Z. Bär

Ina


Скачать книгу

ihr Handgelenk: „Das ist also Ina Norak“, er liess ihre Hand wieder nach unten gleiten. Ina sah ihn mit grossen Augen an, als er sich auf den Stuhl rechts von ihr setzte. „Sie sind doch nicht etwa alleine hier Miss Norak?“ Norak. Diesen Namen hatte sie seit Jahren nicht mehr gehört. „Oh, Verzeihung. Bevorzugen sie es mit Miss Ina angesprochen zu werden?“ Er bemerkte ihre Verunsicherung. „Was sie bevorzugen, Botschafter. – Ich frage mich nur, woher sie mich kennen“, Sie hatte sich wieder gefasst. „Hm. Neven hat häufig von ihnen gesprochen“, Sebiha sagte es in einem beiläufigen Ton. Ina’s Atem stockte. „Neven?“ Mehr brachte sie nicht heraus. Es war ernsthaft zu bezweifeln, dass Neven oft über sie gesprochen hatte. „Ach, das habe ich vergessen. Neven hat ihnen ja nie etwas über seine Arbeit erzählt und natürlich auch nicht über die Leute in seiner Umgebung. – Wir hatten früher oft gemeinsame Angelegenheiten. Bis er sich für einen anderen Weg entschied.“ Eine nette Umschreibung für Neven's Verrat. „Sie kannten einander offenbar gut. Wenn sie wissen, dass er nicht über seine Arbeit gesprochen hat“, entgegnete ihm Ina freundlich, obwohl es eine Lüge war. Neven sprach häufig, sogar sehr häufig über seine Arbeit. Doch Botschafter Sebiha erwähnte er nie. Zumindest erinnerte sie sich nicht daran. „Er hat sie von der Politik und dem Militär ferngehalten. Neven wollte nicht, dass sie etwas damit zu tun haben und hat daraus kein Geheimnis gemacht. – Er wollte das aus gutem Grund“, Sebiha blickte dabei in den Saal hinein und musterte einige Personen sehr eindringlich. „Aus gutem Grund?“ Ina war neugierig was für ein Grund das sein sollte. „Die Politik ist nichts anderes als ein Netz aus Geheimnissen, Lügen und Verschwörungen. Neven wollte nicht, dass sie sich mit dieser Art von Personen herumschlagen müssen.“ Ina lächelte. Ja, Neven hielt sie von solchen Personen fern. Aber er sprach über sie. „Offenbar muss ich mich doch mit dieser Art von Personen herumschlagen.“ Sebiha drehte seinen Oberkörper zu ihr und entgegnete ihren Augen bestimmt: „Sie sagen das zu einem Botschafter?!“ Ina war sich nicht sicher, ob sie ihn verärgert hatte oder vielleicht sogar beleidigt. Sein Gesichtsausdruck und seine Stimme liessen keine Folgerung zu. Also zauberte sie ihr verführerischstes Lächeln auf die Lippen: „Sie haben damit begonnen, Botschafter Sebiha.“ Er legte seinen Arm auf die Stuhllehne: „Sie wagen es, mir die Schuld zu geben?“ Seine Stimme wurde strenger. Ina sagte nichts darauf, es war nicht notwendig, da sie ihm einen eindeutigen Blick zuwarf. „Sie sollten sich entschuldigen!“ Ina verstand nicht, wo sein Problem lag. Ein Botschafter sollte sich doch besser kontrollieren können. Sie hatte keine Lust kleinbei zu geben, das musste sie die letzten drei Jahre tun. „Vielleicht sollte ich das Sir. Ich werde es aber nicht tun“, sie sprach langsam und kontrolliert. Eine Entschuldigung war für die Bestätigung seiner eigenen Aussage wirklich nicht angebracht. „Wie bitte?!“ Jetzt wurde er etwas lauter und verlieh seiner Stimme noch mehr Strenge, die Ina noch mehr verunsicherte und damit auch ärgerte. „Ich werde mich nicht für eine Schlussfolgerung entschuldigen. Sir.“ Der Botschafter zog seinen rechten Mundwinkel etwas hoch, es war kaum zu erkennen: „Sie sollten ihre Meinung noch einmal überdenken und sich für ihre Unverschämtheit entschuldigen!“ Einen Augenblick glaubte sie, er würde lächeln. Sie betrachtete sein Gesicht ganz genau, sah auf seine Mundwinkel, die er vorher etwas verzerrt hatte. Aber er hatte eine eiserne Miene aufgesetzt. „Es gibt keinen Grund mich zu entschuldigen. Wenn sie mich für unverschämt halten, steht es ihnen frei zu gehen.“ Ihr Mund war trocken, ebenso ihre Kehle, ihr Herz raste, ihr Atem war flach. Sie hatte gerade einen Botschafter aufgefordert zu gehen! Legte sich mit einem Botschafter an. Sebiha starrte sie mit kalter Miene an. Sie versuchte seinem Blick stand zu halten. Er schien durch ihre Antwort schockiert zu sein. Sie selbst war es auch und bereute schon längst was sie gesagt hatte. Aber ihre verfluchte tumanische Unbeherrschtheit. Diese tumanische Ader hatte sie schon immer in unnötige Probleme gebracht. – Wahrscheinlich musste sie sich jetzt wirklich entschuldigen und konnte von Glück reden, wenn sie danach mit dem Kopf unter den Armen verschwinden durfte. Nach einigen unendlich langen Sekunden zogen sich seine Mundwinkel nach oben. Er lachte: „Mutig. Wirklich sehr Mutig.“ Kadir hatte ein Lächeln auf seinem Gesicht. Ina versuchte einen Gedanken zu Fassen, irgendeinen klaren Gedanken. – Sie lachten.

       „Jeder andere Rekrut entschuldigt sich spätestens nach der ersten Aufforderung. – Sie haben Korage!“ Ina rang nach Luft. Kadir nahm ihr Glas Talila, das auf dem kleinen runden Tisch stand und reichte es ihr: „Spülen sie ihren Schock hinunter.“ Ina führte es an ihren Mund, brachte aber keinen Tropfen über ihre trockenen Lippen. „Geht es wieder?“ Sebiha’s Mundwinkel verharrten noch in einem Lachen. Er fand es sehr amüsant. Ina schluckte schwer, er hatte mit ihr gespielt. Auf eine Art war sie glücklich über diesen Zustand, da sie ihre Worte längst bereute, auf eine andere Art ärgerte sie sich darüber, dass er das getan hatte. Sie wollte sich ihren Ärger über diese Komödie nicht anmerken lassen und antwortete so kühl sie konnte: „Die Entschuldigung lag mir bereits auf den Lippen. – Wenn sie sie also noch hören wollen.“

       „Sie haben sich nichts anmerken lassen. – Liegt das an Neven's Erziehung oder an ihrem Blut?“ Sebiha's Augen funkelten. „Ich fürchte, es liegt an meiner Arroganz Botschafter.“ Ein Kellner kam vorbei und räumte den Tisch ab. Ina griff sich auf seinem Tablett ein Glas Wasser. Sebiha beobachtete sie: „Woher wussten sie, dass sie es riskieren können?“ Seine Hand lag auf seinem Mund. „Ich wusste es nicht“, gab Ina zu. Sebiha studierte ihr Gesicht, als ob er darin lesen könnte: „Entweder sind sie wirklich dermassen Arrogant, dass ihnen egal ist mit wem sie sich anlegen oder sie spielen dieses Spiel schon besser als ich in ihrem Alter.“

       „Ich wusste nicht, dass wir hier sind um zu spielen“, Ina ärgerte sich allmählich über ihn und sein Verhalten. Nun versuchte er sie zu verstehen, was ausgeschlossen war, denn teilweise verstand sie sich selbst nicht und sie hatte keine Lust auf ein Machtspiel, da sie dazu verurteilt war es zu verlieren. Sebiha schwieg einige Sekunden. Er legte seinen Ellenbogen auf die Lehne seines Stuhles und stich mit seinen Fingern über den Mund: „Wenn es wirklich ihre Arroganz war, dann leben sie riskant Miss Ina“, sein eindringender Blick haftete unverschämt lange auf ihrem Gesicht. „Ist das so?“ Sie versuchte ihrer Stimme einen gleichgültigen Unterton zu geben, obwohl ihr Ärger immer grösser wurde. Sie hatte nicht vor, sich mit ihm über ihre Person zu unterhalten. „Sie sprechen erst und dann denken sie darüber nach. Arroganz, gepaart mit dem Mut den sie bewiesen haben, ist gefährlich. – Ich hoffe um ihretwillen, dass es sich um Intelligenz gepaart mit Mut zum kalkulierten Risiko handelt“, nun begann Sebiha auf seinem Daumen herum zu kauen, während er auf ihre Antwort wartete. Was wollte er? Eine Rechtfertigung? Eine Erklärung? Immer noch eine Entschuldigung?! „Sagen sie es mir, wenn sie es herausgefunden haben, Botschafter.“ Ina lächelte in sein Gesicht obwohl sie ihn hätte anspucken wollen. Arroganz, gepaart mit dem Mut den sie bewiesen haben! – Wie falsch er doch lag. Es war Arroganz gepaart mit Dummheit. Sie machte immer wieder denselben Fehler, sprach bevor sie dachte. „Oh. Sie versuchen meine Neugier zu wecken. Wirklich gut“, seine Hand machte eine eigenartige Bewegung. „Sie glauben mich durchschauen zu können“, Ina wollte seine Neugier keineswegs wecken. Sie wollte dieses Gespräch beenden. „Ich glaube? Nein. Ich habe sie durchschaut“, Sebiha streifte kurz Kadir's Blick. „Wenn sie meinen Sir“, während sie das sagte, liess sie ihren Blick durch den mittlerweile gefüllten Saal schweifen. Er war Arrogant und von sich selbst überzeugt. Wie sie solche Leute doch hasste! Sebiha strich sich mit seinem Daumen über die Lippen: „Ist es Gleichgültigkeit?“ Seine Stimme war herausfordernd. „Ist es Zwanghaft?“ Ina stellte die Frage, ohne sich dabei an Sebiha zu richten. „Was ist Zwanghaft?“

       „Ihr Verlangen. – Alle mit denen sie sich unterhalten sofort durchschauen zu können“, noch immer würdigte Ina ihn keines Blickes. „Das ist nicht mein Verlangen und schon gar nicht Zwanghaft“, Sebiha’s Stimme hatte sich unmerklich verändert, sein Gesicht nicht. Er hatte eine eiserne Miene und seine Hand versperrte Ina die Sicht auf seinen Mund. „Sie wollen alle sofort in eine Kiste zu ihresgleichen stecken und hören nicht auf zu spielen bis jeder in einer Kiste ist. – Sie sind gereizt, weil sie mich noch keiner Kiste zuweisen konnten. – Ich glaube es ist Zwanghaft“, mit ihren Fingern entledigte sie sich eines Fussels, der an ihrer Hose klebte, und verdeutlichte Sebiha so noch mehr ihr Desinteresse an diesem Gespräch. „Und sie, Miss Norak oder Miss Ina, ziehen merkwürdige Schlüsse. Sie sollten sich nicht auf ihre Schlussfolgerungen verlassen, geschweigedenn darüber sprechen.“ Ina konnte seinen Blick fühlen,