss mit dem Fuss gab. „Solche Dinge verbreiten sich unter dem Personal wie ein Lauffeuer“, und wieder richtete Map ihren Blick zum Fenster hinaus. „Dann bin ich nicht der Grund, dass sie heute nicht mit uns gefrühstückt hat?“ Map sah zu Kilven, als ob sie etwas sagen wollte das er nicht hören sollte. „Map?“ Doch es blieb still. Ina schmunzelte aufgrund von Map's Reaktion. Ina legte ihren Kopf auf Kilven’s Schulter und fragte sich, wie lange Madam Nilia