Z. Bär

Ina


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Gläser wurden hingestellt und er schob eines zu Ina. Wenn sie weiter so viel trank, würde sie es morgen vielleicht vergessen haben. Nicht aber der Botschafter, Kadir oder Nilia, wenn er erst davon erfahren hatte. Sie drehte das Glas in ihren Händen und wartete darauf, dass Kadir etwas sagte. Aber er schwieg. Offenbar hatte er nicht vor ihr zu sagen wie dumm sie war. Er leerte sein Glas und deutete dem Kellner, der hinter der Bar stand, es wieder zu füllen. Sie standen einfach nur da, ohne etwas zu sagen und ohne sich anzusehen. Nach einigen Minuten des Schweigens hielt es Ina nicht mehr aus: „Wieso sind sie hier, Sir?“

       „Wieso sind sie hier?“ Er sah sie nicht an als er die Frage stellte. „Ich bin hier, weil es Nilia von mir verlangt“, Ina's Antwort war ausweichend. „Und wieso sind sie hier?“ Er liess nicht nach. Natürlich hatte sie schon das erste Mal begriffen, dass er wissen wollte wieso sie gegangen war, sie hatte aber keine Lust darauf einzugehen. „Sie wissen weshalb.“

       „Weiss ich das?“ Ina stiess ihren Atem aus: „Ich habe einen Botschafter beleidigt.“ Kadir sah sie an: „Sie haben ihn nicht beleidigt. Sie haben seine Herausforderung angenommen und ihn beeindruckt.“

       „Natürlich. Ich habe ihn mit meiner Dummheit und Arroganz beeindruckt!“ Ina’s Sarkasmus war kaum zu übertreffen. Kadir schwieg. „Ich hätte einen besseren Eindruck hinterlassen, wenn ich mich einfach nur betrunken hätte.“ Kadir drehte sich zu ihr: „Glauben sie das?“

       „Was ich glaube Sir, spielt keine Rolle.“ Er nickte. „Wieso sind sie hier Sir?“

       „Um ihnen zu helfen Miss Ina.“

       „Und wie wollen sie mir helfen?“ Ina glaubte nicht, dass ihr noch zu helfen war. Ausser jemand riss ihr den Kopf ab bevor Nilia es tat. „Nicht so“, Kadir’s Stimme war ruhig. „Nicht so?“ Was meinte er damit?

       „Mit ihrer negativen Einstellung kann ich ihnen nicht helfen.“

       „Was für eine Einstellung sollte ich nach diesem Auftritt denn haben?!“ Ina wäre am liebsten in der Menge untergegangen. „Dieselbe die sie hatten als sie gingen. – Stolz.“ Und er wirkte sogar noch überzeugt davon. „Sir, wissen sie nicht was passiert ist?“ Ina fragte sich, ob er mitbekommen hatte was sie getan hatte. Oder ob sein Gehör so schlecht war, dass er es nicht hörte. „Ich weiss es besser als sie Soldat.“

       „Dann sagen sie es mir. Was ist da passiert?“ Ina wurde allmählich wieder aggressiv. Kadir hielt sie hin und das konnte sie nicht ausstehen. Er sah in ihre grünen Augen: „Wollen sie meine Hilfe?“

       „Wollen sie, dass ich sie darum bitte?“ Sie hatte nicht vor das zu tun. „Nein. Ich will wissen ob sie daran interessiert sind, dieses Spiel fortzusetzen.“

       „Spiel?!“ Ihr Magen verkrampfte sich. „Wie sie selbst so treffend festgestellt haben, hat Sebiha angefangen mit ihnen zu spielen. Sind sie interessiert weiter zu machen?“ Kadir's Stimme hatte nicht dieselbe Strenge wie auf der Rekrutenschule. „Nein. Ich habe keine Lust auf sein Machtspiel!“ Dass seranische Botschafter es wirklich nötig hatten ihre Macht an jungen Soldaten zu demonstrieren war widerwärtig. „Kein Machtspiel. Ein Wortspiel. Nicht mehr“, erwiderte Kadir ruhig. „Und das soll ich ihnen glauben Kapitän?“ Kadir entgegnete ihr mit einem Blick der so viel sagte wie: Weshalb sollte ich sie belügen? „Ist ihm langweilig, dass er das tut?“

       „Er hält seinen Geist wach Miss Ina und – ja, manchmal kann es einem Botschafter bei solchen Veranstaltungen langweilig werden.“ Ina beäugte Kadir ungläubig. „Sie können mir glauben oder nicht. Es ist ihre Wahl. Wobei letzteres sehr dumm wäre“, Kadir wandte sich wieder von ihr ab und sah durch den Spiegel, der hinter dem Tresen befestigt war, durch den man den ganzen Saal beobachten konnte. „Weshalb wäre es sehr dumm?“

       „Weil sie seine Herausforderung bereits angenommen haben. Wenn sie jetzt aufgeben, sind sie ein Feigling.“ Das war sie ganz gewiss nicht! „Ich habe ihn beleidigt.“ Der Kapitän neigte seinen Kopf: „Das sieht er anders. Im Moment bedauert er, dass sie gegangen sind“, dann neigte er sich zu ihr hinab: „Er war sprachlos. Aber wenn sie sich im heute nicht mehr stellen, weiss er, dass sie ein Feigling sind.“ Ina spielte mit ihren Fingern an ihrer Lippe. „Worüber denken sie nach?“ Sie sah ihn an. „Ich bin kein Feigling.“

       „Ich weiss. Aber er weiss es noch nicht.“

       „Dann tun sie das, wofür sie gekommen sind. Helfen sie mir.“ Kadir sah sie einen Augenblick an: „Bisher haben sie sich als würdig erwiesen. Ihr ganzes Verhalten hat ihn verblüfft. Und dass sie gegangen sind ohne sich von ihm zu verabschieden, damit haben sie es auf die Spitze getrieben.“ Er winkte einen Kellner heran: „Wasser!“ Befahl er ihm kurz. „Achten sie darauf, dass sie klar denken können.“ Kadir dachte einen Augenblick nach. Ina’s Augen klebten an seinem Mund. „Weil sie ihn dazu herausgefordert haben, wird er alles daran setzen, sie in eine Kiste zu ihresgleichen zu stecken.“ Jetzt war es auch noch ihre Schuld! „Hat er das noch nicht?“ Ina war überzeugt, dass Sebiha sie längst durchschaut hatte. „Nein. Bisher sind sie ein Rätsel für ihn. – Und er mag Rätsel. Er wird es sie wissen lassen, wenn er glaubt sie durchschaut zu haben.“ Wenn es Sebiha tatsächlich gelang, sie zu durchschauen? Wenn er tatsächlich begriff, dass es einfach nur ihre Unbeherrschtheit war, die sie dazu trieb, dann würde er den Spass an ihr schneller verlieren als er ihn gefunden hatte. „Danke.“ Kadir lächelte sie an: „Dafür müssen sie sich nicht bedanken.“

       „Doch Sir. Ich dachte, ich...“, Ina unterbrach sich selbst. Es war Kadir. Sie hatte nicht vor ihm ihre Gedanken offen zu legen. „Das hätte kein anderer Offizier getan.“

       „Sie wissen weshalb ich es tue Ina“, seine Stimme war leiser als zuvor. Eine Seranerin hätte es wohlmöglich nicht einmal gehört. „Ja. – Für ein Essen.“ Die Enttäuschung über ihre Antwort stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ina wollte nicht weiter darauf eingehen, sie entschied das Thema zu wechseln: „ Ist er noch dort?“

       „Ja. Nilia leistet ihm Gesellschaft.“

       „Dann sollten wir wohl zurück“, damit wollte Ina einem Gespräch mit Kadir aus dem Weg gehen. „Nein. Lassen sie Sebiha noch etwas warten. Geben sie ihm genug Zeit um anzunehmen, dass sie nichts weiter als ein Feigling sind.“ Kadir reichte ihr seinen Arm: „Sie werden später noch lange Sitzen müssen, vertreten wir unsere Beine ein wenig“, Er nahm ihren Arm und legte ihn unter seinen. In langsamem Schritt gingen sie durch die Säle. Sie waren ungefähr eine Stunde unterwegs und unterhielten sich über verschiedene Dinge. Ina erhielt einen vollkommen neuen Eindruck von Kadir. Sie war erstaunt darüber, wie anders er war. Wie falsch sie ihn eingeschätzt hatte. Kadir schien ruhig und sehr bedacht zu sein. Sie fragte ihn über sein Leben aus, um zu erfahren wer er war. Sein Vater, ein Bauer des Mittelstandes, verwendete seine gesamten Ersparnisse um seine Ausbildung zu finanzieren. Kadir war das älteste von drei Kindern. Nachdem er in den Dienst eingetreten war, wurde sein Sold verwendet um die Ausbildung seiner beiden Geschwister zu finanzieren. Sein Bruder, der fünf Jahre jünger war, wurde Berater beim seranischen Militär. Seine sieben Jahre jüngere Schwester wurde Schneiderin und machte, nicht zuletzt wegen Kadir’s Erfolg beim Militär, eine gute Partie bei ihrer Heirat. Kadir selbst war nie verheiratet. „Wieso habe sie nie geheiratet Sir?“

       „Ich konnte mich nie dafür entscheiden.“

       „War diese Entscheidung so schwer?“ Die meisten Seraner in seinem alter waren längst verheiratet. Viele sogar schon zum zweiten Mal. Einem zu begegnen, der es noch nicht war, war äusserst selten. „Ich war ständig unterwegs. – Und keine Frau hat Lust, einen Mann zu heiraten der kaum auf Seran ist. Es sei denn, sie tut es wegen seinem Rang“, Kadir versah sie mit einem kurzen Seitenblick. Ina wunderte sich darüber, dass er sich überhaupt darauf eingelassen hatte, ihr zu antworten. Um nicht wieder in ein unangenehmes Schweigen zu verfallen, fragte sie weiter: „Wie viele waren es?“ Wobei diese Frage eigentlich sehr indiskret war.

       „Spielt das eine Rolle?“ Dabei zog er ihren Arm etwas fester unter seinen. Spielte es eine Rolle? Für Ina nicht wirklich. Doch er sollte mit offenen Karten spielen, wenn er schon sein Interesse an ihr demonstrierte. „Waren es so viele?“ Ina's Ton war leicht unterschwellig. „Es waren einige. – Aber nicht viele“, Kadir's Augen hafteten auf ihrem Gesicht, um ihre Reaktion darauf