Z. Bär

Ina


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ihr. Sie drehte sich um und griff sich ein Tuch das sie ihm reichen konnte. Er wickelte es sich um die Hüfte und gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie voran gehen sollte.

       In seinem Zimmer warf er sich rücklings mit einem Schwung auf das Bett und legte seine Arme lässig hinter seinen Kopf. Ina setzte sich am Fussende auf das Bett und griff auf dem Boden nach der Salbe. Die Wunde verlief quer über sein Schienbein und blutete leicht. Ina tauchte zwei Finger in die Salbe. Als sie ihm die Salbe auf das Bein strich, verzerrte er sein Gesicht. Sie trug eine dicke Schicht auf und verband es sehr behutsam. Kilven hob es ein wenig damit sie es besser einbinden konnte. Danach kroch sie zu ihm hoch und legte sich neben ihn. Er legte seinen Arm unter ihren Kopf, griff an ihre Schulter und zog sie näher zu sich heran. Ina legte ihren Kopf auf seine Schulter, ihre Hand auf seinen Brustkorb und presste ihren Körper an seinen. Wie auf der Rekrutenschule hörte sie sein Herz schlagen, spürte seinen Atem und fühlte sich einfach geborgen. „Ich könnte Stunden so bei dir liegen“, flüsterte sie leise. „Dann tu es“, seine Stimme war ebenfalls in ein leises Flüstern gefallen, weil er wusste wie sensibel ihre Ohren waren und er diesen Moment nicht stören wollte.

      Ina öffnete ihre Augen, es war dunkel, ihr Rücken schmerzte, deshalb war sie aufgewacht. Sie drehte sich zum Fenster um – Es war nicht das Fenster ihres Zimmers. Es war Kilven’s Zimmer. Offenbar waren sie eingeschlafen – Aber sie lag alleine im Bett, zugedeckt. Ihre Augen spähten zum Fenster hinaus, um einschätzen zu können wie spät oder früh es war. Ein Mond stand über dem Hügel, der zweite erschien gerade dahinter. Ungefähr zwei Uhr morgens. Sie setzte sich auf und überlegte sich, wo sie nach Kilven suchen sollte. Als sie aus dem Bett steigen wollte wäre sie fast auf ihn getreten. Er lag neben dem Bett auf dem Fussboden, auf einer Decke die er wohl im Schrank gefunden hatte und ausser einer Hose trug er nichts. „Ich kann auch nicht schlafen“, ertönte seine heisere Stimme. Ina sah hinunter und er blickte sie an: „Wieso schläfst du nicht?“ Wie viel konnte er von ihr erkennen? Seraner sahen in der Dunkelheit nicht wie sie. Für Ina war es fast so, als wäre das Zimmer hell beleuchtet. Aber für Kilven? Wohlmöglich erkannte er nur ihre leuchtenden Augen. „Ich fürchte das Bett ist daran schuld. Mein Rücken schmerzt wie nach der ersten Nacht auf der Rekrutenschule. – Wie ist der Boden?“

       „Bequem“, er rutschte etwas zur Seite um ihr Platz auf der Decke zu machen. Ina winkte ab: „Nein. Ich sollte in mein Zimmer gehen. – Wir sehen uns beim Frühstück, gegen acht Uhr. Gute Nacht Kilven.“ Er sah ihr nach. Müde und etwas benebelt ging sie in ihr Zimmer. Sie trug noch all ihre Kleider welche in einer Ecke des Zimmers landeten. Danach zog sie die Decke vom Bett herunter, packte ein Kissen und machte es sich auf dem harten Boden bequem. Eine Wohltat für ihren Rücken.

      Kapitel 2

      Eine Brise kühle Luft zog durch den Raum und über Ina’s Gesicht. Die Vögel draussen sangen. „Guten Morgen“, Map ging im Zimmer umher und hobe ihre Kleider vom Boden auf. „Hast du gut geschlafen?“ Für Ina's Geschmack war es wieder einmal viel zu hell: „Ja“, sie presste ihre Augen zusammen. Map reichte ihr ein kleines Glas Wasser in das sie zuvor eine Tablette geworfen hatte, die nun aufschäumte und das Wasser braun verfärbte: „Dein Freund schlief auch auf dem Fussboden. Allerdings hat er es vorher wenigstens auf dem Bett versucht.“

       „Ich auch“, wirkte Ina verteidigend ein. Dann leerte sie das Glas in einem Zug und verzog ihr Gesicht. An den Geschmack würde sie sich nie gewöhnen. Aber es half. Ihre Augen gewöhnten sich an das zuvor so grell wirkende Licht. „Wirklich? So sieht es nicht aus“, Map deutete mit dem Kopf auf das unberührte Bett. Dann zog sie ihr die Decke weg und legte sie daruf. „Kilven ist bereits am frühstücken. Du solltest dich beeilen.“ Es war gerade acht Uhr. Kilven war pünktlich wie immer. Ina zog sich die Kleider des Vortages an, die Map auf einem Stuhl bereitgelegt hatte.

       Bevor Ina um die Ecke in den Speisesaal trat, blieb sie stehen und richtete ihre Jacke. Sie hörte Kilven und General Nilia. „Bist du dir sicher?“ Nilia klang überrascht. „Ja Sir. Wer ist er?“ Eine kurze Pause, ehe Nilia fortfuhr: „Erstaunlich. – Neven brachte Ina nach Seran als sie sechs Jahre alt war. Er hat sie aufgezogen. Sie war wie eine Tochter für ihn und er wie ein Vater für sie. Sie hat ihn angehimmelt. Vor vier Jahren hat er Seran verraten. – Er hat mich verraten und ist geflohen. Seither lebt er im Exil. Ina liess er zurück. – Ich habe sie hier aufgenommen. – Ihr ein neues Leben gegeben. Aber sie wusste es nicht zu schätzen. Sie hat rebelliert, wollte nie glauben, dass Neven ein Verräter ist und sie einfach zurückgelassen hat. Ina hat mich verflucht. – Wenn ich nicht gewesen wäre, dann würde sie auf den Strassen leben. Kein anderer Seraner hätte das Kind eines Verräters aufgenommen, noch dazu eine halb-Tuma.“ Kilven hustete leicht. „Das hat sie mir nie erzählt. Ich ging davon aus, dass sie hier aufgewachsen ist, Sir.“ Wieder gab es eine lange Pause. Ob Nilia seine Lüge vielleicht erkannte. Denn Kilven wusste alles. „Nein. – Sie wird ihn suchen“, Nilia war überzeugt davon. „Das denke ich nicht, Sir.“ Doch Nilia wollte Kilven's Bedenken gar nicht hören: „Wie ich schon sagte, er war wie ein Vater für sie. Sie vermisst ihn und wird zu ihm gehen sobald sie Gelegenheit dazu hat.“

       „Das würde sie nie tun. Nicht zu einem Verräter – Egal wie nahe sie einander standen“, Kilven klang überzeugt und doch respektvoll. „Ist er in ihren Augen ein Verräter?“ Nilia hatte mit seinem Einwand Recht. „Er hat Seran verraten, sie zurückgelassen und sie hat nie von ihm gesprochen. Was sollte er sonst sein? Wenn Ina ihn suchen wollte, dann wüsste ich das, Sir.“ Erneut gab es eine kleine Pause, in der Nilia nach weiteren Gründen suchte, die bestätigten, dass er recht hatte: „Vielleicht wusste Ina doch, wer dein Gönner ist und hat es deshalb vor dir Geheim gehalten.“ Ina schluckte leer. „Ina hat keine Geheimnisse vor mir. – Wahrscheinlich ist es ihr einfach unangenehm von einem Verräter aufgezogen worden zu sein.“ Sie konnte Nilia's tiefen Atemzug hören: „Vielleicht. - Ich erwarte, dass du mir unverzüglich meldest wenn sie ihn jemals erwähnt. Insbesondere wenn sie Kontakt mit ihm aufnehmen will. – Auch wenn du es nur vermutest Kilven“, der Befehlston eines Generals. „Ich soll sie weiterhin ausspionieren?“ Jetzt wurde Ina speiübel. „Ich will das Beste für Ina. Kontakt mit einem Verräter ist Verrat. Es ist zu ihrer eigenen Sicherheit. – Hast du ein Problem damit?“ So konnte man es auch umschreiben. - Zu ihrer eigenen Sicherheit. Ina's Herz raste, während sie darauf wartete, dass Kilven endlich antwortete. „Nein Sir. Ich werde sie informieren sobald es Grund dafür gibt. Sie können sich auf mich verlassen.“ Ina wusste, dass Nilia kein vertrauen zu ihr hatte. Aber dass er sie auf diese Art – sogar auf der Rekrutenschule – ausspionieren liess, war geschmacklos. Geschmacklos und doch vollkommen typisch für Nilia. Sie hatte genug gehört und wollte es dabei belassen. Also ging sie leise zwei Schritte zurück und lief dann in normalem Tempo in den Speisesaal. Als sie um die Ecke abbog sagte sie mit heiterer Stimme: „Guten morgen meine Herren.“ Beide sahen auf und begrüssten sie als hätten sie gerade eine Diskussion über das Wetter beendet. Sie setzte sich zu ihnen und nahm sich als erstes ein Glas heisses Wasser. Nilia lächelte sie an: „Hast du gut geschlafen?“ Dass sie ihn anspucken wollte, durfte sie sich nicht anmerken lassen. „Sehr gut General“, antwortete sie mit aufgeweckter Stimme. „Gut. Wir sehen uns heute Abend bei der Feier“, damit verabschiedete er sich.

       Ina und Kilven sassen schweigend nebeneinander. Nein, sie würde ihn nicht darauf ansprechen. Als sie ihr Frühstück beendet und keiner von ihnen ein einziges Wort gesagt hatte, kochte sie innerlich dermassen, dass sie fast platzte. Er hätte genug Zeit gehabt es ihr zu sagen – aber nichts. Sie lag richtig damit, jemandem der von Nilia finanziert wurde nicht zu trauen. Gequält stand sie auf und ging hinaus. Kilven folgte ihr: „Zeigst du mir den Garten?“

       „Den Garten?“ Ina dachte, sie hätte sich verhört. Doch von Kilven kam ein: „Ja“, zurück. Sie hatte keine Lust ihm den Garten zu zeigen oder irgendetwas anderes. Aber etwas bewog sie es zu tun. Nebeneinander gingen sie durch den grossen Salon hinaus, liefen die steinerne Treppe hinunter auf den Rasen in Richtung des Tisches. Danach weiter zum Kampfplatz der mit blauem Sand bedeckt war. Als sie daran vorübergingen fing er an: „Er weiss, dass du zu Neven willst.“ Ina's Mund trocknete aus. „Ich will nicht zu Neven“, gab sie ihm mit ruhiger Stimme zurück. „Ina, bitte belüg mich nicht. Auch wenn du es nie ausgesprochen